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Kopftuch-Urteil
"Zügig das Schulgesetz ändern"

Religiöse Symbole dürften nicht pauschal per Gesetz verboten werden, sagte Dorothea Schäfer, Landesvorsitzende der GEW NRW, im Deutschlandfunk. Beim Kopftuch könne es sich aber auch um ein politisches Symbol handeln. Sie hofft, dass das Schulgesetz nun so verändert werde, dass nicht in jeder Schulkonferenz die Debatte von Neuem beginne.

Dorothea Schäfer im Interview mit Benedikt Schulz | 13.03.2015
    Eine junge Frau mit Kopftuch, die Klägerin, läuft am 24.09.2014 in Erfurt (Thüringen) am Behördenschild mit der Aufschrift "Bundesarbeitsgericht" vorbei.
    NRW ist eines der Bundesländer, in denen bisher Lehrerinnen das Tragen eines Kopftuches untersagt war. (picture alliance / dpa / Martin Schutt)
    Benedikt Schulz: Und wir bleiben beim Thema Kopftuchverbot. Zwei muslimische Lehrerinnen hatten dagegen geklagt, dass ihnen in der Schule das Tragen eines Kopftuchs untersagt wurde. Und das Bundesverfassungsgericht hat das Pauschalverbot heute gekippt. Beide Klägerinnen stammen aus Nordrhein-Westfalen.
    - Dorothea Schäfer ist Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft in Nordrhein-Westfalen. Ich grüße Sie!
    Dorothea Schäfer: Ja, guten Tag, Herr Schulz!
    Schulz: Der Zentralrat der Muslime, die Grünen, die Antidiskriminierungsstelle des Bundes, die haben bereits erklärt, sie begrüßen das Urteil, die Entscheidung aus Karlsruhe. Was sagt die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft?
    Schäfer: Klar, dass das Ministerium zügig das Schulgesetz ändern muss, wenn ein Bundesverfassungsgericht eine solche Entscheidung trifft. Das sogenannte Kopftuchverbot ist ja damals, 2006, von der damaligen Landesregierung ins Schulgesetz hineingeschrieben worden. Und das Problem, das wir sehen, ist, dass natürlich religiöse Symbole nicht per Gesetz verboten werden dürfen, aber dass das beim Kopftuch immer die Frage war, ist es wirklich nur ein religiöses Symbol, oder ist es nicht auch ein politisches Symbol. Und die Sorge, die wir damals als Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft hatten, die ist auch nicht ganz ausgeräumt. Dass sich auch muslimische Schülerinnen, die sich selber entscheiden, kein Kopftuch zu tragen, werden die dadurch nicht einseitig beeinflusst. Und das nachzuweisen, ist natürlich schwierig. Es ist ja jetzt – ich kenne ja jetzt den Text von dem Beschluss noch nicht, außer der Pressemeldung, die natürlich bei uns auch bekannt ist.
    Schulz: Heißt das, Sie würden für eine Lösung nach Berliner Vorbild plädieren, dass religiöse Symbole allgemein aus der Schule verbannt werden müssen, ob es nun Kopftücher oder Kreuze sind?
    Schäfer: Schule kein religionsfreier Raum
    Schäfer: Natürlich ist auch die Schule kein religionsfreier Raum. Wir haben den Religionsunterricht in den Schulen, das ist geregelt. Und insofern muss man da jetzt, glaube ich, auch aufpassen, dass man nicht das Kind mit dem Bade ausschüttet, sondern dass man reagiert auf das, was das Bundesverfassungsgericht jetzt gesagt hat. Und die Gleichberechtigung der muslimischen Religion ist ja auch gerade jetzt in Nordrhein-Westfalen durch die Einführung von Islamunterricht in den Schulen – ja, da hat man ja schon versucht, das entsprechend dem Unterricht in katholischer Religionslehre und evangelischer Religionslehre auch da dem nachzukommen.
    Schulz: Was die Richter gesagt haben: Sie haben gesagt beziehungsweise geschrieben, das Tragen des Kopftuches darf nur verboten werden, wenn eine hinreichend konkrete Gefahr für den Schulfrieden oder die staatliche Neutralität davon ausgeht. Versuchen Sie, das mal für uns zu interpretieren, für die Praxis. Ist das Tragen von Kopftüchern in NRW für Lehrer damit erlaubt oder nicht?
    Schäfer: Ich bin gespannt, wie die Juristen im Schulministerium darauf jetzt reagieren. Das ist natürlich ganz schwierig. Wie weise ich nach, dass der Schulfrieden gestört ist? Der ist gestört, wenn es massive Auseinandersetzungen vielleicht auch zwischen Eltern unterschiedlicher Auffassungen gibt, wenn es den Eindruck gibt in der Schule, dass es eben nicht einfach nur ein religiöses Symbol der Lehrerin ist, sondern das ist, was ja kein Lehrer darf, damit auch verbinden eine politische Beeinflussung der Schülerinnen und Schüler, die uns anvertraut sind. Ganz schwierig. Also da bin ich sehr gespannt und möchte jetzt im Moment eigentlich nicht in der Rolle der Juristen des Schulministeriums stecken.
    Schulz: Ich möchte Sie trotzdem fragen. Also, das Schulgesetz muss in NRW, aber auch vermutlich in sieben anderen Bundesländern, jetzt demnächst geändert werden. Wie sollte denn ein Gesetz aussehen, das alle zufriedenstellt?
    Schäfer: Ja, es darf ja nach dem, was das Bundesverfassungsgericht jetzt gesagt hat, darf es nicht ein pauschales Verbot für das Tragen von religiösen Symbolen im Unterricht geben. Also muss diese Formulierung aus dem Schulgesetz – das ist ja im nordrhein-westfälischen Schulgesetz so formuliert worden, sogar noch in Abgrenzung zu christlichen und abendländischen Symbolen. Das muss auf jeden Fall geändert werden. Und das andere wird wahrscheinlich so angepasst wie die Verpflichtung zur Neutralität, die eben auch in anderen politischen Fragen gilt.
    Schulz: Also der Streit um Kopftücher in der Schule, der beschäftigt uns ja schon seit einer ganzen Weile. Und er wird ja auch oft ideologisch geführt. Hat Karlsruhe, was glauben Sie, diesen Streit jetzt beendet, oder hat man einfach nur die Auseinandersetzung nach unten, in die Schulen weiter verlagert?
    Schäfer: Auseinandersetzung nicht beendet
    Schäfer: Ich glaube nicht, dass die Auseinandersetzung beendet ist. Das wird immer ein Thema bleiben. Und man kann nur hoffen, dass es eben nicht in die Einzelschule reingetragen wird. Also das heißt, das Schulgesetz muss jetzt in einer Art und Weise verändert werden, dass nicht dann in jeder Schulkonferenz die Debatte von Neuem beginnt.
    Schulz: Sind Sie da optimistisch, dass das klappt?
    Schäfer: Das kann ich jetzt, so ein paar Stunden nach Veröffentlichung dieser Entscheidung noch nicht sagen. Also, ich wünsche es mir einfach, wobei die Erfahrung ist, dass auch andere Dinge natürlich nach unten gegeben werden. Wo man sich dann auf der Ebene des Ministeriums oder der Landesregierung auch vor bestimmten Entscheidungen drückt. Und das ist aus unserer Sicht nicht gut.
    Schulz: Sagt Dorothea Schäfer, Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft in Nordrhein-Westfalen. Ganz herzlichen Dank!
    Schäfer: Ja, gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.