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Kosmische Klänge auf der Erde

Heute vor 100 Jahren ist John Cage auf die Welt gekommen. Seine Komposition "Atlas Eclipticalis" ist wahre Himmelsmusik, denn er hat einfach transparente Notenblätter auf Sternkarten gelegt.

Von Dirk Lorenzen | 05.09.2012
    Die Rektaszension der Gestirne, also ihre himmlischen Längengrade, gab den zeitlichen Verlauf des Stücks vor. Die Deklination, die himmlische Breite, lieferte die Tonhöhe. Je nachdem wie hell ein Stern ist, wird der Ton eher laut oder leise gespielt.

    Dieses bemerkenswerte Stück neuer Musik setzt dem berühmten "Atlas Eclipticalis" des Slowaken Antonin Becvar ein wunderbares Denkmal.

    Ein anderes Stück von John Cage mit dem Titel 4'33'' könnte man auch "Himmlische Stille" nennen - denn viereinhalb Minuten lang wird nicht ein Ton gespielt. Zu hören sind nur der eigene Herzschlag und das Rauschen des Bluts in den Adern.

    Dies ist schließlich auch das Einzige, was man allein irgendwo im Weltall hört. Astronauten haben also den Vorteil, nicht von notorischen Konzerthustern gestört zu werden.

    Und ein Orgelstück geradezu astronomischer Zeitdimensionen ist Organ Two, das laut Anweisung des Komponisten so langsam und weich wie möglich gespielt werden soll. Derzeit wird das Stück in Halberstadt aufgeführt - bis zum Jahr 2639.

    Im Kosmos laufen zwar viele Phänomene noch viel langsamer und weicher ab und brauchen schon mal Milliarden Jahre. Doch so eine Aufführungsdauer wäre selbst für Werke von John Cage ungeeignet.

    Denn wegen der ansteigenden Sonnenstrahlung wird unsere Erde womöglich in gut 500 Millionen Jahren unbewohnbar - ein Konzert sollte da rechtzeitig zu Ende sein.

    Das Orgelstück von geradezu astronomischer Dauer

    Zum musikalischen Werk von John Cage

    Die Himmelsatlanten von Antonin Becvar
    Ausschnitt aus dem Atlas Eclipticalis
    Ausschnitt aus dem Atlas Eclipticalis (Slovak Academy of Sciences)