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Kosovo: Eine gute Weizenernte

Vor mehr als einem Jahr rückten die Truppen der KFOR in den Kosovo ein. Doch die Spannungen zwischen der albanischen Mehrheit und den Serben in der Region sind seitdem nicht geringer geworden. Wie das Leben in dieser jugoslawischen Provinz künftig organisiert werden soll und wann die internationalen Truppen wieder abziehen können, ist noch völlig offen. Deshalb sind Erfolgsmeldungen aus dem Kosovo rar. Aber es gibt sie - zum Beispiel in der Landwirtschaft.

Von Johannes Berger |
    Vor einigen Tagen prophezeite die Welternährungsorganisation FAO, dieses Jahr werde im Kosovo eine sehr gute Weizenernte eingebracht werden. Mit 230 000 Tonnen wird sie nur 20 Prozent unter den Ernteergebnissen vor 1998 liegen, als die Krise im Kosovo eskalierte. Dieses Ernteergebnis ist eine positive Überraschung, wenn man sich an die Bilder aus dem Frühjahr letzten Jahres erinnert, als Hunderttausende von Albanern bei Kriegsbeginn von den serbischen Truppen aus dem Kosovo vertrieben wurden und viele mit ihren Traktoren über die Grenzen flüchteten. Die Hälfte der knapp zwei Millionen Einwohner des Kosovo hatte die Provinz verlassen. Doch bis Ende August waren die allermeisten von ihnen wieder zurückgekehrt, gerade noch rechtzeitig, um die Bodenbestellung und die Aussaat von Winterweizen durchzuführen. Schon seit 1998 konnte kein geregelter Ackerbau mehr betrieben werden, weil in den ländlichen Regionen des Kosovo der Konflikt zwischen der albanischen Befreiungsarmee UCK und den serbischen Sicherheitskräften ausgetragen wurde - mit brennenden Gehöften und brachliegenden Feldern. Doch im Herbst 1999 waren die serbischen Truppen abgezogen und die Situation beruhigte sich. Die FAO sowie andere Hilfsorganisationen hielten genügend Saatgut bereit und die Kooperation zwischen den Bauern funktionierte, was zum Beispiel die gemeinsame Nutzung von Maschinen betraf. Vor allem aber spielte das Wetter mit. Dank günstiger Temperaturen und Niederschläge konnte der Weizen noch bis in den November hinein auf insgesamt 86 000 Hektar gesät werden. Das ist doppelt soviel wie 1998. Der jetzt im Frühjahr gesäte Mais, die zweite bedeutende Feldfrucht und als Viehfutter bedeutsam , verspricht ebenfalls eine gute Ernte.

    Gute Ernten sind wichtig, denn die Landwirtschaft trägt immerhin mit 30 Prozent zur gesamten Wirtschaftsleistung des Kosovo bei. Tatsächlich ist es aber der Landwirtschaft zunehmend schlechter ergangen, seitdem Milosevic 1989 dem Kosovo den autonomen Status genommen hatte und die albanische Mehrheitsbevölkerung zu Hause nichts mehr zu sagen hatte. Es gab eine regelrechte Rückwärtsentwicklung im Vergleich zur Autonomieperiode in den 70er und 80er Jahre. Damals schlossen sich viele Bauern, die meist nur ein bis fünf Hektar bewirtschaften, in Genossenschaften zusammen und die Betriebe wurden vollständig mechanisiert. Es wurde eine lebensmittelverarbeitende Industrie in der Provinz angesiedelt und die Bauern konnten vermehrt höherwertige Produkte wie Ölsaaten, Tabak oder Zuckerrüben anbauen. Der öffentliche Agrarsektor, der bei der Geflügel- und Viehzucht eine wichtige Rolle spielte, gedieh. Alles das verfiel nach dem Ende der Autonomie. Es wurde kaum noch investiert, die Ernteergebnisse gingen drastisch zurück und die Bauern konnten sich im wesentlichen nur noch selbst versorgen.

    Nach 1989 verließen 400 000 Menschen den Kosovo auf der Suche nach Arbeit in Richtung Westeuropa, das sind immerhin 20 Prozent der Bevölkerung. Die Rücküberweisungen der Migranten wurden zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor in ihrer Heimat.

    Insofern kommt der Landwirtschaft für die weitere Entwicklung nicht mehr die Schlüsselrolle wie vorher zu, aber immerhin ermöglicht die jetzige gute Ernte, dass sich die Landbewohner wieder weitgehend selbst versorgen können.

    Weitere Informationen unter www.fao.org