Archiv


Krank werden im Krankenhaus

Medizin. - Anfang Januar trat bundesweit ein neues Infektionsschutzgesetz in Kraft - und das sorgt an den Kliniken landauf, landab für einiges an Mehrarbeit: Denn vor allem Infektionen, die innerhalb der Kliniken auftreten, müssen nun erheblich genauer dokumentiert und wissenschaftlich ausgewertet werden. Zuvor reichte eine einfache Meldung über den Infektionsfall aus. Immerhin erleiden deutschlandweit rund vier Prozent aller Krankenhauspatienten eine Infektion durch Krankheitserreger innerhalb der Klinik. Über Gegenstrategien diskutieren rund 600 Experten aus dem In- und Ausland vom 28. bis 30. März auf dem 4. Ulmer Symposium "Krankenhausinfektionen", veranstaltet von der Universität Ulm und der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie.

    Ausgerechnet das Krankenhaus ist der Ort, an dem sich die hartnäckigsten und widerstandsfähigsten Krankheitserreger am wohlsten fühlen, obwohl sich das Fachpersonal nach Kräften bemüht, Bakterien und Viren den Garaus zu bereiten. Doch genau dies ist die Krux: Immer neue Antibiotika geben nur noch den Erregern eine Chance, die dagegen resistent sind. Sie breiten sich dann explosionsartig innerhalb der Klinik aus. "Diese Bakterien tragen zum anderen mit der Erbsubstanz so genannte mobile, bewegliche Elemente - Resistenzfaktoren - in sich", erklärt Professor Reinhard Marre von der Universität Ulm. "Diese Resistenzfaktoren können von Bakterium zu Bakterium weitergegeben werden." Insbesondere diese Fähigkeit bereitet den Medizinern Kopfzerbrechen.

    Eine der Gegenstrategien lautet: Manchmal kann ein Weniger an Antibiotikum ein Mehr an Gesundheit für die Patienten bedeuten. "Durch eine Rücknahme der Antibiotika-Therapie auf die Fälle, wo es wirklich erforderlich ist, wird der Selektionsdruck auf die Bakterien reduziert", so Marre. Damit wird verhindert, dass sich die Resistenzen ausbreiten. Auch bei der Entwicklung der Antibiotika setzen die Forscher an. Sie verändern nicht nur ehemals erfolgreiche Mittel, die allmählich wegen der zunehmenden Resistenzen abstumpfen, in ihrer chemischen Struktur. Daneben entwickeln sie in ihrer Struktur völlig neue Substanzen mit neuen Wirkungsstrategien. "Sehr häufig versucht man, über Kombinationen von zwei wirksamen Substanzen zu verhindern, dass sich Resistenzen entwickeln", berichtet Marre. Gegenüber einer Substanz resistent zu werden, das gelingt vielen Bakterien noch, aber gegen zwei Substanzen gleichzeitig, das überfordert zum Glück fast alle.

    [Quelle: Thomas Wagner]