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Kormorane auf der Abschussliste

Mit dem Entschluss, den Kormoran außerhalb der Brutzeit zur Jagd frei zu geben, hat Schleswig-Holstein Ende vergangenen Jahres bei Naturschützern für Proteste gesorgt. Hintergrund waren Beschwerden von Fischern und Teichbesitzern über massive Schäden. Jetzt erklärt ausgerechnet ein Karpfenzüchter die Abschuss-Regelung für Unsinn: Nur eine gezielte Geburtenkontrolle würde der Binnenfischerei tatsächlich nützen.

Von Britta Freith | 21.04.2006
    Michael Bothstede züchtet Karpfen. Das macht er nicht irgendwie, sondern Bothestede ist Bioland-Karpfenzüchter in Schleswig-Holstein. Mit seinen 44 Teichen und 32 Hektar Wasserfläche der einzige in Norddeutschland, bis hinunter nach Nordrhein-Westfalen. Die Kunden kommen sogar aus Berlin ins kleine Dorf Grambek im Lauenburgischen.

    "Wir haben nur ein gravierendes Problem, und das sind Kormorane, die die Fischteiche leerplündern, leerfressen. 80-90 Prozent sind weg, und das seit zwei, drei Jahren. Und wie soll daraus noch eine wirtschaftliche Geldgewinnung erzielt werden? Ausgeschlossen, funktioniert nicht. "

    Um Binnenlandfischer wie Bothstede zu entlasten hat die Schleswig-Holsteinische Landesregierung den Kormoran zum Abschuss freigegeben: Von August bis Ende März. Widersinnig, sagt Bothstede. Den Sommer über würden er und seine Kollegen die Vögel quasi großziehen.

    "Die Junggesellen fliegen durch die Gegend und haben Hunger. Die Elternvögel fliegen durch die Gegend und brauchen Futter für ihre Jungvögel. Das heißt: Wir füttern die Kormorane mit unseren Fischen, das meine ich damit. Und ab dem ersten August, das ist das Perverse daran, müssen wir die vorher gefütterten Vögel totschießen und wegschmeißen. Und das ist falsch. "

    Gezielte Geburtenkontrolle schlägt Bothstede vor, um im Vorwege die Zahl der Vögel zu regulieren.

    "In Skandinavien, in Schweden zum Beispiel, werden mit den Forstbehörden, den Jagdbehörden, den Fischereiverbänden und den Umweltverbänden Pläne entwickelt und umgesetzt, indem man jedes Jahr einige Kormoran-Kolonien komplett vernichtet. Die Eier werden gelegt, Mitte April geht das los, dann kommt der Waldarbeiter, sägt den Baum um, das Ei fällt runter, ist kaputt. "

    Fritz Heydemann vom Naturschutzbund NABU hält von solchen Methoden gar nichts.

    "Das Stören während der Brutzeit, das würde also einen ganz raschen Niedergang des gesamten Kormoranbestandes im Lande bedeuten, weil die Kormorane als gesellige Koloniebrüter dort eben extrem störempfindlich sind. So hat man vor über hundert Jahren den Kormoranbestand in Schleswig-Holstein schon einmal komplett ausgerottet. "

    Man müsse eher überlegen, ob die Karpfenzucht in Schleswig-Holstein überhaupt sinnvoll sei, so Heydemann.

    "Der Kormoran ist eine einheimische Art, der Karpfen ist dies allerdings in Schleswig-Holstein nicht und hat hier eben auch im Hinblick auf die klimatischen Bedingungen ganz große Probleme mit dem Abwachsen. Insofern haben eben viele Karpfenbetriebe hier auch in Schleswig-Holstein ihre Rentabilitätsgrenze erreicht und zwar bevor der Kormoran sich bei uns wieder angesiedelt hat. "

    Dass Karpfenzüchter Bothstede von dieser Argumentation nicht erbaut ist, wundert nicht. Im Schleswig-Holsteinischen Umweltministerium will man abwarten, wie die Abschussregelung greift, sagt Sprecher Christian Seyfert.

    "Es soll den Fischern Abhilfe schaffen. Deswegen haben wir auch gesagt: Wir werden noch im nächsten Jahr ein Monitoring machen. Das heißt, wir werden diese Kormoran-Verordnung dann überprüfen und gucken, was hat sie in der Praxis gebracht, und gegebenenfalls noch einmal nachsteuern – in die eine oder andere Richtung. "

    Michael Bothstede führt inzwischen Verhandlungen mit Betrieben in Estland und Polen.

    "Wir verdienen in Grambek seit zwei Jahren nichts, die Reserven sind aufgebraucht. Also haben wir Kontakte geknüpft zu Betrieben in anderen Ländern, die auch in Bio arbeiten, und denken darüber nach mit diesen Leuten woanders etwas aufzuziehen. "

    Dabei muss Bothstede zugeben: Aus seiner Heimat würde er als geborener Grambeker nur ungern weggehen. Alternativ überlegt er daher ernsthaft, die Teiche einfach zuzuschütten und aus der gesamten Fischzucht eine Weihnachtsbaumplantage zu machen.