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Krach aus dem Computer

Technik. - Um die Lärmbelästigung von größeren Baumaßnahmen gering zuhalten, erstellen Akustik-Ingenieure heute spezielle Lärmkarten, aus denen ersichtlich wird, wie sich beispielsweise die Verbreiterung einer Durchgangsstraße akustisch auswirkt. Ein Aachener Unternehmen bietet jetzt die Simulierung der späteren Geräuschkulisse an.

Von Ralf Krauter |
    Normalerweise verbringen Akustik-Ingenieure ihre Zeit damit, den allgegenwärtigen Lärm für Anwohner möglichst erträglich zu machen. Dazu messen sie Schallpegel, erstellen Lärmkarten und versuchen Problemzonen mit technischen Tricks zu entschärfen, zum Beispiel mit Flüsterasphalt oder Schallschutzwänden und –fenstern. Verglichen damit ist das, was André Fiebig aus Herzogenrath macht, eher ungewöhnlich. Statt Lärm zu mindern, erzeugt der Experte für Geräuschwahrnehmung von der Firma Head Acoustics künstlichen Krach im Computer. Im Rahmen des kürzlich ausgelaufenen EU-Forschungsprojektes "Leiser Stadtverkehr" entwickelte er einen Verkehrslärmgenerator, der auf Knopfdruck genau definierte Verkehrsszenarien hörbar macht. Zum Beispiel den städtischen Durchgangsverkehr auf einer Hauptstraße mit Tempo 50.

    Zahl, Größe, Geschwindigkeit und Verteilung der vorbeifahrenden Fahrzeuge können die Forscher ebenso vorgeben wie den Straßenbelag, die Bepflanzung auf dem Seitenstreifen oder eine Lärmschutzwand. Das Ergebnis solcher spezifischen Lärmsimulationen soll Stadtplanern die Arbeit erleichtern, erklärt André Fiebig.

    "Dass man selbst mal einen Eindruck gewinnt davon, wie ist denn der Unterschied, wenn wir jetzt eine Schallschutzmauer bauen würden, wenn wir den Straßenbelag ändern, wenn wir das Geschwindigkeitslimit verändern würden, von 50 auf 30. Was ist tatsächlich der gehörte Effekt, die gehörte Verbesserung?"

    Die laut EU-Direktive vorgeschriebenen strategischen Lärmkarten, die Stadtplaner heute für die akustische Optimierung zu Rate ziehen, zeigen lediglich die gemittelten Schallpegel an einem Ort. Über die gefühlte Belästigung der Anwohner sagen die aber nur bedingt etwas aus.

    "Denn häufig misst man, aber die Interpretation der Ergebnisse korreliert dann nicht tatsächlich mit den Erfahrungen der Menschen. Das hat man immer wieder jetzt im Bereich der Wahrnehmung von Lärm oder von Umweltgeräuschen, dass man das, was man gemessen hat, nicht wieder eins zu eins wieder findet. Zum einen, gibt es Situationen, da fühlen sich Leute belästigt, aber man hat Schwierigkeiten, dass messtechnisch nachzuweisen."

    Zum anderen gibt es Fälle, wo Menschen einen hohen Lärmpegel gar nicht als störend empfinden. Das Meeresrauschen am Urlaubsstrand ist ein bekanntes Beispiel dafür. Es ist laut, beruhigt aber eher, als dass es nervt. Mit dem Verkehrslärmgenerator lassen sich erstmals auch jene psychoakustische Parameter hörbar machen, die das Störpotenzial eines Geräusches maßgeblich beeinflussen, etwa seine Schärfe und Rauigkeit. Fiebig:

    "Die Grundlage sind schon echte Messungen, um zu wissen, wie klingt denn ein Fahrzeug. Was ist charakteristisch für einen Kleinwagen, einen Mittelklassewagen, ein größeres Fahrzeug, einen LKW, ein Motorrad. Da müssen wir natürlich gezielte Messungen durchführen, um zu wissen, wie klingt das Fahrzeug in diesem Betriebszustand. Aber dann nehmen wir nur die charakteristischen Eigenschaften. Das wird alles dann modelliert in Sinustönen und mit Rauschen dahinter, entsprechend gefiltert und dann erzeugt man wieder einen sehr echten, sehr authentischen Eindruck einer Vorbeifahrt."

    Weil die Geräusch-Simulationen ziemlich aufwändig zu berechnen sind, braucht der Computer in der Regel einige Stunden, um ein bestimmtes Verkehrsszenario akustisch nachzuspielen. Doch wenn es darum geht, vor Baubeginn hörbar zu machen, wie es klingen wird, nachdem eine Ampelkreuzung durch einen Kreisverkehr ersetzt, eine 30er-Zone eingerichtet oder Flüsterasphalt verlegt wurde, ist diese Wartezeit kein Problem. Fiebig:

    "Wir können nicht nur verschiedene Verkehrsszenarien generieren. Wir können sogar an den Quellen drehen. Wir können sagen: Wir verringern die Abgasanlage, wir stellen die Ansauganlage unterschiedlich ein, die Motorgeräusche. Und da kann man halt auch verschiedene Maßnahmen, die Automobilhersteller vielleicht schon im Vorfeld im Blick haben, verifizieren. Was ist denn tatsächlich die Auswirkung, wenn wir an der Abgasanlage eine Schalldruckreduktion von 1,2 dB haben? Ist das eine Maßnahme, die effektiv wäre? Oder ist das letztendlich Augenwischerei? Also: Da hat man auch die Quellen in der Hand, weil wir alles synthetisch generieren."

    Auch das durchdringende Geräusch von Dieselmotoren kann der Lärmsynthesizer inzwischen täuschend echt nachahmen. Die künftige Erweiterung des Simulations-Programms um den Lärm von Zügen und Straßenbahnen hat man bei Head Acoustics in Herzogenrath ebenfalls bereits angedacht.