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Kopftuchverbot grundsätzlich rechtswidrig

Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass das in Baden-Württemberg für muslimische Lehrerinnen geltende Verbot, im Unterricht Kopftücher zu tragen, grundsätzlich rechtswidrig ist. Es liegt also am Gesetzgeber zu entscheiden, ob in den Schulen Kopftücher getragen werden oder nicht. Das oberste deutsche Gericht überlässt es den Landesparlamenten, entsprechende Grundlagen zu schaffen.

    Patrick Honecker: Jörg Rüpke ist Religionswissenschaftler an der Universität Erfurt und bereitet für die nächste Woche einen Kongress vor, dessen Thema nicht passender sein könnte. Es soll um Religion im Konflikt gehen. Herr Rüpke, werden Sie sich also auch mit einem staatlich-religiösen Konflikt wie dem Kopftuchstreit beschäftigen?

    Jörg Rüpke: Ich bin mir sogar ganz sicher, dass diese Urteil und die Konsequenzen die Diskussionen vielleicht nicht mitbestimmen, aber doch mitprägen werden in verschiedene Bereichen. Ob wir nun den Islam thematisieren, die Frage nach staatlicher gesetzgeberischer Regulierung von Religion, das sind alles Bereiche, die wir vom Programm her ansprechen werden und in denen natürlich auch diese Kopftuch-Urteil, das ja so ein merkwürdiges, nicht endgültiges Urteil ist und vieles offen lässt, damit auch viele Fragen, zur Sprache kommen wird.

    Honecker: Wie ist denn das gegenwärtige Islambild in Europa, auch nach den Erfahrungen von Terror und Krieg, in Ihre Forschungen einbezogen?

    Rüpke: Die Frage nach dem europäischen Islam stellt sich auf mehreren Ebenen. Es gibt auch hier in Erfurt etwa Forschungsprojekte, die sich gerade mit der Frage, wie kann ein islamischer Religionsunterricht in Deutschland aussehen, in anderen Ländern wird so etwas, in Großbritannien beispielsweise, ja unter anderen gesetzlichen Voraussetzungen, praktiziert. Das ist eine Frage. Die andere Frage stellt sich eher in einer längerfristigen Perspektive, welchen Einfluss hat die Auseinandersetzung mit den Kulturen und Rechtskulturen auf den Islam selbst, denn der Islam, der in den arabischen Ländern oder im südwestasiatischen Raum ja kulturprägend ist, Mehrheitsreligion ist, dort zum Alltagsleben gehört, wird ja hier in einer ganz anderen Weise zu einer Freizeitbeschäftigung, könnte man sagen, so wie es das Christentum ja vielfach auch ist. Eine Überzeugung, eine Aktivität, die sich mit bestimmten Zeiten, Orten, Organisationen verbindet und sich dann eben die Frage stellt, gibt es die islamische Kirche, eine Dachorganisation, die mit demselben Recht für ihre Angehörigen sprechen kann, wie das etwa der Verband der protestantischen Kirchen in Deutschland, die EKD, die Katholische Bischofskonferenz oder ähnliche Organisationen, spielen.

    Honecker: Was Sie eben gesagt haben, klang für mich so, als wäre der Islam hier so etwas wie ein Hobby, eine Ausübung, die sehr persönlich geprägt wird von den Interessen der Einzelnen und auch subjektiv ausgelegt wird. Kann man das so sagen?

    Rüpke: Das würde ich sogar gerne unterstreichen- Natürlich ist gerade eine Religion wie der Islam, die nicht über so stark ausgeprägte hierarchische Strukturen verfügt noch einmal anders als das Christentum oder die vielen Christentümer, die wir in Europa und Deutschland kennen. Da gibt es ein großes Spektrum, auch abhängig von europäischer Bildung, Aufenthalt in Ländern, in denen der Islam in der Minderheit ist. Das ist ein ganz buntes Bild und von DEM Islam zu sprechen, ist sicherlich genauso falsch, wie von DEM Christentum oder DEM Judentum.

    Honecker: Abschließend noch einmal auf Ihre Universität bezogen: die religionswissenschaftliche Fakultät hat die Teildisziplin Judaistik, Islamwissenschaft, Kulturgeschichte des lateinischen und orthodoxen Christentums. Wie lernen denn die Studierenden da, ist das ein ständiger interdisziplinärer Austausch?

    Rüpke: Zunächst einmal handelt es sich nicht um eine eigene Fakultät, es ist ein Institut im Rahmen der philosophischen Fakultät, das damit auch in enger Auseinandersetzung mit Literaturwissenschaftler oder Historikern steht. Unsere Vorstellung ist, ein Bild von Religion zu vermitteln, das den Charakteristika von Religion in der Modern gerecht wird und eines der zentralen Charakteristika ist, dass Religion fast immer im Plural auftritt, religiöser Pluralismus. Das ist keine Wertaussage sondern eine schlichte Feststellung. Deswegen ist auch unser Studiengang so aufgebaut, dass er versucht, eine breite Grundlage zu legen, Kenntnisse verschiedener religiöser Tradition, die sich natürlich auf sich selbst, auf klassische Texte und ihre eigene Geschichte beziehen, diese Kenntnisse zu vermitteln, aber gleichzeitig auch in vergleichende Veranstaltungen dieses Miteinander, auch oft gegeneinander von Religion und die Frage, in welchem kulturellen und gegebenenfalls auch gesetzgeberischen Rahmen dergleichen sich abspielt zu vermitteln-

    Honecker: Jörg Rüpke, Religionswissenschaftler an der Universität Erfurt zum Thema Religion im Konflikt.