Jürgen Mönning, Personalchef bei der Darmstädter Niederlassung der Hottinger Baldwin Messtechnik, sucht Bewerber für das weltweit agierende Unternehmen nach sorgfältiger Sichtung der Unterlagen und einem eineinhalbstündigen Vorstellungsgespräch aus, ohne Assessment-Center und Psychotest. Dennoch ist er sicher, nicht auf Bewerber hereinzufallen, die nur vortäuschen, unbestechlich, kompetent und leistungsbereit zu sein:
"Es bleibt in der Regel auch nicht bei dem einen Gespräch. Also für qualifizierte Positionen, da werden immer zwei Gespräche stattfinden. Das ist übrigens auch noch einmal so ein Punkt, wo man an zwei verschiedenen Tagen mal aus anderen Perspektiven das Ganze betrachtet. Und da können natürlich auch durchaus Widersprüche auftreten"
Verstrickt sich jemand in Widersprüche, zeigt er Wissenslücken da, wo er vorgegeben hatte, kundig zu sein, dann schürt das den Argwohn des Personalers. Schmutzige Wäsche über vorige Arbeitgeber zu waschen, schürt ebenfalls den Verdacht.
"Ich würde argwöhnen, dass es im Zweifel unserem Unternehmen irgendwann genauso gehen kann. Das spricht einfach dafür, das jemand nicht integer ist."
Doch häufig gelingt es ausgerechnet den besonders sympathisch wirkenden und rhetorisch geschickten Bewerbern, ihre Neigung zu korruptem Verhalten zu verbergen, meint der Kriminalpsychologe Jens Hoffmann. Er hat an der TU Darmstadt in Zusammenarbeit mit der Uni Regensburg einen umfänglichen Integritätstest entwickelt.
Mit Hilfe von 160 Fragen soll der Test erfassen, inwiefern ein Bewerber anfällig dafür ist, sein künftiges Unternehmen zu schädigen. Gefragt wird zum Beispiel, ob jemand eher ein Vernunftmensch oder ein Abenteurer, ein kooperativer oder ein konkurrenzbetonter Typ ist.
"Typische Integritätsdimensionen sind beispielsweise, ob ich glaube, dass ich gut mit anderen zusammenarbeiten kann, ob ich glaube, dass ich Sonderrechte habe und deshalb über anderen stehe. Es gibt auch Schutzfaktoren: Leute, die sehr leistungsmotiviert sind, die neigen etwas weniger zu betriebsschädigenden Verhaltensweisen, sodass wir einen Mix haben von psychologischen Dimensionen, die in ganz verschiedenen Zusammensetzungen zu unterschiedlichen Integritätswerten führen."
Mangelnde Integrität sei aber niemals an Einzelfaktoren festzumachen. Ein wenig ordnungsliebender Bewerber müsse noch lange keiner sein, dem es an Gewissenhaftigkeit fehlt, jemand, der Nervenkitzel mag, sei nicht notwendigerweise leichtfertig, betont der Darmstädter Forscher. Zu überlisten sei der Test nicht, obwohl er Selbsteinschätzungen abfragt:
"Wir haben eine Art Lügendetektor darin, auf diese Muster springt das Testverfahren auch an."
Dem potenziellen Arbeitgeber würde dann mitgeteilt, dass das Testergebnis möglicherweise verfälscht sei. Einige 100 Unternehmen haben den Integritätstest inzwischen genutzt, und zwar branchen- und hierarchieübergreifend, sagt Jens Hoffmann:
"Von Banken bis zu kleinen Geschäften, Einzelhandel haben wir ein breites Spektrum."
Auch Bauunternehmer sind dabei, aber sie rennen mir nicht gerade die Tür ein, sagt Jens Hoffmann. Wäre der Darmstädter Integritätstest nicht das ideale Instrument, um mittels sorgfältiger Personalauswahl diese skandalgeschüttelte Branche davor zu bewahren, vollends in Verruf zu geraten?
