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Krach vom Joghurtbecher

Wo ein neuer Supermarkt entsteht, müssen Gutachter eine Schallprognose über die zu erwartenden Lärmbelästigungen erstellen. Besonders im Bereich der Warenannahme war das schwierig, weil es nur ungenaue Berechnungsmodelle gab. Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt hat nun zusammen mit der TU Braunschweig ein genaues Vorhersage-Programm entwickelt.

Von Michael Engel |
    Eine typische Situation hinter Netto, Aldi oder Rewe: Lastwagen rangieren vor der Warenannahme. Hubwagen poltern voll beladen mit Paletten über Eisenplatten an der Rampe. Um die Anwohner vor unbotmäßiger Belästigung zu bewahren, müssen Lärmprognosen erstellt werden, wenn ein neuer Supermarkt in der Nachbarschaft entstehen soll. Doch ausgerechnet für die neuralgische Laderampe gab es bislang keine entsprechenden Programme.

    Dr. Martin Schmelzer von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig wollte das ändern. In einem speziellen Raum hat er eine typische Szenerie aufgebaut: Rampe und Rampenüberdachung mit LKW, dahinter die Supermarktfassade - im Format großen Umzugskartons:

    "Wir betreten jetzt den Halbfreifeldraum der PTB. Hier steht eine Modellsituation einer solchen Anlieferzone im Maßstab 1:8. Die Konstruktion ist aus Holz gefertigt. Und es gibt verschiedene Variationsmöglichkeiten in Hinblick auf die Anordnung der Anlieferrampe."

    Auf der Rampe befindet sich ein Lautsprecher, der den Krach simuliert. 63 Mikrofone registrieren den Schall. Vor, über und hinter dem Supermarkt im Miniformat.

    "Weißes Rauschen" nennt Dr. Martin Schmelzer die Geräusche, die aus dem Lautsprecher zischeln. Das ähnelt zwar nicht unbedingt dem Sound an der Rückseite von Aldi und Co, doch enthält das weiße Rauschen alle Frequenzen, die an der Rampe vorkommen, physikalisch gesehen. Martin Schmelzer:

    "Das ist einfach ein reproduzierbareres Signal. Wir erzeugen dieses weiße Rauschen eben im Computer. Wir müssen uns dabei nicht auf ein ganz konkretes Beispiel zurückziehen, sondern können eben dieses weiße Rauschen benutzen, um später dann mit den Ergebnissen auch andere Geräusche in gewissen Frequenzbereichen modifizieren zu können."

    Veränderungen in der Tonhöhe, die durch Echos entstehen, und auch Lautstärkeminderungen durch Wände und Überdachungen werden von den Mikrofonen präzise erfasst. Die Daten sind nun in einem "Schallprognose-Programm" eingeflossen, mit dem man sehr genau berechnen kann, wie sich eine Rampe je nach Bauform wirklich anhören würde:

    "Jetzt befinden wir uns seitlich neben dem LKW. Hinten an der Laderampe. Wir stehen vielleicht in zwei Meter Abstand daneben und haben jetzt gehört, wie eine solche Kiste über die Rampe des Lkws gerollt wurde."

    "Und wenn wir jetzt um die Rampe eine Einhausung drum herum bauen, eine Rückwand, eine Seitenwand und ein Dach darüber und dies auch noch zusätzlich mit Absorber-Material belegen im Inneren, dann hört sich dieselbe Situation jetzt so an."


    Die Schallprognose ist präziser geworden. Bislang waren das Schätzungen, sagt Kai Schirmer von der TU Braunschweig, der das Programm entwickelt hat. So habe man die maximal möglichen Pegel lieber etwas höher angesetzt, um juristisch auf der sicheren Seite zu sein. Bauträger haben dann entsprechend reagiert und mehr für den Schallschutz getan. Mit dem neuen Programm liegt man dichter an der Wirklichkeit, so der Schallgutachter. Und das bedeutet, dass die berechnete Geräuschkulisse hinterm Supermarkt in aller Regel leiser ist. Kuriose Folge: Bauträger können auf unnötigen Schallschutz verzichten. So dürfte es in Zukunft wohl etwas lauter werden im Umfeld von Supermärkten.