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Krank ohne Schein

Mit dem Malteser Migrantendienst gibt es in Köln einen Ort, wo Menschen ohne Krankenversicherung kostenlos behandelt werden. Das Angebot wurde vor einem Jahr für ausländische Kranke gegründet, die illegal in Deutschland leben und keine Krankenversicherung haben. Ein Drittel der Patienten sind jedoch inzwischen Deutsche.

Von Andrea Lueg |
    "Es ist nicht sehr angenehm, man hofft, dass man gesund bleibt, dass man nicht zum Arzt gehen muss, wenn irgendetwas passiert, irgendein Unfall, man weiß ja nie, wenn von heute auf morgen was passiert, ja was mach ich dann?"

    Martina M. , die ihren richtigen Namen lieber nicht im Radio hören möchte, ist geschiedene Mutter von drei kleinen Kindern und Existenzgründerin. Seit einem knappen Jahr hat sie keine Krankenversicherung mehr. Gemeinsam mit einer Freundin hat sie eine Betreuungseinrichtung für Kinder und Jugendliche gegründet, in der die Kids auch tanzpädagogisch gefördert werden. Die Gründung lief parallel zur Trennung von ihrem Mann über den sie in der AOK versichert gewesen war. Mit der Scheidung fiel dieser Schutz weg.

    "Als ich dann mich selbständig machen wollte, hab ich diesen Existenzgründerzuschuss beantragt, mit diesem Geld muss man dann seine Krankenversicherung und Rentenversicherung bezahlen und das sind halt 600 Euro und die 600 Euro haben nicht ausgereicht."

    Martina M.s Ich-AG brauchte länger als erwartet, bis sie in die Gänge kam und die 600 Euro monatlicher Zuschuss reichten hinten und vorne nicht.

    "Es hat sehr lange gedauert, bis wir da eröffnen konnten, eben dieses Jahr wo ich die 600 Euro bekommen habe, da hat nix geklappt und jetzt haben wir eröffnet, aber Geld verdienen wir noch gar nicht richtig, wir müssen die Miete von dem Raum, was wir da gemietet haben bezahlen und andere Kosten gibt es ja auch, selber verdienen wir noch gar nichts."

    So wie viele Selbständige versuchte Martina M. erstmal das Geschäft ans Laufen zu bringen und sparte zuerst bei sich selber - und auch bei ihrer Krankenversicherung Die Gründerin versuchte zwar zunächst, auch ihre Versicherungsbeiträge zu zahlen, aber das klappte schon nach ein paar Monaten nicht mehr. Die gesetzliche Versicherung schloss sie schließlich aus. Jetzt sitzt sie im Wartezimmer des Malteser Migrantendienstes in Köln. Seit einem Jahr behandelt Dr. Herbert Breker hier Menschen ohne Krankenversicherung.

    "Bei den Deutschen ist es so, dass da sehr verschiedene Gründe sind, es ist ein großer Teil von deutschen Menschen ohne Krankenversicherung, die verdienen einfach nicht mehr genug, das sind Selbständige, die einen Blumenladen haben oder einen Computershop oder ne Kneipe, die einfach nicht mehr genug abwirft. 700, 800, 900 Euro pro Monat Krankenversicherung sind nicht mehr drin, sei es privat oder auch freiwillig in der gesetzlichen Krankenkasse. Es gibt zunehmend Deutsche, die lange im Ausland gelebt haben, und hier keine Versicherung mehr finden, die sie aufnehmen. Es gibt Geschiedene, die mitversichert waren über den Ehepartner und mit der Scheidung sind sie nicht mehr versichert und zwei Monate nach der Scheidung sind sie aus der Krankenversicherung raus und finden dann so schnell keine mehr, in die sie aufgenommen werden können, denn nach unseren Gesetzen muss man ja keinen Patienten in die Versicherung aufnehmen. "

    Auch Studierende können betroffen sein, wenn sie zum Beispiel zu lange studieren oder den 30. Geburtstag hinter sich haben, denn dann sind sie nicht mehr über die Eltern mitversichert. Wer als Selbständiger aus der Gesetzlichen Krankenkasse rausfliegt, hat kaum Chancen wieder aufgenommen zu werden. Nur wer einen sozialversicherungspflichtigen Job aufnimmt und unter 55 Jahren ist hat diese Möglichkeit. Die private Krankenversicherung ist meist noch deutlich teurer als die gesetzliche und daher für Selbständige, die in finanzielle Bedrängnis geraten sind keine Alternative.

    Wer keine Versicherung hat, zögert meist sehr lange, bis er endlich zum Arzt geht - weil er nicht bezahlen kann und aus Scham, denn der Ausschluss aus der Versicherung steht für einen gewissen sozialen Abstieg.

    "Und das spiegelt sich in dem Krankheitsspektrum unserer Patienten wider. (...) Es sind schwere Erkrankungen bis zu schwersten und lebensbedrohlichen Erkrankungen. "

    Martina M. könnte sich, gäbe es Dr. Breker nicht, höchstens Arztbesuche bis 20 Euro leisten, sagt sie. In einem akuten Notfall müsste sie allerdings jeder Arzt und jedes Krankenhaus behandeln. Vorsorge oder regelmäßige ärztliche Untersuchungen fallen für sie aber flach, bis sie genug verdient, um sich wieder zu versichern. Wenn irgend möglich sollte man also versuchen, den Krankenversicherungsschutz zu erhalten. Dafür gilt vor allem: den Kopf nicht in den Sand stecken, wenn man die Beiträge nicht mehr zahlen kann, rät Sibylle Sahlmer vom Verband der Privaten Krankenversicherer:

    "Ich würde dringend empfehlen, sofort mit dem Versicherer Kontakt aufzunehmen. Die wollen auch nicht gerne kündigen, sondern wenn da wirklich ein Problem ist, sich melden, gar nicht erst auf die erste Mahnung warten, sondern sagen, es ist im Moment eng einfach, ich kann's nicht bezahlen und dann kann man sich auf irgendetwas verständigen."

    Für gesetzliche wie private Versicherer gilt in der Regel: sie haben kein Interesse daran, Mitglieder rauszuwerfen. Und es gibt ein paar Möglichkeiten, Engpässe zumindest für eine Weile zu überbrücken, ohne dass man gleich den Versicherungsschutz verliert.

    "Also beispielsweise eine Zahlungsvereinbahrung, dass man sagt, man setzt mal zwei Monate aus und zahlt es danach wieder nach. Man kann, wenn man seiner Sache sicher ist, also wenn man wirklich gesund ist, im Augenblick auch mal den Versicherungsschutz zum Ruhen bringen für ein paar Monate, bis der Engpass überbrückt ist, also es gibt da mehrere Möglichkeiten. Und die Versicherer arbeiten auch auf jeden Fall daran mit, wichtig ist, dass man sich meldet."