Archiv


Krachen im feuchten Gebälk

Technik. - Eigentlich gelten Tagungen der Gesellschaft für Umweltsimulation als ausgesprochene Insidertreffen für Spezialisten. Doch in diesem Jahr verhalfen tragische Unglücke dem diesjährigen Treffen zu besonderer Brisanz: Denn im Fokus steht die Stabilität von Holzkonstruktionen.

Von Mirko Smiljanic |
    So etwas hat Professor Jürgen Güldenpfenning noch nicht erlebt. Jahrelang führte der Chef des Lehrstuhls für Mechanik und Baukonstruktion an der Rheinisch Westfälischen Technischen Hochschule Aachen mit den Seinen seines Faches eine respektable, bezüglich der Medienpräsenz aber eher beschauliche Existenz, bis Anfang Januar in Bad Reichenhall eine Sporthalle unter der Last des tonnenschweren Schnees zusammenbricht. Seither ist der Experte für Holzkonstruktionen ein gefragter Mann, der die Probleme von Holz und Umwelt schon mal mit dem Paragraphen 1 des Baues erläutert.

    "Das Wasser ist möglichst sofort vom Hause wegzuleiten! Das aber ist vor allem bei Flachdächern häufig gar nicht möglich oder wird sträflich missachtet."

    Sei es Regen oder Dampf - Wasser schadet immer! Und das liegt an den besonderen Bedingungen von Holzbalken, die zwar schick aussehen, aber auch ihre Tücken haben.

    "Wir haben ein Brettschichtholz dort liegen, ein typisches Brettschichtholz, was aus mehreren Lamellen besteht, die mit Leim zusammengeklebt wurden. Das Holz selbst besteht aus Nadelholz, wahrscheinlich Fichte oder Kiefer, das ist das übliche."

    Brettschichthölzer sind normalerweise 16 bis 20 Zentimeter breit und bis zu 2,5 Meter hoch, gewaltige Balken also, die allerdings bei Spannweiten von über 100 Metern auch gewaltige Lasten tragen. Die Bretter werden unter hohem Druck verleimt, und zwar sowohl an ihren Oberflächen als auch an den Seiten. Diese seitlichen Verbindungen haben die Form von Keilzinken. Es sieht aus, als ob zwei Ws ineinander greifen.

    "Auf der einen Seite werden die ineinander gesteckt und in dem Zwischenraum ist Leim und das hält dann und ist wie ein durchgehendes Brett nachher,... "

    …das normalerweise klaglos seinen Dienst tut, sprich: Es trägt die Dächer vieler tausend Hallen. Gefahr droht nur, wenn sie feucht werden. Normalerweise dürfen Bretter nur bei einer Restfeuchtigkeit von acht Prozent verleimt werden. Aus Zeit- und Kostengründen sind es aber auch schon mal 18 Prozent. Wenn das Holz weiter trocknet, entstehen Spannungen, die wiederum erzeugen so genannte Schwindrisse. Normalerweise ist das kein Problem, aber was ist schon normal beim Bau, wenn niemand merkt, dass über Jahre Regen auf die Balken tropft und durch die Risse in die Balken gelangt. Der schlimmste Fall tritt aber ein, wenn Wasser auf die Längsenden des Balkens gelangt, Fachleute sprechen auch vom Hirnholz.

    "Das geht relativ schnell in der Richtung weiter und führt dann auch zu einer zerstörenden Wirkung, wenn es eine gewisse Zeit da ist."

    Zerstört werden die Leimverbindungen. Bei Leim auf Harnstoffbasis lösen sich einzelne Bretter, bis der Balken zusammenbricht. Sind die Temperaturen entsprechend hoch, zersetzen zusätzlich Pilze Leim und Holz. Allerdings nur, wenn über Jahre Wasser auf die Balken tropft. So geschehen wahrscheinlich in Bad Reichenhall und so geschieht es unbemerkt in vielen anderen Hallen, die einfach niemand korrekt kontrolliert. Immer wieder kommt es zum Beispiel vor, dass die nachträglich eingebaute Wärmedämmung sich mit Wasser voll saugt.

    "Wenn Sie das anpieksen von unten, dann spritzt da das Wasser raus, und acht Zentimeter Wasser als Gewicht bedeuten 80 Kilo auf den Quadratmeter, wenn Sie mal die Schneelast sich ansehen von den Normen her, dann sind das 75 Kilo."

    Natürlich ließen sich Katastrophen wie in Bad Reichenhall verhindern. Doch dafür braucht es regelmäßige und gründliche Inspektionen. Weil Geld knapp ist, gehen manchen Bauherrn aber lieber hohe Risiken ein. Auch bei erkennbar maroden Holzbalken.

    "Ich bin jetzt in einer Halle gewesen, nicht von einer Kommune, sondern eine Fabrikationshalle, und da hat mir der Bauherr klar gesagt: 'Wir haben kein Geld dazu!' Das war an einigen Stellen schon so, dass man sie nicht schließen musste, aber man hat gesagt: 'Beobachten wir das mal!' Aber er hat klar gesagt: 'Ich habe kein Geld dafür!'""