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Kosovo
Weltbank fördert unsinniges Braunkohleprojekt

Im Kosovo, eines der Länder mit den größten Braunkohlereserven weltweit, wird möglicherweise der Tagebau erweitert. Rund 7.000 Menschen müssten umziehen. Der Haken: Schon die Umsiedlungen der Vergangenheit haben gegen die Regeln der Weltbank verstoßen, sagt die Verbraucherorganisation Urgewald, und sieht auch Deutschland in der Verantwortung.

Von Philip Banse | 25.09.2015
    Das Braunkohlekraftwerk Kosova B in Obiliq bei Pristina im Kosovo.
    Das Braunkohlekraftwerk Kosovo B ist veraltet und muss modernisiert werden. (picture alliance / ZB / Jens Kalaene)
    Deutschland hat natürlich einen Sitz in der Weltbank und einen gewissen Einfluss auf das, was die Weltbank auch im Kosovo macht. Und da werde es höchste Zeit, sagen Bürgerrechtler aus Deutschland und dem Kosovo. Worum geht’s. Im Kosovo gibt es zwei Braunkohlekraftwerke, Kosovo A und B, beide sind in katastrophalem Zustand, das bestreitet niemand. Die Frage ist: Was tun? Die Weltbank will die alten Kraftwerke stilllegen und den Bau eines neuen Braunkohlkraftwerks finanzieren, Kosovo C, geplante Kosten 1,25 Milliarden Euro. Dagegen laufen Umweltaktivisten in Kosovo und Deutschland Sturm. Braunkohle sei die schmutzigste der fossilen Energiequellen, sagt Knud Vöcking von der Umweltorganisation Urgewald.
    "Das Problem ist, dass mit einem neuen Braunkohlekraftwerk der Kosovo auf 35 bis 40 Jahre auf Braunkohle festgenagelt wird, obwohl es zuverlässige Studien gibt, dass es riesige Potenziale für erneuere Energien gibt, die viel besser die Energieversorgung des Kosovo sicherstellen können."
    Die Bürgerrechtler beklagen, dass die Weltbank Braunkohleenergie im Kosovo schon seit Jahren fördere, dabei aber ihre eigenen – eigentlich lobenswerten - Umwelt- und Sozialstandards nicht einhalte. Knud Vöcking:
    "Der Kosovo ist ein Beispielfall geworden. Denn die Weltbank hat eine neue Energiepolitik aufgelegt, wo es heißt, dass man Kohle nur noch dann finanziert, wenn es gar keine anderen Möglichkeiten gibt, wenn es neueste Technologie ist, wenn es keine Alternativen vor Ort gibt und so weiter. Und jetzt wollen sie Kosovo finanzieren, obwohl diese besonderen Umstände nicht zutreffen."
    Kein Kommentar von der Weltbank
    Neben den selbst gesetzten Umweltstandards verletzte die Weltbank auch ihre eigenen Sozialstandards. Um die Braunkohle abbauen zu können, mussten nach Angaben der Umweltschützer bisher 1.000 Menschen umgesiedelt werden; 6.000 weitere müssten in den kommenden Jahren ihre Häuser verlassen. Auf dem Papier habe die Weltbank für solche Umsiedlungen recht hohe Standards, sagt Dajana Berisha von der kosovarischen Bürgerrechtsorganisation FIQ, die Realität im Kosovo sei aber ein Desaster.
    "Die Weltbank hat die kosovarische Regierung angeleitet, wie so eine Umsiedlung ablaufen muss, und beide haben versagt, Regierung und Weltbank. 1.000 Leute, die vertrieben wurden, leben jetzt im Kosovo verteilt. 800 Häuser waren versprochen, keines wurde gebaut. Die Leute haben keine Entschädigung bekommen, kein Bauland. Sie bekamen Land zugewiesen, aber ohne Infrastruktur, ohne Strom, Abwasser, Straßen, nichts von dem existiert."
    Die Weltbank hätte die Umsiedlungen viel strenger regeln und kontrollieren müssen. Der Deutschlandfunk hat die Weltbank mehrmals um einen Kommentar geben, aber keine Antwort erhalten. Dajana Berisha berichtet, dass ein Team der Weltbank die Lage im Kosovo untersucht habe. Die Weltbank habe anschließend beschlossen, ein Expertenteam zu schicken, um eine detaillierte Untersuchung zu starten.
    "Wir erwarten diese Weltbank-Ermittler dieser Tage, und dann werden sie alles detailliert untersuchen."
    Umweltschützer lehnen Sanierung ab
    Statt ein neues Braunkohlekraftwerk zu bauen, hat der Baukonzern Bilfinger vorgeschlagen, eines der beiden alten Kraftwerke zu sanieren. Denn – so ein Sprecher gegenüber dem DLF – ein Kraftwerksneubau würde den Kosovo "langfristig an Braunkohle binden" und Kosovo "kurzfristig nur begrenzte Möglichkeiten" haben, auf alternative Energien umzusteigen. Doch auch eine Sanierung lehnen die Umweltschützer ab. Geld müsse in Energiesparmaßnahmen und erneuerbare Energien gesteckt werden. Studien hätten belegt, dass Kosovo zu großen Teilen durch erneuerbare Energien versorgt werden könnte.
    Der kosovarische Bürgerrechtler Visar Azemi fordert, dass Deutschland in der Weltbank gegen den Neubau eines Kraftwerks stimmt und auch keine billigen Kredite gewährt für deutsche Firmen wie Bilfinger, die eventuell das alte Braunkohlekraftwerk Kosovo A sanieren.
    Dem scheint die Bundesregierung nicht folgen zu wollen. Aus der Leitungsebene des Wirtschaftsministeriums ist zu hören: Wenn im Kosovo ein marodes Braunkohlekraftwerk saniert werden soll, sei das eine gute Nachricht, weil das bestehende komplett marode und ineffizient sein. Natürlich wäre es schöner, wenn im Kosovo überall Solar- und Windparks entstünden, aber diese Vorstellung sei "weltfremd". Den Export von Braunkohlekraftwerken nicht mehr mit billigen Krediten und Ausfallversicherungen zu unterstützen, wäre daher ein "riesiger Fehler".