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Kopffüßler und fensterlose Häuser

Mit den "Kopffüßlern" wurde Horst Antes berühmt. Die archaisch anmutenden, unpersönlichen Figuren hatten außer übergroßen Köpfen, Füßen und Händen in der Regel keinen Körper. Eine Retrospektive im Martin-Gropius-Bau verdeutlicht den Werdegang des Malers und Bildhauers.

Von Carsten Probst |
    Der Begriff des Kunststars war im Westdeutschland der sechziger und siebziger Jahre noch nicht gebräuchlich für kometenhafte Künstlerkarrieren. Nimmt man rückblickend die "Kopffüßler", jene Motive, mit denen Horst Antes berühmt geworden ist, trifft auf ihn vielleicht eher der Begriff eines Ikonenmalers zu, eines Ikonenmalers für die Bundesrepublik der Nachkriegszeit.
    Seine oft scheinbar in sich ruhenden, archaisch anmutenden, unpersönlichen Figuren hatten außer übergroßen Köpfen und betonten Füßen und Händen in der Regel keinen Körper. Ihre physische Präsenz, ihre Aktivität beschränkte sich oft auf das bloße Erscheinen, das Öffnen eines großen Auges, das Heben einer Hand, das Vorsetzen eines Beines.

    Die Umgebungen, in die Antes sie versetzt, spielen gern auf kunsthistorische Motive von antiken, auch indianischen Kulturen bis zum Surrealismus an. Dieses kunstgeschichtliche Ambiente löst gewissermaßen den Goldgrund ab, vordem einst die italienischen Madonnen des Mittelalters erschienen. Die "Kopffüßler" selbst waren von indianischen Figuren inspiriert.

    Doch das allein kann nicht der Grund für Antes' außerordentliche Karriere gewesen sein. Die Retrospektive im Martin-Gropius-Bau verdeutlicht den Werdegang, auch wenn sie nicht von einem unabhängigen Kurator erstellt wurde. Joachim Sartorius, der Lyriker und "Kulturdiplomat", der als langjähriger Leiter der Berliner Festspiele viele Ausstellungen im Martin-Gropius-Bau eröffnet hat, ist ein alter Freund des Malers und erweist diesem mit dem Berliner Auftritt eher eine freundschaftliche Hommage, denn eine kritische Würdigung.

    Trotzdem ist dies eine wichtige Ausstellung. Sieht man sie im Kontext mit einigen zentralen Erforschungen zur Nachkriegsmoderne in den letzten Jahren, ist sie eine aufschlussreiche Ergänzung. Ausstellungen wie "Kunst und Kalter Krieg" in Berlin über Ernst Wilhelm Nay in Frankfurt oder über den einflussreichen Kunstkritiker Will Grohmann in Dresden haben ausführlich die Voraussetzungen untersucht, unter denen sich auch das Werk von Horst Antes versteht.

    Als Schüler von HAP Grieshaber scheint eine Neigung zum Ursprünglichen in der Kunst von Beginn an bei Antes angelegt zu sein - zunächst als vom Krieg unbelasteter Anfangzwanziger noch mit starker Anlehnung an das Informel der frühen fünfziger Jahre, ehe sich dann unter dem Einfluss Willem de Koonings stark expressive figurative Elemente in mitunter grellen Farbtönen hervortreten. Im Verlauf der sechziger Jahre beginnt Antes dann die Farben zu reduzieren, die Expressivität weicht klaren Konturen und fast minimalistischen Bildräumen. Das Ursprüngliche betrifft nun nicht mehr den Malakt selbst, sondern die Beschwörung einer überzeitlichen figurativen Symbolik, die durchaus auch einmal an altägyptische Hieroglyphen oder eben indianische Symbole erinnern kann und soll - wohlgemerkt als Fortsetzung der Moderne.

    Die Beschwörung des Unerforschlichen, des Mysteriums der Kunst als letztem Rückzugsort vor einer von Weltkriegen zerrütteten, hoch technisierten Kultur - gerade damit dürfte Horst Antes dem linksliberalen, tendenziell sozialdemokratisch gestimmten Bürgertum seiner Zeit ein Bildprogramm geliefert haben, das den vielen eher unverständlichen Eskapaden der Pop Art, des Action Paintings und des Fluxus eine klare Alternative entgegenhielt.

    Aus heutiger Sicht mögen seine Bilder mitunter befremden. Aber wie kaum ein anderer aufstrebender seiner Zeit verkörpert Antes noch ein geradezu unerschütterlich rechtschaffen wirkendes, zentralistisches Kunstweltbild, das es, kaum eine Generation nach Ende des "Tausendjährigen Reiches", möglich machte, in seinen Bildern eine positive überzeitliche Geschichte wiederzuerkennen und eine Kunst, die sie wieder verkündet.