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Korea
Diplomatische Signale aus dem Süden

Nur einige Tage nach dem Abschuss von zwei nordkoreanischen Langstreckenraketen machte Südkoreas Präsidentin Park Geun-hye eine überraschende Ankündigung: Sie drang auf eine enge Zusammenarbeit mit dem langfristigen Ziel der Wiedervereinigung der beiden Koreas.

Von Martin Fritz | 29.03.2014
    "Nieder mit Nordkorea! Weg mit Kim Jong-un! Schluss mit der Diktatur!" So lauteten die Schlachtrufe und so stand es am Mittwoch auf Transparenten von Demonstranten in Südkoreas Hauptstadt Seoul. Eine nordkoreanische Flagge ging in Flammen auf.
    Der wütende Protest im Süden galt dem Abschuss von zwei nordkoreanischen Mittelstreckenraketen. Die Rodong-Raketen waren offenbar als Begleitmusik für ein Gipfeltreffen gedacht. In Den Haag hatten US-Präsident Barack Obama, Südkoreas Präsidentin Park Geun-hye und Japans Premierminister Shinzo Abe über Nordkorea gesprochen. Doch der Sprecher der Protestler, Park Chan-sung, kannte kein Pardon:
    "Das ist eine Kriegsdrohung gegen die Vereinten Nationen und Südkorea. Wir fordern die internationale Gemeinschaft auf, Kim Jong-un für die Raketenschüsse und seine Provokationen hart zu bestrafen."
    Wiedervereinigung als Thema neu entdeckt
    Tatsächlich verurteilte wenig später der UN-Sicherheitsrat in einer Sondersitzung das Vorgehen von Nordkorea. Der erste Abschuss von Mittelstreckenraketen seit mehr als vier Jahren verstoße gegen Resolutionen der Vereinten Nationen. Doch die südkoreanische Präsidentin Park ignorierte die Raketenschüsse. Nur zwei Tage später schlug sie während ihres Deutschland-Besuchs dem Norden eine umfangreiche Zusammenarbeit vor. Schon im Februar hatte Frau Park die Wiedervereinigung der beiden Koreas als Thema neu entdeckt. Am Freitag konkretisierte sie in Dresden die notwendigen Vorbereitungen dafür.
    "Süd- und Nordkorea sollten die Treffen von getrennten Familien zu einem regelmäßigen Ereignis machen, um Ressentiments abzubauen und Vertrauen zwischen den beiden Seiten aufzubauen. Damit die beiden Koreas sich gut verständigen und wahrhaftig integrieren, müssen wir auch die Unterschiede in unseren Werten und Denkweisen verringern."
    Die südkoreanische Präsidentin hatte für ihre Rede Dresden ausgewählt, weil die Stadt für sie die gelungene Wiedervereinigung von Deutschland symbolisiert. Die Wiedervereinigung Koreas sei ebenfalls eine "historische Notwendigkeit", erklärte Frau Park. Zuvor hatte sie in Berlin bei Begegnungen mit Politikern und Intellektuellen die Erfahrungen der deutschen Einheit diskutiert. Als eine Lektion daraus bot sie dem Norden Hilfen bei der Entwicklung der Landwirtschaft und dem Ausbau der Transportwege und Kommunikationsnetze an. Allerdings machte die Präsidentin ihre Offerte davon abhängig, dass der Norden seine Atomwaffen aufgibt. Der Asien-Experte Günter Knabe ist daher skeptisch:
    "Das ist ein Riesenpaket, das sie auf den Weg gebracht, ein Paket mit Hilfsangeboten, nur ich vermute, dass die nordkoreanische Führung darauf nicht eingehen wird. Es wird mit 'Annahme verweigert' zurückkommen nach Südkorea. Denn Frau Park hat eines zur Grundvoraussetzung gemacht: dass Nordkorea auf seine atomaren Bewaffnungspläne verzichtet. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass Nordkorea darauf in absehbarer Zeit eingehen wird und eingehen kann."
    Vergleich Nordkoreas mit Nazi-Deutschland
    Dass die Regierung in Seoul plötzlich über Wiedervereinigung spricht, dürfte mit den unerwarteten Schwäche-Anzeichen in Pjöngjang zusammenhängen, darunter die Hinrichtung von Kim-Onkel Jang Song-thaek im Dezember und anschließende Säuberungen in der Führung. Offenbar will sich Südkorea auf einen schnellen Zusammenbruch der Kim-Diktatur besser vorbereiten. Auch die Vereinten Nationen lassen Nordkorea neuerdings weniger durchgehen. Erstmals haben sie die Konzentrationslager und andere Regime-Verbrechen dokumentiert. Der australische Untersuchungsleiter Michael Kirby verglich Nordkorea mit Nazi-Deutschland.
    "Ich kann viele Parallelen zwischen Nordkorea und den Achsenmächten im Zweiten Weltkrieg sehen. Ein Zeuge aus einem der Lager hat uns erzählt, dass es zu seinen Aufgaben gehörte, die Leichen von Verhungerten einzusammeln und zu verbrennen. Die Asche und halbverbrannte Körperteile wurden dann als Dünger auf den Feldern vergraben."
    Nordkorea reagiert wütend auf Kritik
    Gestern erklärte der UN-Menschenrechtsrat in Genf, die Führung um Kim Jong-un sei für Folter, Vergewaltigungen, Sklaverei, Hunger und massenhaften Mord in dem abgeschotteten Land verantwortlich. Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Navi Pillay, verlangte die Einschaltung des Strafgerichtshofs in Den Haag. Das wird China als einzige Schutzmacht von Nordkorea mit einem Veto im Sicherheitsrat verhindern. Doch dass überhaupt über diese Verbrechen gesprochen wird, ist neu. Der nordkoreanische UN-Botschafter So Se-pyong reagierte daher wütend:
    "Das anti-nordkoreanische Menschenrechtsgeschrei auf der Basis von Lügenmärchen ist ausschließlich davon motiviert, die Ideologie der Republik Nordkorea zu untergraben und das soziale System zu eliminieren."
    Seine heftige Reaktion ist ein weiteres Indiz dafür, wie sehr sich die Führung in Pjöngjang unter Druck fühlt. Südkoreas Präsidentin Park dürfte sich in ihrer festen Haltung bestätigt fühlen, nämlich dem Norden einerseits die Hand zu reichen, aber in der anderen Hand das Gewehr festzuhalten.