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Kosten der Periode
Bundestag muss sich mit "Tamponsteuer" beschäftigen

Zucker und Kaffeebohnen stehen auf der Liste, Bücher und Blumen auch: Produkte des Alltags, für die der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent gilt. Tampons und andere Menstruationsartikel hingegen werden mit den üblichen 19 Prozent gesteuert - obwohl sie für Frauen notwendig sind. Unterzeichner einer Petition drängen auf eine Anpassung.

Von Josephine Schulz | 18.07.2019
Tampon auf rosa Hintergrund
Der Bundestag wird sich nach der Sommerpause mit der "Tamponsteuer" beschäftigen (imago/fotoimedia)
2,55 Euro für eine Packung mit 50 Tampons. An den Staat, das zeigt ein Blick auf den Kassenzettel, gehen davon 48 Cent. 19 Prozent Mehrwertsteuer, der Standardsatz. Eigentlich kein großer Betrag, aber bei rund zwölf Perioden im Jahr und das über 40 Jahre, kommt da schon einiges zusammen.
"Letztendlich ist es halt wirklich so, dass Periodenprodukte das einzige Produkt sind, wo dann die Steuern erhoben werden auf Personen die menstruieren, und das sind halt mehrheitlich Frauen. Warum soll man auf etwas, was man sich nicht aussucht, noch die Steuern bezahlen, obwohl es einen ermäßigten Steuersatz gibt auf Sachen des Grundbedarfs?" Sagt Elena Weidemann. Sie arbeitet bei Einhorn, einem Berliner Unternehmen, das unter anderem vegane Kondome und Menstruationstassen herstellt.
Petition mit Titel #keinluxus
Zusammen mit dem Online-Magazin Neon hat das Berliner Start-Up unter dem Hashtag "Kein Luxus" eine Petition ins Leben gerufen. Darin wird gefordert, die Mehrwertsteuer bei Menstruationsartikeln - also Tampons, Binden, Menstruationstassen - von 19 auf den ermäßigten Satz von sieben Prozent zu senken. Der gilt für Güter des täglichen Bedarfs wie zum Beispiel Lebensmittel.
Über 81.000 Menschen hatten die Petition bis zum Stichtag Ende Mai unterschrieben. Und das heißt: Der Bundestag wird sich nach der Sommerpause, voraussichtlich im Spätherbst, mit der sogenannten "Tamponsteuer" beschäftigen.
Ziel: Menstruation als Tabuthema aufbrechen
Ab einer Grenze von 50.000 Unterschriften muss der Petitionsausschuss eine öffentliche Sitzung über das Anliegen abhalten und dann eine Empfehlung an den Bundestag abgeben. Ein Selbstläufer sei das aber nicht gewesen, sagt Elena Weidemann.
"Wir haben natürlich viel Pressearbeit gemacht, aber anfangs war es tatsächlich so, dass ganz viele gesagt haben, uns ist das Thema zu heikel, wir wollen nicht darüber berichten. Und dann erst in den letzten Tagen der Unterschriftensammlung kam eigentlich erst dieser ganze große Push durch Charlotte Roche und Lena Meyer-Landrut, die das dann geteilt haben und so den Stein ins Rollen gebracht haben", so Weidemann.
Unterstützung prominenter Frauen hilft
Zusätzlich läuft es zur Abschaffung der Tamponsteuer auch noch eine Onlinepetition, die schon mehr als 170.000 Menschen unterschrieben haben. Für Elena Weidemann ist die Besteuerung eine Frage der Geschlechtergerechtigkeit. Aber ihr geht es bei der Petition auch darum, das Tabu um die Menstruation zu brechen - so wie die Komikerin Karoline Kebekus in einem Auftritt.
"Ich weiß, ist ein bisschen eklig jetzt, auch den Mädels, ich seh euch das an. Das ist auch so ein geiles Phänomen. Wir Frauen wir kommen uns so wahnsinnig modern vor, aber Tampons, Leute, geben wir uns untereinander immer noch so als wär es scheiß Heroin, oder?" Immer mehr prominente Frauen wie Kebekus machen die Menstruation öffentlich zum Thema, zu einem feministischen Thema. Jetzt müssen sich auch die Abgeordneten des Bundestages dazu eine Meinung bilden.
Bewusstsein schärfen bei Politikern
Für Antje Tillmann von der CDU steht die Entscheidung fest. Sie befürwortet die Senkung der Mehrwertsteuer auf Menstruationsprodukte und hat als Vorsitzende der AG Finanzen der Unionsfraktion Überzeugungsarbeit geleistet.
