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Krach um Ökolandbauförderung

Rot-Grün hatte vorgegeben, dass jeder fünfte Landwirt ein Ökobauer sein soll. Tatsächlich beträgt der Anteil der Biolandwirte heute nur sechs Prozent. Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat nun beschlossen, den Fördertopf für den Ökolandbau auch zugunsten anderer Interessenten zu öffnen.

Von Verena Kemna | 26.11.2010
    Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner CSU bekennt sich zum Ökolandbau als Bestandteil der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie. Das 20-Prozent-Ziel sei Ansporn nicht Messlatte, so die Bundesministerin. Die Tatsache, dass Gelder aus dem Bundesprogramm Ökolandbau künftig auch auf andere Formen nachhaltiger Landwirtschaft angewendet werden sollen, wird in ihrem Haus als Fortschritt angesehen. Es heißt, dass eine breitere Basis für die Entwicklung einer nachhaltigeren Landwirtschaft geschaffen werden solle. Sowohl der biologische als auch der konventionelle Landbau sollen davon profitieren. Auch der Koalitionspartner FDP steht für eine solche Erweiterung. FDP-Haushälter Heinz-Peter Haustein begründet die Entscheidung heute im Bundestag so.

    "Wir hatten 2007 von 16 Millionen Euro nur 13,6 abgerufen. 2008 nur 12,1 Millionen abgerufen und 2009 nur 14 Millionen abgerufen. Deshalb, liebe Freunde, es ist doch recht und billig, dass wir den Rahmen der Möglichkeiten der Antragstellung verbreitern und auch anderen Bereichen die Möglichkeit geben, Fördermittel zu beantragen."

    Ein Scheinargument, sagen Vertreter vom Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft. Für die 16 Millionen Euro Bundesmittel gebe es seit Jahren mehr Anträge als bewilligt werden können. Dass nicht hundert Prozent der Fördergelder abgerufen werden, hat verwaltungstechnische Gründe. Die von den Regierungsparteien beschlossene Öffnungsklausel für andere nachhaltige Formen der Landwirtschaft sei eine Abkehr vom Bundesprogramm Ökolandbau. Beim Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft will niemand so recht an das Bekenntnis des FDP-Bundestagsabgeordneten Haustein glauben. Dieser sagte heute:

    "Der Ökolandbau ist ein wichtiges Element und hat Zukunft. Die Forschungsausgaben für gesunde Ernährung, nachhaltigen Gartenbau, Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Klimaschutz haben wir mit 8,5 Millionen Euro sogar aufgestockt. 3,2 Millionen Euro mehr als 2009."

    Über zwei Milliarden Euro sollen in den nächsten sechs Jahren für Bioökonomie-Forschung zur Verfügung gestellt werden. Dagegen ist der acht Millionen Forschungsetat für Ökolandbau vergleichsweise niedrig. Auch die Umweltschutzorganisation WWF interpretiert die Öffnungsklausel als faktische Kürzung der Fördergelder für den Ökolandbau. Ob Informationsveranstaltungen oder Werbekampagnen für Regionalprodukte, niemand kann derzeit genau sagen, welche Projekte unter dem Label nachhaltige Landwirtschaft in Zukunft aus dem Fördertopf Ökolandbau bezuschusst werden. Tanja Dräger, WWF-Agrarexpertin.

    "Es ist überhaupt nicht definiert, was diese anderen Formen der nachhaltigen Landwirtschaft sein sollen, und unsere Befürchtungen sind sehr groß, dass damit auch landwirtschaftliche Forschung gefördert wird, die eigentlich nichts mehr mit Nachhaltigkeit zu tun hat."

    Die Öffnungsklausel für Fördermittel aus dem Bundesprogramm Ökolandbau sei ein falsches politisches Signal.

    "Der Verbraucher wünscht Biolebensmittel, aber die Politik geht in eine andere Richtung, was wir überhaupt nicht nachvollziehen können als WWF."