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Kopftuchstreit in NRW
Keine Entschädigung für muslimische Lehrerinnen

Zwei Lehrerinnen warfen dem Land Nordrhein-Westfalen vor, wegen ihres Kopftuchs nicht eingestellt oder verbeamtetet worden zu sein. Daher forderten sie eine Entschädigung. Beide Klagen wurden nun vom Oberverwaltungsgericht in Münster abgelehnt - aus unterschiedlichen Gründen.

Andreas Lorek im Gespräch mit Regina Brinkmann | 07.10.2019
Fereshta Ludin, muslimische Lehrerin und Beschwerdeführerin im Kopftuch-Streit, sitzt am 24.9.2003 nach der Urteilsverkündung im Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe vor den Richtern (l-r) Rudolf Mellinghoff, Lerke Osterloh und Hans-Joachim Jentsch. Die Bundesländer dürfen muslimischen Lehrerinnen das Kopftuchtragen im Unterricht verbieten. Dazu müssen sie jedoch nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts eine "hinreichend bestimmte" gesetzliche Grundlage schaffen. Diese fehlt derzeit in Baden-Württemberg. Das Land habe deshalb mit seiner Ablehnung, Ludin in den Schuldienst zu übernehmen, ihre Religionsfreiheit verletzt, entschieden die Richter.
Das Bundesverfassungsgericht hatte 2003 gefordert, für etwaige Kopftuchverbote gesetzliche Grundlagen zu schaffen, kippte dann aber 2015 die Regelung im NRW-Schulgesetz. (picture alliance / dpa / Uli Deck)
Die eine Klägerin sei gar nicht diskriminiert worden, die andere schon - habe allerdings trotzdem keinen Entschädigungsanspruch, so lässt sich das Urteil aus Münster zusammenfassen. Die beiden scheinbar ähnlichen Fälle waren nämlich in Wirklichkeit völlig unterschiedlich, und so gab es denn auch völlig unterschiedliche juristische Begründungen für die Klageabweisung.
Fall 1: Kopftuch unbedeutsam für die Stellenbesetzung
Die eine angehende Lehrerin war 2006 nach dem Referendariat gar nicht erst eingestellt worden, aus ihrer Sicht wegen des in NRW geltenden Kopftuchverbotes. Das Kopftuch spielte aber offenbar gar keine Rolle bei der damaligen Entscheidung, erläutert Gerichtssprecher Dirk Rauschenberg:
"Es liegen natürlich dann die entsprechenden Bewerbungsunterlagen vor, auch die Unterlagen aus den Stellenbesetzungsverfahren im Ganzen - und aus diesen Unterlagen ergaben sich aus Sicht des Senats keinerlei Indizien dafür, dass das Land als Dienstherr überhaupt davon wusste, dass die Klägerin aus religiösen Gründen ein Kopftuch trug."
Hinzu kam in diesem Fall, dass die Kandidatin seinerzeit bei den Bewerbungsgesprächen keine gute Figur gemacht hatte und auch keine guten Examensnoten vorweisen konnte - auch dies ließ sich aus den Unterlagen nachvollziehen.
Fall 2: Diskriminierung ja, Entschädigung nein
Die zweite Klägerin hingegen war 2005 im Rheinland über die Bezirksregierung als Lehrerin angestellt worden, im Vorfeld hatte die Schule versprochen, es würde auch eine Übernahme in das Beamtenverhältnis geben. Dann wurde signalisiert, wegen des Kopftuchs müsse man bei der Verbeamtung noch abwarten - und als die Lehrerin den entsprechenden Antrag schließlich stellte, wurde er abgelehnt. Hier kam für das Gericht in Münster durchaus eine mögliche Diskriminierung in Betracht, so der Gerichtssprecher:
"Allerdings war es so, dass diese Benachteiligungshandlung in jedem Fall vor dem Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes im Jahre 2006 sich ereignete und dass ein Entschädigungsanspruch auf der Grundlage dieses Gesetzes nicht rückwirkend geltend gemacht werden konnte."
Auch einen Haftungsanspruch aufgrund weiterer gesetzlicher Regelungen etwa auf EU-Ebene sah das Gericht nicht - da die Klägerin später doch noch verbeamtet worden war, sei kein Schaden entstanden. Trotz der recht speziellen Konstellation in den beiden Fällen betonten die Richter auch ihre grundsätzliche Sicht: Für eine Entschädigungsforderung müsse immer eine konkret erfolgte Benachteiligung nachgewiesen werden - ein pauschaler Bezug auf das 2015 als grundgesetzwidrig beurteilte NRW-Schulgesetz und das dort vorgesehene "Kopftuchverbot" reicht nicht aus.