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Das Internetangebot Perlentaucher hat im Prozess gegen die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" und die "Süddeutsche Zeitung" auch in zweiter Instanz Recht bekommen. Das Frankfurter Oberlandesgericht entschied, dass Perlentaucher auch dann aus Buchkritiken der beiden Tageszeitungen zitieren darf, wenn die Zusammenfassungen weiterverkauft werden.

Von Ruthard Stäblein | 11.12.2007
    David siegte gegen Goliath, der kleine Perlentaucher gegen die beiden größten Tageszeitungen der Republik, gegen "FAZ" und "Süddeutsche Zeitung". Aber es ist ein Sieg mit Flurschaden. Das Onlineportal darf weiterhin Zusammenfassungen von Buchrezensionen der Tageszeitungen auf seine Website stellen und vorläufig auch weiterverkaufen. Das hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main entschieden. Der Vorsitzende Richter und Pressesprecher des Senats, Wolfgang Weber, begründete, warum und wann Resümees von Kritiken aus fremder Hand erlaubt sind:

    "Weil im Einzelnen festgestellt wurde, dass die streitgegenständlichen Abstracts als solche individuelle persönliche Schöpfungen sind, die einen ausreichenden Abstand zum Originaltext halten."

    Das soll kein Generalablass für fleißige Inhaltsangeber sein, sondern eine Entscheidung in zwei Einzelfällen. Würde in einem Resümee zu ausführlich zitiert werden, dann würde das Richter Weber nicht gefallen. Richtige Freude kam bei dem Begründer des Perlentauchers auf.

    "Wir hatten schon ein Gläschen Champagner. In der Verhandlung sah es eigentlich so aus, als würden wir mehr oder weniger verlieren, man kann ja mehr oder weniger verlieren. Jetzt haben wir auf ganzer Linie gewonnen. Und das freut uns natürlich sehr."

    Thierry Chervel feierte auf französische Art. Seine Erleichterung ist groß. Denn ein Verbot wäre für ihn das Aus.

    "Dann hätten wir die vollen Prozesskosten tragen müssen, es hätte Entschädigungsforderungen gegeben, und natürlich wäre auch eine Einnahmequelle weggefallen."

    Denn der Perlentaucher lebt - neben Anzeigen - vom Verkauf der Abstracts an Online-Dienste.

    Das Urteil der zweiten Instanz kommt überraschend. Noch in der mündlichen Verhandlung äußerte der Vorsitzende Richter Weber sein Verständnis für "FAZ" und "SZ". Die Tageszeitungen befürchten nämlich, dass ihre Rezensionen im Internet nur kurz wahrgenommen und weniger im Zeitungsoriginal gekauft und gelesen werden.

    Chervel "Dies Befürchtung trifft ja auf Journalismus insgesamt zu. Journalismus ersetzt manchmal die Welt. Ich meine, wie viele Kritiken lesen sie in der 'FAZ' und der 'SZ" und beschließen danach, das Buch nicht zu kaufen."

    Zudem beklagten die Verleger, dass der Perlentaucher mit den Abstracts Geschäfte mache, indem er sie zum Beispiel an buecher.de weiterverkaufe.
    Weber. "Das war das, was eigentlich angegriffen war, also nicht einmal die Veröffentlichung der Abstracts auf der Website der Beklagten unmittelbar, sondern diese Lizensierung nur in dem Moment, in dem der Senat zu dem Ergebnis kam, dass es sich um eigenständige Werkschöpfungen handelt bei diesen Abstracts, sind die Beklagten natürlich berechtigt, entsprechend darüber zu verfügen und diese eigenschöpferischen Leistungen selbst zu verwerten."

    Vorausgegangen war dem Streit eine wilde Polemik zwischen dem Perlentaucher und der "FAZ". Die "FAZ" inkriminierte Thierry Chervel persönlich. Der knifflige Chervel wolle "mit den aufgeschriebenen Gedanken anderer Leute" nur sein Geschäft machen. Daraufhin konterte Chervel, er meinte, die Autoren der 'FAZ', die ihn anschwärzten , hätten Angst "vor Schirrmachers Dampfhammer". Das roch schon nach Duell.

    Aber der scheinbare Privatkrieg hat Folgen und verursacht weiteren Flurschaden. Das Urheberrecht der Autoren an ihrem geistigen Eigentum wird weiter durchlöchert. Denn darüber verfügt , daran verdient der Perlentaucher sein Geld, ohne sich um die Urheber zu kümmern.

    Auch wenn der Bundesgerichtshof das Frankfurter Urteil noch revidieren kann: Den Zeitungen bleibt nichts anderes übrig, als sich auf ein Geschäft mit dem Internet einzulassen. Denn im Internet wird zuviel resümiert, abgeschrieben oder gleich geklaut. Da ist der Perlentaucher im Vergleich sogar eine Service-Adresse mit Qualität. Wäre der Austausch finanziell geregelt, dann könnte man die Kritiken ruhigen Gewissens vollständig lesen und sich ein eigenes Urteil bilden.