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Kraftwerk vor Italiens Küsten

Energietechnik. - Italien wäre eigentlich gut gerüstet, um erneuerbare Energien zu nutzen: Es scheint oft die Sonne, dennoch gibt es kaum Solaranlagen. Auch die Windenergie hat auf der Halbinsel wenig Fans: Die Windturbinen wirkten in Italiens Kulturlandschaften störend, heißt es. Bleibt das Meer: Von dort aus soll bald der Wind genutzt werden, um Italien mit umweltfreundlicher Energie zu versorgen. Ein Pilotprojekt im südlichen Apulien macht den Anfang.

Von Thomas Migge |
    Nicht nur im Winter kann es an der Küste bei der apulischen Hafenstadt Tricase ganz schön windig werden. An einen Strandspaziergang ist dann nicht zu denken. Die enorme Kraft des Windes im Südosten Italiens wird nun genutzt, um damit elektrische Energie zu erzeugen.

    Das britisch-niederländische Energieunternehmen Blue H Group errichtete auf dem stets windigen Meer vor der Küste von Tricase das weltweit erste Pilotprojekt einer schwimmenden Windturbine. Im vergangenen August installierten man die Ingenieure erste Windturbine. Im diesem Frühjahr dieses Jahres wird der erste Teil des Windparks in Betrieb genommen. Damit sollen rund acht Megawatt Strom erzeugt werden.

    Mitverantwortlich für den Bau der schwimmenden Windturbinen ist auch Gianni Sergi, Energieassessor der Region Apulien:

    "Was ich herausheben möchte: dass wir, wenn im Jahr 2012 der gesamte Windpark fertigestellt sein wird, zirka 90 Megawatt im Jahr zur Verfügung haben werden, was nichts anderes bedeutet, als dass wir die CO2-Emission in Apulien um rund 186 Millionen Tonnen im Jahr reduzieren können. Das ist sicher."

    Die Turbinen erheben sich auf stählernen Plattformen - wie man sie auch seit Jahren in der Erdölbranche nutzt. Für das Pilotprojekt an der Küste vor Apulien nutzt man sogenannte Tension Leg Platforms, TLP, zu deutsch: nachgiebige Plattformen. Das sind bis zu 300 Meter breite schwimmfähige Pontons. Bei den "Tension Legs" handelt es sich um eine Weiterentwicklung der klassischen Bohrinsel: Doch im Gegensatz zu dieser steht die Windanlage nicht fest im Wasser, sondern sie schwimmt. Sie kann auch zu einem anderen Einsatzort transportiert werden. Mit dem vor der apulischen Küste bis zu 300 Meter tiefen Meeresboden sind die Plattformen über gespannte Stahlseile verbunden - auch hier wie bei Ölplattformen, die nach dem TLP-Prinzip errichtet worden sind. Diese Verankerung macht die Plattformen auch bei auch bei Stürmen umsturzsicher. Je mehr Plattformen mit den bis zu 25 Meter hohen Windturbinen verbunden sind, umso geringer die Schwankungsbreite - die maximal bei eineinhalb Metern liegt, wenn zehn Plattformen miteinander verbunden sind. Der gewonnene Wechselstrom wird gebündelt über ein einziges flexibles Kabel, das auf dem Meeresgrund liegt, an Land transferiert.

    Auch die bei diesem Projekt zum Einsatz kommenden Windturbinen finden bereits Anwendung. Mit einem wesentlichen Unterschied: der Propeller der Windturbinen auf dem Meer verfügt nur über zwei anstatt drei Flügel. Das hat zwei Vorteile: Erstens wird die aufgrund ständiger Wellenbewegungen provozierte Unregelmäßigkeit in der Winderfassung besser aufgefangen; zweites stört der auf dem Festland durch nur zwei Flügel entstehende Lärm auf dem Meer niemanden.

    Dazu Energieingenieur Marco Feltini von der Universität Bari:

    "Ansonsten handelt es sich um kommerziell erhältliche Windturbinen. Die werden, wie ja auch die Plattformen, an Land angeliefert und auf den bereits zusammengesetzten Plattformen auf das Meer hinausgebracht. Gezogen von Booten. Auf dem Meer werden dann auch die Turbinen zusammengesetzt, so wie ganz normale Turbinen auf dem Festland."

    Die Generatoren zur Umwandlung von Wind- in elektrische Energie befinden sich ebenfalls auf den Plattformen und unterscheiden sich nicht von denen, die bei Landturbinen zum Einsatz kommen. Man benutzt bei diesem Pilotprojekt bewährte Technologien - nur dass man sie aufs Wasser bringt. Wenn möglich weit von der Küste entfernt, denn im offenen Meer können Winde weitaus stärker sein als in Küstennähe. Nicht ausgeschlossen ist, dass ähnliche Windfarmen auch in Offshore-Zonen des Mittelmeers errichtet werden - um dann den generierten Strom unabhängig von regionalen oder staatlichen Vorschriften zu verkaufen. Eine Windfarm wie vor der apulischen Küste soll es bald auch im Meer vor Sizilien geben. Wahrscheinlich in der Nähe des Kanals zwischen Kalabrien und Sizilien, wo ja schon der antike Seefahrer und Abenteurer Odysseus seine Probleme mit starken Winden hatte.