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"Kopfgeld" in der NFL

Beim American Football geht es härter zur Sache als in anderen Sportarten. Jetzt ist jedoch bei einer Untersuchung der National Football League NFL herausgekommen, dass die New Orleans Saints ihre Profis motiviert haben, gezielt Gegenspieler zu verletzen. Zur Belohnung gab es eine extra Prämie.

Von Heiko Oldoerp | 11.03.2012
    Seit Hurrikan Katrina hat New Orleans in den Herzen vieler Amerikaner einen besonderen Platz. Als der Wirbelsturm im Spätsommer 2005 in der Mississippi-Metropole wütete und die Stadt nach einem Deichbruch mehrere Wochen unter Wasser stand, starben fast 2000 Menschen, der Gesamtschaden betrug mehr als 100 Milliarden Dollar. Die Football-Arena, der Louisiana Superdome, war Notunterkunft für zig Tausende und vom Hurrikan sichtlich gezeichnet. Wie so viele Einwohner mussten daher auch die New Orleans Saints ihre Heimat verlassen – trugen die Heimspiele in New Jersey, San Antonio sowie Baton Rouge aus. Im September 2006 folgte die emotionale Rückkehr in die renovierte Arena. Im Monday Night Game besiegte New Orleans die Atlanta Falcons mit 23:3.
    "”They got it back, to the five, six and recovered. Touchdown New Orleans. What a start for the home team.”"

    Die Nation schaute zu und freute sich mit dem Verein. Als die Saints im Februar 2010 schließlich erstmals den Super Bowl gewannen, jubelten erneut Millionen Menschen im ganzen Land. Der Triumph war Sinnbild für die Wiederauferstehung von New Orleans. Was zu diesem Zeitpunkt niemand wusste – der Erfolg wurde nicht nur mit fairen Mitteln erreicht.

    Zu Beginn der Saison 2009 hatten die Saints Gregg Williams als Defensive Coordinator geholt. Er sollte die löchrige Verteidigung stabiler machen. Williams galt als ausgewievter und ligaweit anerkannter Abwehrstratege. Seine Defensive war vor allem dafür bekannt, ziemlich schonungslos zur Werke zu gehen. Man spiele aggressiv und man werde sich nicht dafür entschuldigen, fies zu sein, hatte Williams bei seinem Amtsantritt betont.
    "We are aggressive and we are not going to apologize for being nasty.”"

    Was er damit meinte, wurde jetzt öffentlich. Williams hatte im Verein ein so genanntes Bounty-System eingeführt. Aus einer Mannschaftskasse wurde ein Kopfgeld an Profis gezahlt, die den Gegner absichtlich verletzten – mitunter so schwer, dass er nicht mehr weiterspielen konnte.

    ""They are bracing for punishment in New Orleans after news Friday of a Bounty system.”"

    Die "Sports Illustrated" berichtet in ihrer Titelstory diese Woche darüber, das Williams in der Saison 2009 jeweils am Samstagabend mit Briefumschlägen vor seinen Spielern stand, um die Prämien der Vorwoche auszuzahlen. Konnte der Gegner nicht mehr weiterspielen, gab es 1500 Dollar, musste jemand vom Platz gebracht werden, wurden 1000 Dollar gezahlt. In den Playoffs war sogar weitaus mehr zu verdienen. Je wichtiger die Partie, desto höher das Kopfgeld.

    Vor dem Halbfinal-Heimspiel im Januar 2010 gegen die Minnesota Vikings hatte Saints-Verteidiger Jonathan Vilma jedem Mitspieler 10000 Dollar angeboten, der Vikings-Quarterback Brett Favre spielunfähig. Favre selbst betonte in den vergangenen Tagen, dass er in jener Partie ungewöhnlich oft und hart attackiert worden sei. Bei einem Foul in der zweiten Halbzeit zog er sich eine Knöchelverletzung zu. Während er vom Platz gebracht werden musste, klatschten sich die Saints-Verteidiger vor Freude ab, über die TV-Außenmikrofone ist zu hören, wie einer von ihnen sagt: "Gib mir mein Geld."

    Aufgrund dieser Vorkommnisse hat die NFL die Geschehnisse bei den Saints eindringlich untersucht und so die Kopfgeld-Prämien öffentlich gemacht. In der Zwischenzeit haben sich auch ehemalige Spieler der Washington Redskins gemeldet und davon berichtet, dass Williams auch während seiner Washingtoner Zeit von 2004 bis 2007 ein ähnliches System eingeführt hatte, wie später in New Orleans.

    Für die Liga sind diese Nachrichten ein schwerer Schlag. Seit drei Jahren bemüht sich die NFL, ihr Spiel sicherer zu machen. Harte Stöße gegen Kopf oder Nacken wurden verboten, Profis, die dennoch unfair vorgehen, mit hohen Geldstrafen belegt. Ziel ist vor allem, die Zahl der Gehirnerschütterungen zu verringern. Denn allein derzeit gibt es mehr als ein Dutzend Gerichtsklagen ehemaliger Profis gegen die NFL im Zusammenhang mit Gehirnerschütterungen.

    Gregg Williams, der jetzt bei den St. Louis Rams arbeitet, hat die Kopfgeld-Prämien mittlerweile als "furchtbaren Fehler" bezeichnet und eingeräumt, dass er das Ganze hätte stoppen sollen. Saints-Trainer Sean Payton sowie Manager Mickey Loomis, die vom System wussten, es aber still schweigend hinnahmen, entschuldigten sich. Noch ist unklar, wie Liga-Boss Roger Goodell Verein und Verantwortliche bestrafen wird. Journalist Peter King, der das Bounty-System in seiner Sports Illustrated-Story detailliert beschrieben hat, rechnet mit drastischen Sanktionen.
    ""Ich denke, dass mehrere Leute gesperrt werden: Gregg Williams für mindestens eine halbe Saison, Sean Payton und Miki Loomis werden einige Spiele verpassen und Jonathan Vilma muss auch suspendiert werden."

    Goodells Entscheidung wird Ende des Monats erwartet. Doch für viele Amerikaner steht bereits jetzt fest. Die Saints, also die Heiligen, sind Sünder.