Das Hemd weit aufgeknöpft, die Haare zerzaust und mit erhobenem Champagnerglas in der linken Hand dem Bildbetrachter offenbar zuprostend, während sich die andere an der nackten Brust seiner dunkelhaarigen Begleiterin zu schaffen macht, so empfängt Lovis Corinth in einem Selbstportrait von 1902 die Besucher der ersten, ihm in Frankreich gewidmeten Retrospektive im Pariser Musée d’Orsay.
Die entblößte Schönheit neben ihm stellt seine 22 Jahre jüngere Frau Charlotte da, die häufig auf seinen Gemälden auftaucht. Über 80 Werke aus allen Schaffensphasen werden jetzt vom 1858 in Ostpreußen geborenen und 1925 in den Niederlanden gestorbenen Lovis Corinth gezeigt.
Lediglich zwei Bilder Corinths befinden sich in der ständigen Sammlung des Musée d’Orsay, des französischen Nationalmuseums für die Kunst des 19. Jahrhunderts: die Ölskizze eines schlafenden Mädchens und ein Bildnis des Kunsthistorikers und Schriftstellers Julius Meier-Graefe, der sich vom knapp zehn Jahre älteren Corinth 1917 portraitieren lässt. Der kritische Beobachter und Kommentator der deutschen Kunstszene Meier-Graefe erinnert sich an die Auftritte Corinths in Berlin:
"Es gehörte zu den Freuden des Berliner Winters, ihn tanzen zu sehen. Beim Souper hatte er immer zwei Karaffen vor seinem Teller. Er schwang den Becher, redete, machte sich beliebt. Der Rhythmus eines Eisbären mit kleinen roten Augen glitt übers Berliner Parkett."
Das Bild, das die Zeitgenossen von Corinth zeichnen, ist einhellig: der Lebemann, der sich gerne Alkohol und Vergnügungen hingibt, ist beliebt und gehört zu den erfolgreichsten Künstlern seiner Zeit. Der begehrte Porträtist der Münchner und vor allem Berliner Gesellschaft kurz nach 1900 beginnt seine Malerkarriere als Franz Heinrich Louis Corinth zunächst an der Akademie der Schönen Künste in Königsberg.
Es folgen Studienaufenthalten in München, Antwerpen und Paris, wo er sich das Pseudonym Lovis zulegt. Dem französischen Publikum einen Künstler vorzustellen, der sich in seinen Werken einerseits mit Malergenies wie Dürer und Rembrandt verbunden zeigt, andererseits Farbgebung und Pinselstrich der französischen Impressionisten verinnerlicht zu haben scheint, aber auch mit oft drastischem Naturalismus Alltagsszenen auf die Leinwände bannt, ist schwierig - wie es sich auch im Untertitel der Schau zeigt: "zwischen Impressionismus und Expressionismus".
Zwei kunstgeschichtliche Schlagworte, von denen natürlich keines der kraftstrotzenden Malerei Corinths wirklich gerecht wird, auch wenn Paul Cassirer 1904 mit Blick auf die neugegründete Berliner Secession um Corinth, Liebermann und Slevogt von den drei Künstlern als "Triumvirat des deutschen Impressionismus" spricht. Die Stärke der Pariser Schau liegt darin, dass sie nicht etwa nur nach Beweisen für den Einfluss der französischen Impressionisten auf Corinth sucht - Vergleichsbeispiele vor allem von Manet fänden sich im Musée d’Orsay natürlich viele - , sondern dass sie die künstlerische Bandbreite und handwerkliche Meisterschaft Corinths gebührend ausbreitet.
Die Ausstellung ordnet die Werke Corinths in erster Linie nach den von ihm behandelten Themen. Sein erzählerisches Talent triumphiert in biblischen Sujets wie der "Salomé"-Darstellung von 1900, in der die Rachsüchtige den abgetrennten Kopf des Johannes eingehend begutachtet. Schonungslos zeigt Corinth 1907 "das große Martyrium" mit einem Realismus, der den Zuschauer beinahe physisch das Ans-Kreuz-Nageln des Schächers miterleben lässt.
Der lebensgroß wiedergegebene "geblendete Simson" von 1912 tastet sich gefesselt und blutverschmiert auf den Bildbetrachter zu. Corinth verarbeitet hierin seinen ein Jahr zuvor erlittenen Schlaganfall, der ihm eine Teillähmung beschert hatte, die unter anderem für den pastoseren Farbauftrag seiner späteren Werke verantwortlich war.
Vor allem Corinths Selbstbildnisse werden das französische Publikum in Erstaunen versetzen. In der Rolle des gepanzerten Fahnenträgers, weinselig als grölender Bacchus neben seiner halb entblößten Frau, als selbstbewusster Maler mit Aktmodell oder vom nahen Tod bereits gezeichneter alter Mann zeigt sich Corinth der Nachwelt. Beim großformatigen Bildnis der "Geigenspielerin" erlaubt sich Corinth neben der eher konventionellen Schilderung der Gesichtszüge ein Farbenfeuerwerk bei der Wiedergabe des Kleides, das den Expressionismus vorwegnimmt.
Seine Landschaftsbilder, die fast ausschließlich den bayerischen Walchensee in der Tradition der Impressionisten zu unterschiedlichen Tages- und Jahreszeiten zeigen, wirken geradezu bieder am Ende eines Parcours, der den Triumpf der großen Malerei feiert. Die einzigen Wermutstropfen stellen die größtenteils miserabel reproduzierten Farbabbildungen des Ausstellungskatalogs dar. Ein Grund mehr, die vorzügliche Schau bei ihren beiden nächsten Stationen in Leipzig und Regensburg nochmals zu besuchen.
