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Krabbelnde Notfallhelfer
Termiten schützen Tropenwälder bei Trockenheit

Wenn der Mensch Tropenwälder nutzt, dann nimmt die Zahl der Termiten ab. Eine Studie der Universität Liverpool hat die Folgen untersucht: Die Regenwaldflächen werden anfälliger für klimabedingte Trockenheit, denn Termiten haben eine bislang unbekannte Schutzfunktion.

Von Volker Mrasek | 11.01.2019
    Eingang zum Termitenbau | Verwendung weltweit
    Eingang zu einem Termitenbau (picture alliance / dpa / Hinrich Bäsemann)
    Tausende Rollen Toilettenpapier! Was für eine Studie ist das, in der Forscherinnen über einen Zeitraum von zwei Jahren so viel Klopapier kaufen und in ihrer Untersuchungsfläche verteilen, in einem Stück Regenwald auf Borneo im Indischen Ozean?!?
    "Klingt etwas komisch! Aber wir haben das Klopapier als Köder für Termiten benutzt. Sie ernähren sich von totem Holz, von seiner Zellulose. Und Klopapier ist ja reinster Zellstoff!"
    Vergiftetes Geschenk
    Die britische Tropenökologin Hannah Griffiths arbeitet an der Universität Liverpool. Ihre Kollegin Kate Parr, Professorin für Geowissenschaften und Ökologie an derselben Uni erklärt, für die Termiten war das wie Weihnachten. Sie bekamen ein Festmahl. Doch das Geschenk an die im und auf dem Waldboden wimmelnden Termiten war ein vergiftetes, erklärt Hannah Griffiths.
    "Wir haben die Rollen mit einem Insektizid getränkt. Die Termiten sammelten sie ein und brachten sie in ihre Kolonien. Dort fraßen sie die Giftköder und starben daran."
    Ein weiteres Kuriosum der Studie: Indem die Ökologinnen die Termiten töteten, demonstrierten sie, wie wertvoll die Insekten für den Regenwald sind. Und zwar gerade dann, wenn er unter starker Trockenheit leidet. Das Experiment lief nämlich 2015 und '16. Im tropischen Pazifik herrschte damals ein wärmebringender El Nino und auf Borneo anhaltende Dürre.
    Durch die Giftköder ging der Bestand der Termiten um rund 50 Prozent zurück. So war es Kate Parr und ihren Kolleginnen möglich zu beobachten, was es für den Wald bedeutet, wenn die Hälfte der krabbelnden Horden fehlt. Wenn viel weniger Termiten Blattstreu zersetzen, Tunnel bauen und den Waldboden auf diese Weise umgraben:
    Termiten als "Ökosystem-Ingenieure"
    "Wir konnten unsere Fläche dann mit anderen, intakten vergleichen. Und dabei kam heraus: In den Arealen mit intakter Termitenpopulation wurde 40 Prozent mehr Pflanzenmaterial zersetzt. Dadurch standen mehr Nährstoffe im Erdreich zur Verfügung. Die Bodenfeuchte war rund ein Drittel höher. Und die Überlebensrate von Samen einer Lianen-Art, die wir gepflanzt hatten, sogar um rund 50 Prozent."
    Termiten werden gerne als "Ökosystem-Ingenieure" bezeichnet. Ohne die emsigen Grab-Kolonnen und Bodenverbesserer käme der Regenwald offenbar viel schlechter mit Trockenheit klar. Doch wie kommt es überhaupt, dass die Termiten nicht selbst unter der Dürre litten? Tatsächlich waren sie sogar aktiver als vorher und der Boden noch stärker mit ihnen übersät, wie Hannah Griffiths sagt:
    "Wir waren selbst überrascht, wie stark die Aktivität zunahm! Es könnte sein, dass es Termiten leichter fällt, sich durch trockenen Regenwald-Boden zu bewegen als durch sehr feuchten, morastigen. Und dass sie deshalb mehr Tunnel gegraben haben. Eine andere Vermutung ist der Rückgang von wichtigen Feinden. Zum Beispiel hat die Zahl der Ameisen während der Dürre abgenommen. Vielleicht waren die Termiten auch deshalb aktiver."
    Mehr tun für den Schutz der Termiten
    Für Kate Parr zeigt die neue Studie, wie wichtig Termiten für den Erhalt des Regenwaldes sind. Und dass man mehr für ihren Schutz tun müsste. Denn die Realität sehe heute anders aus:
    "Wir wissen, dass Termiten verloren gehen, wenn der Mensch Tropenwälder nutzt und verändert. Ihre Zahl nimmt dann ab. Das bedeutet: Solche Regenwaldflächen sind in Zukunft anfälliger, wenn sich der Klimawandel stärker ausprägt und es zu weiteren Dürren kommt."
    Die Tropenökologin hat inzwischen weitere Freilandstudien in Südafrika begonnen. Um zu sehen, ob die Termiten dort genauso ticken und auch Trockenphasen in der Savanne ab puffern.