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Krankenkassen senken Beitragssätze

Durak:: Wie in den Nachrichten gehört: Die Barmer Ersatzkasse hat eine Senkung des Beitragssatzes angekündigt. 14,9 Prozent beträgt jetzt der Beitragssatz, er werde sich in Richtung 14 Prozent bewegen, erklärte deren Vorsitzender. Und auch die kaufmännische Krankenkasse hat dies angekündigt. 14,8 sind es jetzt, es sollten weniger werden, bis zu ein Prozentpunkt sogar könnte der Beitrag runtergehen. Mitgehört hat Rolf Stuppardt, Bundesvorsitzender der Innungskrankenkassen. Guten Morgen, Herr Stuppardt.

    Stuppardt: Guten Morgen, Frau Durak!

    Durak:: Werden Sie denn die Beiträge senken?

    Stuppardt: Also, es wird sicherlich eine ganze Anzahl von Innungskrankenkassen geben, die auch ihre Beiträge senken können. Das liegt aber daran, dass die Krankenkassen - in Deutschland gibt es ja über 300 - eine völlig unterschiedliche Kostendeckungspolitik in der Vergangenheit gemacht haben. Es ist nicht so, dass die Beitragssätze künstlich hoch gehalten werden, sondern sie sind eher künstlich niedrig gehalten, weil im Gegensatz zu den Ärzten, Krankenhäusern und Zahnärzten herrscht ja bei den Krankenkassen Wettbewerb. Und es ist natürlich keine Frage, dass sich niemand mehr wünscht, einen Beitragssatz senken zu können, als die Krankenkassen. Die Frage ist halt eben nur: Läuft das weiter auf Pump? Oder läuft dies generell auf der Basis der Sanierung der finanziellen Verhältnisse bei den Krankenkassen? Denn die Liquiditätslücke, die wir heute haben insgesamt in Deutschland über alle Krankenkassen hinweg, liegt etwa bei 0,8 Beitragssatzpunkten. Und wegen der Ankündigung, dass ja 8,5 Milliarden zu Lasten der Versicherten letztendlich mit dieser Reform veranlasst worden sind, dann könnte ich mir vorstellen, dass noch viele Versicherte und Patienten in diesem Jahr versuchen, Leistungen zu bekommen, die sie vielleicht ab dem nächsten Jahr nicht mehr bekommen werden, so dass das Defizit in diesem Jahr vielleicht auch noch einmal anwachsen wird, so dass sich unter dem Blickwinkel einer Sanierung der Finanzverhältnisse bei Krankenkassen im Durchschnitt überhaupt kein Spielraum für einen Beitragssatzsenkung ergibt.

    Durak:: Ist denn diese Gesundheitsreform überhaupt dafür gedacht, die Krankenkassen zu sanieren. Ich denke eher nicht.

    Stuppardt: Natürlich ist sie dazu gedacht, die Krankenkassenfinanzen zu sanieren, weil nur auf der Grundlage einer ausgeglichenen Einnahmen- und Ausgabenpolitik mit Blick auf die Zukunft auch immer seriös ein vernünftiger Beitragssatz festgelegt werden kann. Und das ist ja das, was in der Vergangenheit eher nicht gelaufen ist, weil auch die Aufsichten zum Teil beide Augen zugedrückt haben, insbesondere bei den sehr großen Krankenkassen, die auch jetzt wieder Senkungen angekündigt haben, obwohl sie einen sehr hohen Anteil ihrer Einnahmen über Verschuldung finanzieren mussten. Und wenn das politische Ziel, was Herr Seehofer und Frau Schmidt jetzt verständlicherweise verfolgen wollen, den durchschnittlichen Beitragssatz aller Krankenkassen auf 13,6 Prozent zu senken, dann geht das eben nur über eine Neuverschuldung in Höhe von sechs bis sieben Milliarden Euro über alle Krankenkassen hinweg. Und es kann gar nicht darum gehen, dass wir in irgendeiner Weise uns aus Gründen, die neben der Sache liegen, verweigern, Beitragssätze zu senken. Wir müssen den Menschen reinen Wein einschenken. Und wir können den Versicherten nicht versprechen, was man nicht einhalten kann, denn wir sind ja auch mit dem Kreditverbot an Gesetze gebunden.

