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Kostbares Phosphat aus Klärschlamm

Phosphat ist eine wichtige Zutat für Dünger und kann durch nichts anderes ersetzt werden. Allerdings gehen die Reserven zur Neige. Klärschlamm enthält viel Phosphat – allerdings oft auch Schadstoffe. Einige Kläranlagen recyceln aber den Schlamm und gewinnen so den raren Rohstoff.

Von Mirjam Stöckel | 22.05.2013
    In Volker Preyls Hand liegt ein kleiner Klumpen Dreck. Könnte man meinen. Aber nur, solange man nicht genau hinschaut.

    "Das ist unser fertiger Dünger, getrocknet – wie man sehen kann. Diese ganzen blinkenden Kristalle sind das, was wir eigentlich produzieren wollten – unsere MAP-Kristalle."

    MAP steht für Magnesium-Ammonium-Phosphat – und enthält, wie der Name schon sagt, wertvolles Phosphat. Aber eben keine Schadstoffe mehr wie der Klärschlamm. Volker Preyl und seine Kollegen vom Institut für Siedlungswasserbau, Wassergüte und Abfallwirtschaft der Universität Stuttgart haben das Verfahren entwickelt, um den Phosphat-Schatz zu bergen. Der steckt in fester Form im Klärschlamm – und muss deshalb erst mal gelöst und dann mit der Flüssigkeit herausgefiltert werden. Die festen Schlammreste werden entsorgt. Anschließend bringen verschiedene Chemikalien das Phosphat in der Flüssigkeit dazu, sich mit Magnesium und Ammonium zu Kristallen zu verbinden - eben jenem Dünger, der auf den zweiten Blick so schön funkelt. Seit knapp eineinhalb Jahren laufe das Phosphat-Recycling hier schon, sagt Ralph-Edgar Mohn, Geschäftsführer des Abwasserzweckverbands.

    "Wir haben hier eine großtechnische Anlage und wir können fünf Prozent unseres Schlammaufkommens durch die Anlage durchschicken. Das entspricht einem Schlammdurchsatz von acht Kubikmetern."

    Diese acht Kubikmeter Klärschlamm bringen täglich 30 Kilo phosphathaltigen Dünger. Noch keine Riesenmenge, aber ein guter Anfang. Denn was hier in Offenburg läuft, soll einmal ein großes Problem lösen helfen: Weltweit wird Phosphat nämlich knapp. Grund: Der Bedarf an Dünger für die Lebensmittelproduktion steigt – die in Stein gebundenen, natürlichen Phosphatreserven aber sinken. Deutschland besitzt überhaupt keine eigenen Vorkommen und ist so vollkommen abhängig von Einfuhren.

    Etwa eine Handvoll Einrichtungen tüftelt hierzulande an Rückgewinnungstechniken für Kläranlagen. Denn wenn Deutschland den Schatz aus all seinen Klärschlämmen recycelte, wäre damit etwa ein Drittel des Phosphat-Bedarfs gedeckt. Ansonsten reichen die Vorkommen noch etwa 100 Jahre aus, um den weltweiten Bedarf zu befriedigen, schätzen Experten. Langsam wird es also Zeit, etwas zu tun.

    "Noch ist es kein brennendes Problem – aber wir wollen verhindern, dass es eins wird."

    Sagt beispielsweise Joe Hennon, der Sprecher des EU-Umweltschutzkommissars. Die Brüsseler EU-Kommission will noch dieses Jahr ein sogenanntes Grünbuch vorlegen, eine Art Diskussionspapier – und eine öffentliche Befragung beginnen.

    "Dabei geht es darum herauszufinden, was Fachleute über Phosphat denken und ob sie finden, dass wir EU-Vorschriften dazu brauchen. Wenn wir dabei herausfinden, dass es Bedarf für eine Verordnung oder Leitlinien gibt, würden wir so was auch anstoßen."

    Nicht nur Brüssel beginnt, Ideen zu entwickeln, um den drohenden Phosphatengpass zu vermeiden. Baden-Württemberg, Bayern und Nordrhein-Westfalen etwa haben oder entwickeln Strategien, um Phosphat nachhaltiger zu nutzen und zu recyceln. Und im Bundesumweltministerium ist angedacht, die Phosphatrückgewinnung zur Pflicht zu machen, bevor Klärschlamm verbrannt werden darf. Heute ist das noch nicht so – und der Phosphatschatz wird unwiederbringlich verfeuert.

    Ralph-Edgar Mohn weiß noch nicht, wie viel der Dünger aus dem Offenburger Klärschlamm einmal kosten wird, wenn er in großen Mengen hergestellt wird. Aber früher oder später, da ist Mohn sicher, kann das Recycling-Phosphat auf jeden Fall mit den herkömmlichen Düngemitteln konkurrieren:

    "Bei endlichen Produkten bestimmen Angebot und Nachfrage den Preis. Es gab im Jahr 2008 schon deutliche Peaks beim Einkauf von Industriedünger – und wir erwarten, dass der Preis auch in Zukunft – weil das Produkt eben endlich ist - steigen wird. Und dann ist es wichtig, die entsprechende Technik vorzuhalten, um das Phosphat aus dem Abwasser rauszuholen."

    Und damit sie ihren Recycling-Phosphatdünger dann auch vermarkten dürfen, werden die Offenburger noch dieses Jahr eine offizielle Zulassung dafür beantragen.

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