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Kosten für Solarförderung explodieren

Die Energiewende ist machbar – das hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gestern auf ihrer Stromnetzreise bekräftigt. Doch rund um die Sonnenenergie tobt eine hitzige Debatte: Sie sei zu teuer - gemessen an der Leistung, die diese Energieform in Deutschland beisteuert.

Von Dieter Nürnberger | 30.05.2012
    Rund um Pfingsten gab es einen neuen Rekord zu vermelden: Laut Angaben des Wirtschaftsforums Regenerative Energien wurden mehr als 20 Terawatt Solarstrom in das Netz eingespeist. Das entspreche einer Leistung von rund 20 Atomkraftwerken. In Spitzenzeiten - an sonnigen Tagen - kann der Strom aus der Sonne somit einen Anteil von rund einem Viertel haben, doch im Jahresdurchschnitt trägt die Solarbranche derzeit mit lediglich drei bis vier Prozent zum deutschen Strommix bei.

    Allerdings liegen die Kosten, die die Förderung der Solarbranche verursacht, weit über diesem Durchschnittswert. Mehr als sechs Milliarden Euro, so das Bundeswirtschaftsministerium, also fast die Hälfte der Umlage für erneuerbare Energien, würden durch die Solarbranche verursacht.

    Das Gesetz über die Erneuerbaren Energien beinhaltet bereits als Grundregel, die Sätze der Einspeisevergütung kontinuierlich abzusenken. Da die Kosten für die Einspeisung stärker stiegen als erwartet, verordnete die Politik bereits in der Vergangenheit mehrmals eine zusätzliche Kürzung.

    Doch die jüngste Einsparrunde - eingefädelt vom damaligen Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) und seinem Kabinettskollegen Philip Rösler (FDP) - ist gescheitert. Derzeit befasst sich der Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag mit dem Thema.

    Wie bei keiner anderen Baustelle der Energiewende geht es bei der Solarenergie auch um soziale Belange. Die Bundesregierung will auf jeden Fall weiter kürzen, weil sonst die Umlage für die Verbraucher zu teuer werde. Denn Experten erwarten, dass diese künftig die derzeitigen 3,5 Cent pro Kilowattstunde Stromverbrauch, die der Kunde zahlen muss, deutlich übersteigen wird. Davor warnt auch der neue Bundesumweltminister Peter Altmaier.

    "Wir haben die Situation, dass alles, was wir an Geld in die Hand nehmen, irgendwo auch aufgebracht werden muss. Und bei dem Erneuerbare-Energien-Gesetz ist es so, dass die Kosten dann auf den Strompreis umgelegt werden. Ich glaube, dass alle eingesehen haben – auch die ostdeutschen Bundesländer – dass es nicht in ihrem Interesse ist, wenn es zu einem völlig ungeregelten Ausbau dieser Energieform kommt. Weil sie eben sehr teuer ist."

    Doch die Bundesländer schauen auf die Arbeitsplätze und nutzten ihre Macht im Bundesrat. Deshalb scheiterte Mitte Mai dort die Kürzung der Solar-Fördersätze auch an einzelnen CDU-regierten Ländern. Gerade im Osten der Republik sind inzwischen in diesem Bereich Tausende von Arbeitsplätzen entstanden. Gleichzeitig jedoch kriselt die Branche heftig, weil die Konkurrenz aus China immer mächtiger wird und auch günstiger produziert. Hinzu kommt, dass der Weltmarkt mit Solarmodulen ohnehin gesättigt ist, was zu einem deutlichen Preisverfall geführt hat. Zwar sind die Gründe überwiegend dem globalen Markt geschuldet, doch werfen die Kritiker der Bundesregierung vor, mit der Kürzung der Fördersätze die angespannte Lage noch zu verschärfen.

    Bislang hat jedoch noch jede angekündigte Kürzung der Fördersätze zu einem weiteren dynamischen Ausbau der Fotovoltaik auf Deutschlands Dächern geführt. Mitnahmeeffekte, bevor die Kürzungen in Kraft traten. Und noch immer können Bauherren ordentliche Renditen erzielen, weil die im Erneuerbare-Energien-Gesetz verankerte Einspeisevergütung auf jeweils 20 Jahre festgelegt ist.

    Auch die Solarbranche hat deshalb signalisiert, weitere Kürzungen mitzutragen, allerdings nicht in Höhe und Tempo, der von der Regierung geplanten Maßnahme. Diese sollte zum 1. April rückwirkend gelten und zwischen 20 und 30 Prozent ausmachen.

    Ein Kompromiss könnte die zeitliche Streckung der geplanten Kürzungen sein. Dagegen sperrt sich im Moment allerdings Bundeswirtschaftsminister Philip Rösler (FDP), dem vor allem die Kostenentwicklung der Umlage für Ökostrom Sorge macht. Verbraucherschützer fordern inzwischen sogar, die Kostensteigerungen mithilfe von Steuergeldern abzufedern. Und nicht zuletzt muss der neue Bundesumweltminister Peter Altmaier auch den Kompromiss mit den Ministerpräsidenten der Länder suchen, die um den Fortbestand einer einst florierenden Branche fürchten.


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