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Kramp-Karrenbauer vor Stockacher Narrengericht
Allein unter Männern

Bei der Wahl zur CDU-Parteivorsitzenden musste sich Annegret Kramp-Karrenbauer gegen zwei Männer durchsetzen. Vor dem Stockacher Narrengericht bot sie zwanzig Männern Paroli. Den Narrenkadi gibt es seit bald 700 Jahren. Er ist ein Höhepunkt der schwäbisch-alemannischen Fasnacht.

Von Thomas Wagner | 01.03.2019
Die Bundesvorsitzende der CDU, Annegret Kramp-Karrenbauer, steht vor dem Narrengericht und hält einen Plastikknochen in der Hand.
Vor dem Narrengericht bot CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer 20 Männern Paroli. (picture alliance/Patrick Seeger/dpa)
Weit mehr als 1000 Zuschauer ergötzen sich am Leid einer Frau, die in diesem Augenblick mit einem dicken Strick in einem Holzgatter in den riesigen Saal gefühlt wird: Annegret Kramp-Karrenbauer ist in diesem Jahr die Angeklagte vor dem Hohen Grobgünstigen Narrengericht zu Stockach. Trotz der Fesseln marschiert sie hoch erhobenen Hauptes in ihrem eleganten schwarzen Kleid vor das 20-köpfige, närrisch gekleidete Richtergremium. Nur das knallrote Käppi auf den Kopf der CDU-Chefin irritiert ein wenig:
"Wenn‘s nicht mehr ist und das schwarze Kleid bestimmend bleibt in der Großen Koalition gegenüber dem Käpple, kann man nichts dagegen haben."
Erwin Teufel, einst CDU-Ministerpräsident in Baden-Württemberg, gehört zu den prominenten Zuschauern einer Gerichtsverhandlung, die beginnt wie seit Jahren und Jahrzehnten – mit der Verlesung der Anklage.
"Die gewaltsame Kastration der CDU. Die Unterjochung und Zersetzung der Republik durch die saarländische Leid-Kultur."
Ankläger Wolfgang Reuther gibt den Narren-Macho:
"Es wird immer wieder behauptet, die CDU habe ein Frauenproblem. Natürlich hat sie das – bei diesen Frauen. Der klare Favorit bei der Wahl zum Parteivorsitzenden wurde letztlich in einer Stichwahl ‚ausgemerzt."
Und dann der Versuch, der Republik den Stempel saarländischer Leidkultur aufzudrücken – in dem Sinne, dass die ganze Republik darunter zu leiden habe:
"Erich Honecker, der hat die DDR ruiniert – und Oskar Lafontaine, der hat die SPD ruiniert. Was werden sie wohl dereinst im Saarland übers Annegret erzählen?"
Ein ausschließlich männliches Richtergremium - geht ja gar nicht
Bei solchen Anwürfen konnte Annegret Kramp-Karrenbauer nicht mehr innehalten. Auftakt ihrer Verteidigungsrede: Das Richtergremium nur mit Männern besetzt – geht gar nicht.
"Wann jemals in der Geschichte der Menschheit ist irgendetwas Vernünftiges dabei herausgekommen, wenn 20 Männer ohne Beteiligung einer Frau zusammen etwas beraten haben. Noch nie in der Geschichte, noch nie!"
Der Zuspruch des närrischen Gerichtspublikums kennt keine Grenzen:
"Und wenn diese Männer auch noch aussehen, als ob sie in der Originalbesetzung von 1351 zusammen sind,ja…."
Annegret Kramp-Karrenbauer hält kurz inne, genießt den Jubel, schaut dem närrischen Angeklagten Wolfgang Reuther an, der im bürgerlichen Leben als CDU-Landtagsabgeordneter auch Politiker war, bei der letzten Wahl aber unterlegen ist - und zwar, wie die Beklagte stolz anmerkt:
"…Gegen eine Frau, auch noch gegen eine grüne Frau. Ja da kann er ja fast eine Selbsthilfegruppe mit Friedrich Merz aufmachen, den Club der knapp Gescheiterten."
Dass die saarländische Leidkultur ganz Deutschland ihren Stempel aufdrücke, sei zudem ein parteiübergreifendes Phänomen – mit ganz pragmatischen Gründen:
"Heiko Maas ist nicht Außenminister geworden, weil er besonders viel Ahnung davon hat. Nein, Heiko Maas ist Außenminister geworden, weil die Flugbereitschaft gesagt hat, das sei das einzige, was sie noch von der Startbahn in die Luft bekommen mit dem Regierungsflieger - der ist leicht genug.
Was, nebenbei bemerkt, seit vergangener Nacht nicht mehr so ganz stimmt. Maas sitzt derzeit bekanntlich mit einem flügellahmen Regierungsflieger in Mali fest. Doch so sehr sich Annegret Kramp-Karrenbauer auch verteidigte: Es nutzte am Ende alles nichts. Das Narrengericht verurteilte sie zu drei Eimern Wein österreichischen Maßes, macht summa summarum 180 Liter. Narrenrichter Jürgen Koterzyna zeigte sich, was die Vollstreckung des Urteils anbelangt, zuversichtlich:
"Liebe Beklagte, wir sind froh, dass Ihr die erste Parteivorsitzende sein werdet, die ein ordentliches Gehalt bezieht. Eventuell kann die Partei das Gehalt noch etwas anheben. Und wir hoffen dann, dass sich das in der Qualität des Weines widerspiegeln wird!"