Ja was will das Theater mit so einer Story wie der von der lombardischen Herzogin Rodelinda heute noch anfangen? Unter den Dutzenden von Arbeiten Georg Friedrich Händels, die in den letzten Jahren wieder verstärkt auf die Bühnen gelangen, sind nicht wenige, deren Libretti zumindest gewöhnungsbedürftig erscheinen (wenn nicht gar obsolet).
Einer kleinen radikalen Minderheit, der bei Opernaufführungen Plot und Text nicht ganz gleichgültig ist, möchte sich jedenfalls die Frage nach Sinn und Relevanz der "Rodelinda"-Handlung aufgedrängt haben (oder als Vorbehalt mit auf den Weg gegangen sein). Aber sie wurde im Theater an der Wien rasch eines Besseren belehrt: Zur bemerkenswert jugendfrisch und spannungsreich revitalisierten Musik gesellte sich eine Theaterhandlung, die nach einem etwas zähen Anfang die Zuseher zunehmend in ihren Bann zog.
Herbert Murauer hatte ein funktionales drehbares Betongerippe bauen lassen, dessen Einzelteile mobil eingesetzt werden können: In den einzelnen Ecken der zwei Etagen, die durch Treppen verbunden sind, stehen Utensilien wie Schminktisch und Kleiderschrank, Zimmerpalme oder Plastikplanschbecken, um die herum sich jeweils die einzelnen Szenen entwickeln und auf die sich der Blick fokussiert. Insgesamt zeigt sich da keine Herrschaftsarchitektur, eher ein Rahmen für die Gleichzeitigkeit von behaglichem Design und Unwirtlichkeit im mittelständischen Leben der Gegenwart.
Das ist erkennbar sehr italienisch geprägt: die Mode, die Attitüden, die Gesten – all das erinnert sehr an das Mailand der letzten Jahre: an fernsehgerechte Inszenierung der Lebensverhältnisse in der Ära Berlusconi. So entwickelt der Regisseur Philipp Harnoncourt notgedrungen nicht nur eine gewisse Nähe zu aktuellen Gewalt- und Geschlechterverhältnissen in den Kreisen der "Besserverdienenden", sondern auch zur Seifenoper.
Doch vom zynischen Umgang mit Macht und Begehren, wie es Kurt Streit als Usurpator Grimoaldo virtuos verkörpert und kraftvoll aussingt, hebt sich die Klage der um Thron und Mann gebrachten Rodelinda scharf ab: Die australisch-amerikanische Sopranistin Danielle de Niese betört nicht nur durch die Makellosigkeit ihrer Stimmführung, sondern erscheint in der exaltiert theatralischen Trauer wie eine Mischung aus Maria Callas und der jungen Gina Lollobrigida. Und Bejun Mehta, der vertriebene und tot geglaubte, aber ins Leben und an die Macht zurückkehrende rechtmäßige Regent, verfügt in Augenblicken des Zweifels über ein beglückend leicht und scheinbar ohne Anstrengung bedientes Sopran-Register. Mehta vermag die Momente der Raserei auszukosten, repräsentiert zugleich Liebe und Güte mit höchstem technischen Geschick.
Nikolaus Harnoncourt animiert den Concentus Musicus, den er in Wien vor mehr als einem halben Jahrhundert ins Leben rief: Der 81-Jährige Dirigent setzt allemal Anfangszeichen, zieht sich dann auf die Position des aufmerksamen Beobachters zurück, der nur zum Herausprozessieren des heftigsten Espressivo wieder eingreift. Die Arbeitsweise Harnoncourts entlarvt, wie viel Sinn- und Zweckentfremdung bei anderen Kapellmeistern im Spiel ist. Von der Anpassungsfähigkeit des Vaters hat der Sohn Philipp Harnoncourt geerbt: Seine Inszenierung verhehlt keineswegs, dass er bei Martin Kušej, Philipp Stölzl oder auch Michael Haneke aufmerksam zugeschaut hat. Aber Musiktheaterregie ist nun eben eine angewandte Kunst. Und im Fall der Rodelinda gingen alle Rechnungen auf: die Übertragung des Plots aus der Zeit kurz nach der letzten großen Völkerwanderung ins Italien der Gegenwart funktioniert so gut wie die mit dem Willen zur machtvollen Klangrede vorgetragene Musik.
