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Korruption in Bulgarien

Wiederholt hat die Europäische Union Bulgarien, das seit 2007 EU-Mitglied ist, wegen unzureichender Bekämpfung von Korruption und Mafia abgemahnt. Mitte Juli wird der nächste Monitoring-Bericht der EU-Kommission für Bulgarien erwartet. Und schon jetzt ist die Nervosität groß. Der Grund: Erstmalig in der Geschichte hatte die EU bereits Gelder gestoppt, nachdem Untersuchungen ergeben haben, dass EU-Mittel veruntreut worden sind. Simone Böcker berichtet.

    Stefan Stefanov sitzt in seinem kleinen antiquierten Büro in der Innenstadt von Sofia. Von seinem Fenster aus schaut der Direktor des bulgarischen Bauernverbandes auf das Landwirtschaftsministerium. Seit März ist ein Teil der EU-Agrarzahlungen, ebenso wie Gelder in zwei anderen Bereichen, von Brüssel gestoppt worden. Der Grund: Veruntreuung. Stefan Stefanov rückt seine Brille zurecht:

    "Einige Firmen haben günstige gebrauchte Maschinen für die Milch- und Fleischverarbeitung gekauft. Die Bedingung für die Mittel aus den SAPARD-Fonds ist aber, dass die Technik neu ist. Der Betrug besteht darin, dass diese Leute dann die gebrauchten Maschinen in den Dokumenten als neue Maschinen deklarierten und sich das Geld aus den Fonds in die eigene Tasche steckten. Solche Fälle hat es gegeben. "

    In den letzten Wochen und Monaten haben sich in Bulgarien die unerfreulichen Ereignisse gehäuft. Der Innenminister musste wegen seinen Kontakten zu Mafia-Bossen zurücktreten. Der Leiter eines Verkehrsdezernates soll bei der Vergabe von Aufträgen 50 Millionen Euro aus EU-Fonds veruntreut und seinem Bruder zugeschanzt haben.

    Deswegen verlangt die EU-Kommission nun klare Kontrollmechanismen von der bulgarischen Regierung, weitere Mittel aus den EU-Fonds könnten sonst gesperrt werden, warnte EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn. Doch Kontrolle und Transparenz sind noch immer Problemfelder in Bulgarien, berichtet Ruslan Stefanov vom Center for Studies of Democracy:

    "Besorgnis erregend ist die so genannte politisch motivierte Schattenwirtschaft. Da geht es um Kreise von Firmen, die mit bestimmten Parteien verbunden sind. Sie bekommen dann öffentliche Aufträge, öffentliche Grundstücke oder Gelder, weil sie gute Kontakte zu Parteien oder der Verwaltung haben. Dieses Problem muss jetzt angegangen werden, aber dafür braucht man sehr starke Kontrollmechanismen in der Verwaltung. Das möchte die EU-Kommission jetzt sehen. "

    Als Reaktion hat Premierminister Sergej Stanishev die bisherige Botschafterin in Berlin Meglena Plugtschieva als Vizeregierungschefin eingesetzt und mit speziellen Kompetenzen ausgestattet. Ihr Auftrag: hartes Durchgreifen.

    "Ich war unangenehm überrascht, dass da gewisse Defizite da waren und zu mehreren Punkten: zum Thema Kommunikation zwischen den Behörden, innerhalb der Behörden und auch die Kommunikation zu Brüssel zu der EU-Kommission war in gewissem Maße gestört. Zweitens die Kontrolle. Ein Mangel an Transparenz. Das Ziel ist, das alles zu verbessern: als Koordination, Kommunikation und Kontrolle. "

    Dafür hat Meglena Plugtschieva bereits erste Maßnahmen getroffen: Personalwechsel, Umstrukturierungen in einigen Behörden und Ministerien, engere Zusammenarbeit mit den EU-Stellen. Expertenteams der Union sind derzeit in Sofia vor Ort um die Maßnahmen zu beurteilen. Viel Zeit bleibt nicht, bis zum 16. Juni muss die Regierung zeigen, dass sie die Probleme in den Griff bekommt. Mark Grey ist Sprecher der EU-Kommission. Er hat eine Expertendelegation nach Sofia begleitet:

    "Die Ernennung von Frau Plugtschieva wird in Brüssel gut geheißen. Gleichzeitig aber - und wir haben das schon oft wiederholt - ist diese konstante Entwicklung von neuen Initiativen und Maßnahmen und personelle Wechsel zwar wichtig und notwendig, aber nicht ausreichend. Die Europäische Kommission will jetzt konkrete Ergebnisse sehen. "

    Wie der neue Bericht der Kommission im Juli ausfallen wird, darüber will Mark Grey nicht spekulieren. Es gehe nicht um eine Bestrafung Bulgariens, sondern darum, die Reformprozesse am wirkungsvollsten zu unterstützen. Dabei ist die politische Stabilität ein wichtiger Faktor, denn bei zu harscher Kritik aus Brüssel, so warnen bulgarische Regierungsvertreter, könnte die ohnehin schon labile Regierungskoalition ins Wanken geraten. Weil das aber nicht im Interesse Brüssels liegen könne, rechnet man in Sofia mit einem eher milden Bericht - trotz aller offensichtlichen Mängel.