    Durak:: Wenn Sie nun per Gesetz gezwungen würden, auf 13,6 Prozent zu senken, müssten Sie dem ja wohl folgen.

    Stuppardt: Ja, das hat aber schon in der Vergangenheit nicht funktioniert. Man kann nicht auf gesetzlicher Ebene der Wirklichkeit verbieten, Wirklichkeit zu sein.

    Durak:: Ist es denn nicht bei der Pflege- und der Arbeitslosenversicherung so, dass das per Gesetz geregelt wird?

    Stuppardt: Ja, das ist natürlich immer wieder ein politischer Eingriff, der dann zu Lasten der Kassenfinanzen geht. Und wenn man das politisch will, dann wird natürlich die Selbstverwaltung der Krankenkassen deutlich machen müssen, wie die Rechnung aussieht, wenn Einnahmen und Ausgaben ausgeglichen sind, und was die Politik will, dass man nämlich dann auf Verschuldung oder auf Pump noch weiter reduziert. Und das ist eine Politik, die schon in der Vergangenheit nicht erfolgreich gegriffen hat.

    Durak:: Wie würden Sie, die Innungskrankenkassen, die Sie ja vertreten, also wie würden Sie eine Neuverschuldung, vorausgesetzt sie wäre notwendig, abfangen? Durch Leistungskürzungen? Ausgliederung?

    Stuppardt: Nein, eine Verschuldung der Krankenkassen ist in der Vergangenheit eben von allen Krankenkassen dahingehend bekämpft worden, dass natürlich auf große Wirtschaftlichkeit bei den Leistungen geguckt wird. Es fehlt uns ja geradezu, und das war ja das, was wir in der Reform erwartet haben, dass wir mehr Wirtschaftlichkeit bekommen, mehr Wettbewerb auf der Leistungsanbieterseite, das heißt zwischen Zahnärzten und zwischen Apotheken, dass wir bessere und preiswertere Medikamente brauchen, dass wir mehr Qualität in der Versorgung brauchen, nicht so viele Doppel- und Dreifachuntersuchungen. Das war das Bemühen der Krankenkassen in der Vergangenheit. Und ich kann nur davor warnen, einen Beitrag nicht ausgeglichen festzusetzen.

    Durak:: Ja, wie können Sie überhaupt reagieren?

    Stuppardt: Wir können reagieren, indem wir weiterhin die Wirtschaftlichkeit unseres Handelns sehr konsequent verfolgen, aber das, was heute vorliegt, ist halt eine Reform, die nicht unbedingt zu einer Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse und der Versorgung beiträgt, und die im Grunde genommen auch keine gerechte Lastenverteilung darstellt.

    Durak:: Ich muss noch einmal nachfragen, weil ich es nicht verstanden habe, Herr Stuppardt. Wie werden die Innungskrankenkassen darauf reagieren, wenn die Schulden steigen müssen durch die 13,6 Prozent per Gesetz?

    Stuppardt: Ja, die Innungskrankenkassen müssen genauso wie alle anderen Krankenkassen dies dann nachvollziehen, werden aber den Aufsichten, die das ja zu genehmigen haben, deutlich machen müssen: Nach den gesetzlichen Vorgaben, die wir haben, wie die Einnahmen und wie die Ausgaben ausgeglichen aussehen werden, und wie dann der Beitragssatz aussieht. Und dies wird dann sicherlich zu einer politischen Auseinandersetzung dergestalt im Einzelfall führen müssen, dass den Krankenkassen sozusagen der wirkliche Beitragssatz nicht genehmigt wird. Und das wäre dann wieder die Verantwortung der Politik.

    Durak:: Dankeschön Rolf Stuppardt, Bundesvorsitzender der Innungskrankenkassen.

    Link: Interview als RealAudio