Archiv


Krankenhaus für Nager mit Erbdefekten

Medizin. - Am GSF-Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit in Neuherberg bei München gibt es eine so genannte Mausklinik. Die Mäuse, die hier untersucht werden, sind unter anderem Knock-out-Mäuse aus der ganzen Welt, die also erst durch die menschliche Intervention krank wurden. Professor Martin Hrabé de Angelis ist Leiter der Mausklinik und beschreibt die Forschung im Gespräch mit Grit Kienzlen.

    Kienzlen: Herr Professor Hrabé de Angelis, inwieweit hat denn Ihre Arbeit mit der der Nobelpreisträger zu tun?

    Hrabé de Angelis: In der deutschen Mausklinik, die wir hier am GSF-Forschungszentrum betreiben, haben wir viele so genannte Patienten, also Mäuse, die durch die Genverlust, also durch einen Knock out, die Technologie, die hier bepreist wurde, erstellt worden sind. Das heißt, Knock-out-Mäuse kommen aus aller Welt auch hier nach München, um hier untersucht zu werden, was denn nach diesem Gen-Austausch, nach diesem Knock-out geschehen ist mit diesen Tieren.

    Kienzlen: Und was machen Sie da genau?

    Hrabé de Angelis: Das ist ein Konsortium von 14 verschiedenen Gruppen, die, jede Gruppe für sich in ihrem Indikationsgebiet, Spezialistinnen oder Spezialisten sind. Das Indikationsgebiet geht von Herzkreislauf-Erkrankungen über immunologische Erkrankungen, Knochen-/Knorpelerkrankungen, alles was Sie so kennen an Abteilungen auch in einem normalen, in einer normalen Diagnostikklinik. Und diese Tiere werden hier eingeschleust, und dann wird untersucht, ob in diesen verschiedenen Indikationsgebieten nach einem Gen-Knock-out, also man hat das Gen abgeschaltet, dann eine Veränderung zu finden ist.

    Kienzlen: Das heißt, mit anderen Worten untersuchen Sie dort, welche Konsequenzen die Technologie, die die drei Nobelpreisträger entwickelt haben, für diese Tiere hat?

    Hrabé de Angelis: Genau. Die Technologie des Knock-outs ist eine Technologie, mit der ich Gene abschalten kann. Und danach muss man natürlich herausfinden, was ist denn nun die Konsequenz, wenn ich ein bestimmtes Gen abschalte, in Bezug auf seine Funktion, und versucht dann zurück zu schließen aufgrund der Veränderungen an den Tieren, welche Funktion das Gene nun spielt.

    Kienzlen: Haben Sie denn nun jemals mit den drei Nobelpreisträger darüber gesprochen, wozu ihre Technologie geführt hat?

    Hrabé de Angelis: Natürlich bespricht man sich. Ich kenne den Oliver Smithies von meiner postdoc-Zeit noch in den USA, wo er regelmäßig an dem Labor, am Jackson-Laboratory, vorbeikam, wo ich war. Und da traf man sich natürlich nach dem Seminar, hat auch über solche Dinge entsprochen.

    Kienzlen: Was war das für ein Typ?

    Hrabé de Angelis: Oliver Smithies ist ein mittlerweile über achtzigjähriger sehr agiler, geistig voll fähiger und fitter Mensch, der immer vor lauter Ideen sprüht. Es macht große Freude, sich mit ihm zu unterhalten, ist aber von seiner Art sehr, sehr locker und zugänglich, also es gibt da keine Grenzen, wo er sagen würde, das ist jetzt ein technician oder ein Doktorand, oder ein Post doc, oder das ist der Direktor, deswegen muss ich mich jetzt anders verhalten.

    Kienzlen: Was ist mit den anderen beiden? Warum hört man von denen weniger?

    Hrabé de Angelis: Also Mario Capecchi ist ja auch sehr aktiv, nach wie vor. Wie auch Oliver Smithies. Also wissenschaftlich, publiziert nach wie vor hervorragend, und man muss ja sich vorstellen, dass die Entdeckung oder Erfindung dieser Technologie nun fast 30 Jahre zurückliegt. Aber er ist etwas verschlossener von seiner Art, Eher etwas reservierter, was er seinen wissenschaftlichen Meriten überhaupt keinen Abbruch tun, aber er ist einfach ein anderer Typus Mensch.

    Kienzlen: Und der Herr Evans?

    Hrabé de Angelis: Den Evans kenne ich jetzt persönlich nicht, ich habe ihn zwar auf einem Meeting mal sprechen gehört, aber habe jetzt nicht so den direkten Kontakt, deswegen kann ich dazu jetzt nicht viel sagen.

    Kienzlen: Die Technologie, die Martin Evans entwickelt hat, ist die Grundlage gewesen für das, was man heute in der Stammzell-Technologie auch anwendet, um menschliche embryonale Stammzellen zu züchten. Glauben Sie, dass diese Tatsache ein Grund war, warum das Nobelpreiskomitee so lange gewartet hat mit der Auszeichnung, die Umstrittenheit der Stammzellforschung?

    Hrabé de Angelis: Also, die Bepreisung, die wir dieses Jahr ja haben, in Bezug auf eine Technologie, die auch nur mit embryonalen Stammzellen der Maus möglich ist, hat glaube ich nicht damit zu tun, dass ethisch ja bei Menschen das Thema sehr, sehr umstritten ist. Ich kenne es selbst, ich habe selbst zwei Jahren mit einem Nobelpreisträger in einem Haus wohnen dürfen, mit dem George Snell, dessen Arbeiten, für die er den Nobelpreis bekommen hat, haben auch 20 Jahre vorher stattgefunden, 25 Jahre vorher stattgefunden. Insofern ist das eigentlich nichts Ungewöhnliches.

    Kienzlen: Das stimmt, aber die RNAi-Technologie zum Beispiel, die sehr viel jünger und ist letztes Jahr schon ausgezeichnet worden. Eine Technologie, die in eine sehr ähnliche Richtung sogar geht, insofern, als eben auch Gensegmente ausgeschaltet werden.

    Hrabé de Angelis: Das passt insofern zusammen, als dass diese beiden Preise, sie sich so im großen Rahmen der Genveränderung, Genregulation ja abspielen. Das heißt, das Verständnis von genetischen Elementen oder Genen war auch im Prinzip letztes Jahr bepreist worden, und so ist es dieses Jahr auch wieder, wobei diese drei Personen schon längere Zeit immer wieder als Namen gehandelt worden sind. Insofern ist das Jetzt nicht so überraschend ist, dass das jetzo kommt. Das war nur eine Frage der Zeit.