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Kraftfutter für Saurier

Paläontologie. - Sauropoden - das waren riesige Pflanzen fressende Dinosaurier mit winzigem Kopf, langem Hals und einem fast ebenso langen Schwanz. Einige dieser Kolosse wurden bis zu 100 Tonnen schwer. Bis heute erreichte kein Landtier jemals wieder diese Dimensionen. Warum aber wurden die Tiere der Vorzeit so groß? Dieser Frage gehen Biologen, Paläontologen und Biomechaniker in einem Projekt der Deutschen Forschungsgemeinschaft nach.

Von Monika Seynsche | 02.02.2005
    So hört sich ein Dinosauriermagen an. Zumindest der künstliche Magen, der im Institut für Tierernährung der Uni Bonn steht. Der Biologe Jürgen Hummel will mit dieser Maschine herausfinden, wovon sich die größten bekannten Dinosaurier – die Sauropoden ernährt haben.

    Für die Verdauung müssen wir erst mal eine Probe einwiegen in den Verdauungskolben. Da brauchen wir eine relativ kleine Menge, nur 200 Milligramm.

    Die Probe besteht aus fein gemahlenen Pflanzenteilen aus dem Botanischen Garten: Ginkgo, chinesischen Mammutbäumen, uralten Palmfarnen und Nadelgehölzen, den so genannten Araukarien. Alle diese Pflanzen waren zu Dinosaurierzeiten weit verbreitet. Auf das Pflanzenmehl träufelt Jürgen Hummel eine Bakterienlösung, die das Futter verdauen soll.

    Dinosaurierspezifische Bakterien sind natürlich schwierig zu bekommen, aber die Bakterien, die solche Sachen verstoffwechseln können, gibt’s schon so viel länger als die Dinosaurier, dass es da sicherlich keinen riesigen Unterschied in der Stoffwechselfähigkeit der Bakterien gibt zwischen denen, die die Dinosaurier hatten und zwischen denen, die heutige Tiere haben.

    Deswegen nimmt der Biologe für seinen Versuch Bakterien, die im Magen von heutigen Pflanzenfressern leben. Das Gemisch aus Pflanzen und Bakterien kommt in den künstlichen Dinosauriermagen: ein einfacher Brutschrank aus dem Labor. Bei 39 Grad Celsius haben die Bakterien drei Tage Zeit, um das Futter zu verdauen. Während sie das Futter abbauen, produzieren sie Gas – Methan und Kohlendioxid. Die Menge des Gases zeigt an, wie gut das Futter verdaut wird.

    Was einmal auffällt, ist, dass alles doch schlechter verdaulich war als Gras. Gerade wenn man das ein bisschen länger im Verdauungstrakt hat, dann ist Gras schon höher verdaulich und liefert damit auch mehr Energie als es jetzt die meisten Pflanzen waren, die für die Dinosaurier in Frage kommen.

    Trotzdem müssen die Dinosaurier eine Futterkombination gefunden haben, die ihnen genug Energie zum Leben lieferte. Um diesen Speiseplan der Dinosaurier zu entschlüsseln, rechnen Jürgen Hummel und seine Kollegen nun verschiedene Futterszenarien durch.

    Und wenn wir die Ergebnisse alle durchgerechnet haben und die vergleichen, zeigt sich, welches Szenario davon vielleicht von vornherein ausscheidet, weil er dann solche Mengen gefressen haben müsste, dass es völlig unrealistisch wird. Oder bei dem anderen Szenario haut es vielleicht hin, dass die Fresszeit vergleichbar ist mit einem Elefanten und dennoch der Energiebedarf gedeckt wird.

    Die heutigen Elefanten verbringen etwa drei Viertel des Tages mit Fressen. Berücksichtigt man, dass sie auch noch schlafen und sich fortpflanzen müssen, ist diese Fresszeit die Obergrenze dessen was für ein Tier überhaupt möglich ist. Mehr Zeit als die Elefanten hatten also auch die Sauropoden nicht, um ihre tägliche Futterration zu fressen. Welche Futterpflanzen auf dem Speiseplan der Dinosaurier gestanden haben könnten, lässt sich an Fossilienfunden aus der Zeit der Sauropoden erkennen. Schwieriger dagegen ist es, herauszufinden, wie ihr Verdauungstrakt funktionierte.

    Von Weichteilen findet man leider gar keine Versteinerungen, insofern kann man nicht wirklich sagen, ob es so funktioniert hat wie eine Kuh oder wie ein Pferd, also ob die Fermentationskammer nun vor dem eigentlichen Magen, wo der pH-Wert ganz sauer wird und vor dem Dünndarm lag oder ob er hinter dem Magen und dem Dünndarm lag, also im Dickdarm, so wie heutige Elefanten, Nashörner oder Pferde funktionieren.

    Egal, wo die Fermentationskammer genau lag – sicher ist, dass dort die entscheidenden Abbauprozesse stattfanden. Denn das pflanzliche Futter der Sauropoden bestand zu einem Großteil aus Cellulose und die können nur Bakterien abbauen. In drei Jahren soll das Forschungsprojekt zu Ende gehen. Bis dahin wollen Jürgen Hummel und seine Kollegen einen fertigen Speiseplan der Sauropoden zusammenstellen. Dann wissen sie vielleicht auch, ob es ihr Futter war, dass die Dinosaurier groß und stark gemacht hat.