Dass Giacomo Puccini kein schamloser Tränendrücker ist und seine "Madame Butterfly" kein sentimentaler Kitsch, das haben Musiker und Regisseure seit Langem erkannt und in zahlreichen Aufführungen sinnfällig gemacht. Puccinis Kindersextourismus-Geschichte aus dem 19. Jahrhundert ist gesellschaftskritischer Realismus pur. Manche Regisseure haben die Story ins Nachkriegsjapan 1945 verlegt oder ins Vietnam der 60er-Jahre. "Madame Butterfly" bietet sich für Ideologie- und Kolonialismuskritik bestens an. Zumal die Musik ja lange nicht nur in herzzerreißender Melodik schwelgt, sondern auf ihre Weise die Avantgarden zu Beginn des 20. Jahrhunderts aufnimmt und mithilfe japanischer Klanganleihen und Skalen die Ausdruckspalette erweitert. Das bringt das Hausorchester des Fenice unter Leitung seines Chefdirigenten Omer Meir Wellber auf beeindruckende Weise zum Klingen. Das volle, auch neutönerische Spektrum der Partitur breiten sie aus. Frisch sind die Farben und tief. Alles leuchtet und glänzt und ist doch bedrohlich schwarz unterlegt.
Dass es im Fenice so lebendig und unmittelbar klingt, liegt natürlich auch an der fabelhaften Akustik des Hauses. Der ziselierte Holzkitsch des nachgebauten Rokokotheaters gerät in Schwingung, als musizierte es selbst mit. Das Fenice-Theater ist selbst ein großes Instrument. In dem Puccinis Theaterrealismus durch die neue "Butterfly"-Deutung stark erweitert wird. Eigentlich wird fast alle Gesellschaftskritik über den Haufen geschmissen. Das liegt vor allem an der japanischen Künstlerin Mariko Mori, die fürs Bühnenbild und die Kostüme zuständig ist. Im Rahmen der aktuellen Kunstbiennale wurde sie dafür engagiert. Dabei hätte Mariko Mori ihre früheren Geisha-Motive leicht auf "Madame Butterfly" übertragen und einer geilen Männergesellschaft die überzüchteten Nuttenpuppen vorführen können. Das hat Frau Mori aber nicht getan. Vielmehr hat sie die verzweifelte Liebesgeschichte in eine Transzendenz-Geschichte, in eine kosmische Geschichte eingelesen. So wie sie mit ihrer Kunst seit geraumer Zeit versucht, den Menschen mit sich und die Menschen miteinander unter dem Dach eines wundersamen Firmaments zu versöhnen. Mit Puccini macht sie es so: Der amerikanische Offizier Pinkerton will zwar immer noch die kleine vergnügliche irdische Liebe, er trägt auch immer noch seine Marineuniform, aber die ist ganz weiß und nicht mehr so ganz martialisch. Aber sein martialisches Herz kann dieser Mann nicht verstecken, jedenfalls nicht in der Deutung des Basken Andeka Gorrotxategui, der noch in den gefährlichen Höhen einen sonoren Tenor liefert.
Doch dieser Pinkerton ist kein Kolonialherr, und auf der Bühne gibt es auch keinen japanischen Naturalismus, sondern nur ein paar überdimensionale Kieselsteine, und über allem schwebt aus glänzendem grauem Plexiglas eine Riesenskulptur in der Form der Lemniskate, des Zeichens für Unendlich, eine auf der Seite liegende Acht. Und Butterfly betritt den Raum in hellen, kimonoähnlichen Gewändern, auf den Schultern Flügel. Als Wesen aus lichten Jenseitswelten kommt sie auf die Erde, als eine Art Fee, und wagt das Experiment der vollkommenen Liebe und des großen Vertrauens.