Die entblößte Schönheit neben ihm stellt seine 22 Jahre jüngere Frau Charlotte da, die häufig auf seinen Gemälden auftaucht. Über 80 Werke aus allen Schaffensphasen werden jetzt vom 1858 in Ostpreußen geborenen und 1925 in den Niederlanden gestorbenen Lovis Corinth gezeigt.
Lediglich zwei Bilder Corinths befinden sich in der ständigen Sammlung des Musée d’Orsay, des französischen Nationalmuseums für die Kunst des 19. Jahrhunderts: die Ölskizze eines schlafenden Mädchens und ein Bildnis des Kunsthistorikers und Schriftstellers Julius Meier-Graefe, der sich vom knapp zehn Jahre älteren Corinth 1917 portraitieren lässt. Der kritische Beobachter und Kommentator der deutschen Kunstszene Meier-Graefe erinnert sich an die Auftritte Corinths in Berlin:
"Es gehörte zu den Freuden des Berliner Winters, ihn tanzen zu sehen. Beim Souper hatte er immer zwei Karaffen vor seinem Teller. Er schwang den Becher, redete, machte sich beliebt. Der Rhythmus eines Eisbären mit kleinen roten Augen glitt übers Berliner Parkett."
Das Bild, das die Zeitgenossen von Corinth zeichnen, ist einhellig: der Lebemann, der sich gerne Alkohol und Vergnügungen hingibt, ist beliebt und gehört zu den erfolgreichsten Künstlern seiner Zeit. Der begehrte Porträtist der Münchner und vor allem Berliner Gesellschaft kurz nach 1900 beginnt seine Malerkarriere als Franz Heinrich Louis Corinth zunächst an der Akademie der Schönen Künste in Königsberg.
Es folgen Studienaufenthalten in München, Antwerpen und Paris, wo er sich das Pseudonym Lovis zulegt. Dem französischen Publikum einen Künstler vorzustellen, der sich in seinen Werken einerseits mit Malergenies wie Dürer und Rembrandt verbunden zeigt, andererseits Farbgebung und Pinselstrich der französischen Impressionisten verinnerlicht zu haben scheint, aber auch mit oft drastischem Naturalismus Alltagsszenen auf die Leinwände bannt, ist schwierig - wie es sich auch im Untertitel der Schau zeigt: "zwischen Impressionismus und Expressionismus".
Zwei kunstgeschichtliche Schlagworte, von denen natürlich keines der kraftstrotzenden Malerei Corinths wirklich gerecht wird, auch wenn Paul Cassirer 1904 mit Blick auf die neugegründete Berliner Secession um Corinth, Liebermann und Slevogt von den drei Künstlern als "Triumvirat des deutschen Impressionismus" spricht. Die Stärke der Pariser Schau liegt darin, dass sie nicht etwa nur nach Beweisen für den Einfluss der französischen Impressionisten auf Corinth sucht - Vergleichsbeispiele vor allem von Manet fänden sich im Musée d’Orsay natürlich viele - , sondern dass sie die künstlerische Bandbreite und handwerkliche Meisterschaft Corinths gebührend ausbreitet.
Die Ausstellung ordnet die Werke Corinths in erster Linie nach den von ihm behandelten Themen. Sein erzählerisches Talent triumphiert in biblischen Sujets wie der "Salomé"-Darstellung von 1900, in der die Rachsüchtige den abgetrennten Kopf des Johannes eingehend begutachtet. Schonungslos zeigt Corinth 1907 "das große Martyrium" mit einem Realismus, der den Zuschauer beinahe physisch das Ans-Kreuz-Nageln des Schächers miterleben lässt.
Der lebensgroß wiedergegebene "geblendete Simson" von 1912 tastet sich gefesselt und blutverschmiert auf den Bildbetrachter zu. Corinth verarbeitet hierin seinen ein Jahr zuvor erlittenen Schlaganfall, der ihm eine Teillähmung beschert hatte, die unter anderem für den pastoseren Farbauftrag seiner späteren Werke verantwortlich war.
Vor allem Corinths Selbstbildnisse werden das französische Publikum in Erstaunen versetzen. In der Rolle des gepanzerten Fahnenträgers, weinselig als grölender Bacchus neben seiner halb entblößten Frau, als selbstbewusster Maler mit Aktmodell oder vom nahen Tod bereits gezeichneter alter Mann zeigt sich Corinth der Nachwelt. Beim großformatigen Bildnis der "Geigenspielerin" erlaubt sich Corinth neben der eher konventionellen Schilderung der Gesichtszüge ein Farbenfeuerwerk bei der Wiedergabe des Kleides, das den Expressionismus vorwegnimmt.
Seine Landschaftsbilder, die fast ausschließlich den bayerischen Walchensee in der Tradition der Impressionisten zu unterschiedlichen Tages- und Jahreszeiten zeigen, wirken geradezu bieder am Ende eines Parcours, der den Triumpf der großen Malerei feiert. Die einzigen Wermutstropfen stellen die größtenteils miserabel reproduzierten Farbabbildungen des Ausstellungskatalogs dar. Ein Grund mehr, die vorzügliche Schau bei ihren beiden nächsten Stationen in Leipzig und Regensburg nochmals zu besuchen.