Jörg Herpich, Kommunikationschef bei der IG Bau, schüttelt energisch den Kopf. Solch ein Testverfahren gehe an der Realität der Branche völlig vorbei. Dort gebe es ein kompliziertes Geflecht aus einem Generalunternehmer und verschiedenen Subunternehmen, die ihre Arbeiter oft schlecht bezahlten.
"Ob das eine Gruppe Eisenbieger ist, die flechten heute auf einer Baustelle in Köln, morgen in Hamburg, übermorgen in München. Also, das ist eine verschiebbare Masse, die hin- und hergeschoben wird, und da gibt es keine Bindung zum Unternehmen in dem Sinne."
Billig-Personal aus aller Herren Länder, von den Subunternehmen ausgewählt unter dem immensen Kostendruck der Auftraggeber, den der Generalunternehmer weitergibt und nach unten hin verstärkt. Bei den aktuellen Bauskandalen stehe aber ohnehin nicht die Integrität der Bauarbeiter infrage, präzisiert der Frankfurter Gewerkschaftssprecher.
"Wenn man allein die Baustelle in Köln nimmt und vernimmt, dass über 80 Prozent des zu verbauenden Eisens nicht verbaut wurde, da kann ich mir nicht vorstellen, dass das ein kleiner Bauarbeiter, ein Betonbauer oder ein Eisenflechter gemacht hat. Da ist lastwagenweise entweder von der Baustelle direkt runtergefahren worden, oder das Eisen [ist] gar nicht erst auf die Baustelle draufgekommen, was möglich ist."
Ursache könnte sein, dass im Unterbietungswettbewerb erst gar nicht kostendeckend kalkuliert wurde, aber auch das ist Spekulation. Die Staatsanwaltschaft Köln ermittelt nach eigener Auskunft in alle Richtungen.
Feststeht allerdings: Beim Bau geht es um eine Branche, in der sich im Zuge des Preisdrucks zumindest teilweise die Wertmaßstäbe verkehrt haben. Führungskräfte, die gesetzes- und tariftreu arbeiten, gelten dort bei manchen Arbeitgebern nicht als integer, sondern als "betriebsschädigend". Psychotests für Bewerber helfen da nicht weiter, meint zumindest die Gewerkschaft.
"Es bleibt in der Regel auch nicht bei dem einen Gespräch. Also für qualifizierte Positionen, da werden immer zwei Gespräche stattfinden. Das ist übrigens auch noch einmal so ein Punkt, wo man an zwei verschiedenen Tagen mal aus anderen Perspektiven das Ganze betrachtet. Und da können natürlich auch durchaus Widersprüche auftreten"
Verstrickt sich jemand in Widersprüche, zeigt er Wissenslücken da, wo er vorgegeben hatte, kundig zu sein, dann schürt das den Argwohn des Personalers. Schmutzige Wäsche über vorige Arbeitgeber zu waschen, schürt ebenfalls den Verdacht.
"Ich würde argwöhnen, dass es im Zweifel unserem Unternehmen irgendwann genauso gehen kann. Das spricht einfach dafür, das jemand nicht integer ist."
Doch häufig gelingt es ausgerechnet den besonders sympathisch wirkenden und rhetorisch geschickten Bewerbern, ihre Neigung zu korruptem Verhalten zu verbergen, meint der Kriminalpsychologe Jens Hoffmann. Er hat an der TU Darmstadt in Zusammenarbeit mit der Uni Regensburg einen umfänglichen Integritätstest entwickelt.
Mit Hilfe von 160 Fragen soll der Test erfassen, inwiefern ein Bewerber anfällig dafür ist, sein künftiges Unternehmen zu schädigen. Gefragt wird zum Beispiel, ob jemand eher ein Vernunftmensch oder ein Abenteurer, ein kooperativer oder ein konkurrenzbetonter Typ ist.