Die italienische Sopranistin Amarilli Nizza sang die Titelrolle mit strahlender Energie. Doch die Energie schwindet dem Himmelswesen unter den Menschen, auch wenn es noch so sehr an der Treue zum Geliebten festhält. Regisseur Àlex Rigola führt die Figuren behutsam und langsam. Zur Zwischenmusik im zweiten Akt träumt Cio-Cio San vom Weltall. Eine Videoprojektion zeigt die Geburt von Sternen und wie zwei Galaxien miteinander verschmelzen. Doch auf der Erde ist die Unendlichkeitsacht zu einer bloßen Behausung geschrumpft, am Schluss ist sie ganz weg. Karges, kaltes Weiß. Cio-Cio San nimmt sich das Leben. Alle sind erschüttert. Vielleicht hat ihr Tod ja was bewirkt.
Dass es im Fenice so lebendig und unmittelbar klingt, liegt natürlich auch an der fabelhaften Akustik des Hauses. Der ziselierte Holzkitsch des nachgebauten Rokokotheaters gerät in Schwingung, als musizierte es selbst mit. Das Fenice-Theater ist selbst ein großes Instrument. In dem Puccinis Theaterrealismus durch die neue "Butterfly"-Deutung stark erweitert wird. Eigentlich wird fast alle Gesellschaftskritik über den Haufen geschmissen. Das liegt vor allem an der japanischen Künstlerin Mariko Mori, die fürs Bühnenbild und die Kostüme zuständig ist. Im Rahmen der aktuellen Kunstbiennale wurde sie dafür engagiert. Dabei hätte Mariko Mori ihre früheren Geisha-Motive leicht auf "Madame Butterfly" übertragen und einer geilen Männergesellschaft die überzüchteten Nuttenpuppen vorführen können. Das hat Frau Mori aber nicht getan. Vielmehr hat sie die verzweifelte Liebesgeschichte in eine Transzendenz-Geschichte, in eine kosmische Geschichte eingelesen. So wie sie mit ihrer Kunst seit geraumer Zeit versucht, den Menschen mit sich und die Menschen miteinander unter dem Dach eines wundersamen Firmaments zu versöhnen. Mit Puccini macht sie es so: Der amerikanische Offizier Pinkerton will zwar immer noch die kleine vergnügliche irdische Liebe, er trägt auch immer noch seine Marineuniform, aber die ist ganz weiß und nicht mehr so ganz martialisch. Aber sein martialisches Herz kann dieser Mann nicht verstecken, jedenfalls nicht in der Deutung des Basken Andeka Gorrotxategui, der noch in den gefährlichen Höhen einen sonoren Tenor liefert.
Doch dieser Pinkerton ist kein Kolonialherr, und auf der Bühne gibt es auch keinen japanischen Naturalismus, sondern nur ein paar überdimensionale Kieselsteine, und über allem schwebt aus glänzendem grauem Plexiglas eine Riesenskulptur in der Form der Lemniskate, des Zeichens für Unendlich, eine auf der Seite liegende Acht. Und Butterfly betritt den Raum in hellen, kimonoähnlichen Gewändern, auf den Schultern Flügel. Als Wesen aus lichten Jenseitswelten kommt sie auf die Erde, als eine Art Fee, und wagt das Experiment der vollkommenen Liebe und des großen Vertrauens.
Die italienische Sopranistin Amarilli Nizza sang die Titelrolle mit strahlender Energie. Doch die Energie schwindet dem Himmelswesen unter den Menschen, auch wenn es noch so sehr an der Treue zum Geliebten festhält. Regisseur Àlex Rigola führt die Figuren behutsam und langsam. Zur Zwischenmusik im zweiten Akt träumt Cio-Cio San vom Weltall. Eine Videoprojektion zeigt die Geburt von Sternen und wie zwei Galaxien miteinander verschmelzen. Doch auf der Erde ist die Unendlichkeitsacht zu einer bloßen Behausung geschrumpft, am Schluss ist sie ganz weg. Karges, kaltes Weiß. Cio-Cio San nimmt sich das Leben. Alle sind erschüttert. Vielleicht hat ihr Tod ja was bewirkt.