Tillmann erzählt: "Total spannend. Ich hab ja ansonsten nur Männer in der AG, die erst sehr zurückhaltend waren und wo ich beim ersten Mal den Eindruck hatte, dass die gedacht haben, wenn die Vorsitzende das will, dann machen wir das halt. Und dann nach ein paar Wochen kamen die Herren aber aus dem Wahlkreis wieder und haben offensichtlich mit ihren Töchtern oder mit JU-Frauen gesprochen und haben gesagt: ‚Hallo das ist tatsächlich ein Thema.‘"
Tampon als Symbol für Frauen-Rechte
Neben den vielen anderen gesellschaftlichen Diskriminierungen der Frau, der doppelten Belastung durch Arbeit, Kinder und Haushalt zum Beispiel oder der fehlenden Repräsentation in Führungsetagen sei das zwar eher ein symbolisches Thema, sagt Tillmann. Aber: "Da ist, glaube ich, dieses Thema Tampon-Besteuerung eines, wo man sagt: ‚Verdammt, das kann ich ändern und jetzt will ich auch, dass das geändert wird.‘ Alles andere ist viel schwieriger. Aber wenn dieser kleine Teil Symbolik hilft, dann bin ich bereit diese Symbolik auch zu machen."
Und nicht für jeden sind ein paar Euro Symbolik. Der Hartz IV-Regelsatz sieht für Gesundheitspflege knapp 15 Euro im Monat vor. Von Zahnpasta bis Tampons muss davon alles bezahlt werden.
Antrag der Linksfraktion
Auch die Linksfraktion will das Ende der sogenannten "Tamponsteuer". Sie hat einen eigenen Antrag zur Senkung der Mehrwertsteuer geschrieben und will den nach der Sommerpause einbringen, möglichst zeitgleich mit der Petition.
Die frauenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Cornelia Möhring, sagt dazu: "Ich hab da so ein Bild vor Augen von älteren Männern vor Augen , die halt sich darüber gar keinen Kopf gemacht haben und dann auf die willkürliche Idee gekommen sind, Rennpferde, Matetee, Münzen, Schnittblumen als Gut des täglichen Bedarfs einzusortieren, aber halt nicht Hygieneartikel."
Steuer unter anderem in Frankreich schon reduziert
In der Liste der Produkte mit ermäßigtem Mehrwertsteuersatz gäbe es laut Möhring viele weitere diskussionswürdige Punkte. Babynahrung ist dabei, Windeln aber nicht. Die Befürworter der Petition sind sich aber einig, dass die Erfolgschancen größer sind, wenn man sich auf Menstruationsprodukte konzentriert und nicht die gesamte Liste infrage stellt.
Rechtlich spricht nichts gegen eine Senkung. Seit 2016 stellt die EU es den Mitgliedsstaaten frei, Hygieneprodukte gesondert zu besteuern. Andere Länder sind seitdem aktiv geworden. Frankreich zum Beispiel hat den Mehrwertsteuersatz von 20 auf 5,5 Prozent gesenkt. Auch in den Niederlanden und Spanien gab es Änderungen.
Bedenken aus der SPD-Fraktion
Gegenwind, so heißt es von allen Seiten, käme eigentlich nur noch aus der SPD. Lothar Binding, finanzpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, widerspricht. Es sei noch nicht klar, wie sich die SPD positionieren werde. Aber er hat durchaus auch Kritik an der Idee.
"Da frag ich mich eben, da es nur um zwei Euro im Jahr geht, ob nicht eine Kampagne sich viel mehr lohnen würde zum Beispiel gegen Unternehmen, die Frauen zwanzig Prozent weniger Lohn bezahlen als Männern für die gleiche Arbeit", sagt Binding.
Blick auf Preisgestaltung der Hersteller
Außerdem warnt der SPD-Politiker, dass die Steuererleichterung letztlich in den Taschen der Konzerne landen könnte: "Wir haben gelernt in der vorletzten Bundestagsperiode, dass bei der Hotelsteuer auch die Mehrwertsteuer um zehn Prozent gesenkt wurde, aber die Preise gleich blieben." Diese Sorge teilt auch Antje Tillmann von der CDU: "Da hoffe ich, dass die Öffentlichkeitsarbeit, die jetzt bei der Petition gut geklappt hat, auch klappt, dass wir die Hersteller da wirklich an ihre Verantwortung erinnern."
Das Unternehmen Einhorn, das die Petition mit initiiert hatte, will eine mögliche Steuersenkung auf jeden Fall an die Kunden weitergeben. Elena Weidemann ist auch mit anderen Unternehmen in Kontakt und zuversichtlich, dass die das auch machen würden: "Doch, ich bin optimistisch, aber ich werde mich jetzt noch nicht darauf ausruhen auf diesem Optimismus."