Einer kleinen radikalen Minderheit, der bei Opernaufführungen Plot und Text nicht ganz gleichgültig ist, möchte sich jedenfalls die Frage nach Sinn und Relevanz der "Rodelinda"-Handlung aufgedrängt haben (oder als Vorbehalt mit auf den Weg gegangen sein). Aber sie wurde im Theater an der Wien rasch eines Besseren belehrt: Zur bemerkenswert jugendfrisch und spannungsreich revitalisierten Musik gesellte sich eine Theaterhandlung, die nach einem etwas zähen Anfang die Zuseher zunehmend in ihren Bann zog.
Herbert Murauer hatte ein funktionales drehbares Betongerippe bauen lassen, dessen Einzelteile mobil eingesetzt werden können: In den einzelnen Ecken der zwei Etagen, die durch Treppen verbunden sind, stehen Utensilien wie Schminktisch und Kleiderschrank, Zimmerpalme oder Plastikplanschbecken, um die herum sich jeweils die einzelnen Szenen entwickeln und auf die sich der Blick fokussiert. Insgesamt zeigt sich da keine Herrschaftsarchitektur, eher ein Rahmen für die Gleichzeitigkeit von behaglichem Design und Unwirtlichkeit im mittelständischen Leben der Gegenwart.
Das ist erkennbar sehr italienisch geprägt: die Mode, die Attitüden, die Gesten – all das erinnert sehr an das Mailand der letzten Jahre: an fernsehgerechte Inszenierung der Lebensverhältnisse in der Ära Berlusconi. So entwickelt der Regisseur Philipp Harnoncourt notgedrungen nicht nur eine gewisse Nähe zu aktuellen Gewalt- und Geschlechterverhältnissen in den Kreisen der "Besserverdienenden", sondern auch zur Seifenoper.
Doch vom zynischen Umgang mit Macht und Begehren, wie es Kurt Streit als Usurpator Grimoaldo virtuos verkörpert und kraftvoll aussingt, hebt sich die Klage der um Thron und Mann gebrachten Rodelinda scharf ab: Die australisch-amerikanische Sopranistin Danielle de Niese betört nicht nur durch die Makellosigkeit ihrer Stimmführung, sondern erscheint in der exaltiert theatralischen Trauer wie eine Mischung aus Maria Callas und der jungen Gina Lollobrigida. Und Bejun Mehta, der vertriebene und tot geglaubte, aber ins Leben und an die Macht zurückkehrende rechtmäßige Regent, verfügt in Augenblicken des Zweifels über ein beglückend leicht und scheinbar ohne Anstrengung bedientes Sopran-Register. Mehta vermag die Momente der Raserei auszukosten, repräsentiert zugleich Liebe und Güte mit höchstem technischen Geschick.
Nikolaus Harnoncourt animiert den Concentus Musicus, den er in Wien vor mehr als einem halben Jahrhundert ins Leben rief: Der 81-Jährige Dirigent setzt allemal Anfangszeichen, zieht sich dann auf die Position des aufmerksamen Beobachters zurück, der nur zum Herausprozessieren des heftigsten Espressivo wieder eingreift. Die Arbeitsweise Harnoncourts entlarvt, wie viel Sinn- und Zweckentfremdung bei anderen Kapellmeistern im Spiel ist. Von der Anpassungsfähigkeit des Vaters hat der Sohn Philipp Harnoncourt geerbt: Seine Inszenierung verhehlt keineswegs, dass er bei Martin Kušej, Philipp Stölzl oder auch Michael Haneke aufmerksam zugeschaut hat. Aber Musiktheaterregie ist nun eben eine angewandte Kunst. Und im Fall der Rodelinda gingen alle Rechnungen auf: die Übertragung des Plots aus der Zeit kurz nach der letzten großen Völkerwanderung ins Italien der Gegenwart funktioniert so gut wie die mit dem Willen zur machtvollen Klangrede vorgetragene Musik.