"Typische Integritätsdimensionen sind beispielsweise, ob ich glaube, dass ich gut mit anderen zusammenarbeiten kann, ob ich glaube, dass ich Sonderrechte habe und deshalb über anderen stehe. Es gibt auch Schutzfaktoren: Leute, die sehr leistungsmotiviert sind, die neigen etwas weniger zu betriebsschädigenden Verhaltensweisen, sodass wir einen Mix haben von psychologischen Dimensionen, die in ganz verschiedenen Zusammensetzungen zu unterschiedlichen Integritätswerten führen."
Mangelnde Integrität sei aber niemals an Einzelfaktoren festzumachen. Ein wenig ordnungsliebender Bewerber müsse noch lange keiner sein, dem es an Gewissenhaftigkeit fehlt, jemand, der Nervenkitzel mag, sei nicht notwendigerweise leichtfertig, betont der Darmstädter Forscher. Zu überlisten sei der Test nicht, obwohl er Selbsteinschätzungen abfragt:
"Wir haben eine Art Lügendetektor darin, auf diese Muster springt das Testverfahren auch an."
Dem potenziellen Arbeitgeber würde dann mitgeteilt, dass das Testergebnis möglicherweise verfälscht sei. Einige 100 Unternehmen haben den Integritätstest inzwischen genutzt, und zwar branchen- und hierarchieübergreifend, sagt Jens Hoffmann:
"Von Banken bis zu kleinen Geschäften, Einzelhandel haben wir ein breites Spektrum."
Auch Bauunternehmer sind dabei, aber sie rennen mir nicht gerade die Tür ein, sagt Jens Hoffmann. Wäre der Darmstädter Integritätstest nicht das ideale Instrument, um mittels sorgfältiger Personalauswahl diese skandalgeschüttelte Branche davor zu bewahren, vollends in Verruf zu geraten?
Jörg Herpich, Kommunikationschef bei der IG Bau, schüttelt energisch den Kopf. Solch ein Testverfahren gehe an der Realität der Branche völlig vorbei. Dort gebe es ein kompliziertes Geflecht aus einem Generalunternehmer und verschiedenen Subunternehmen, die ihre Arbeiter oft schlecht bezahlten.
"Ob das eine Gruppe Eisenbieger ist, die flechten heute auf einer Baustelle in Köln, morgen in Hamburg, übermorgen in München. Also, das ist eine verschiebbare Masse, die hin- und hergeschoben wird, und da gibt es keine Bindung zum Unternehmen in dem Sinne."
Billig-Personal aus aller Herren Länder, von den Subunternehmen ausgewählt unter dem immensen Kostendruck der Auftraggeber, den der Generalunternehmer weitergibt und nach unten hin verstärkt. Bei den aktuellen Bauskandalen stehe aber ohnehin nicht die Integrität der Bauarbeiter infrage, präzisiert der Frankfurter Gewerkschaftssprecher.
"Wenn man allein die Baustelle in Köln nimmt und vernimmt, dass über 80 Prozent des zu verbauenden Eisens nicht verbaut wurde, da kann ich mir nicht vorstellen, dass das ein kleiner Bauarbeiter, ein Betonbauer oder ein Eisenflechter gemacht hat. Da ist lastwagenweise entweder von der Baustelle direkt runtergefahren worden, oder das Eisen [ist] gar nicht erst auf die Baustelle draufgekommen, was möglich ist."
Ursache könnte sein, dass im Unterbietungswettbewerb erst gar nicht kostendeckend kalkuliert wurde, aber auch das ist Spekulation. Die Staatsanwaltschaft Köln ermittelt nach eigener Auskunft in alle Richtungen.
Feststeht allerdings: Beim Bau geht es um eine Branche, in der sich im Zuge des Preisdrucks zumindest teilweise die Wertmaßstäbe verkehrt haben. Führungskräfte, die gesetzes- und tariftreu arbeiten, gelten dort bei manchen Arbeitgebern nicht als integer, sondern als "betriebsschädigend". Psychotests für Bewerber helfen da nicht weiter, meint zumindest die Gewerkschaft.