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Krankheit im Bild

Matteo Garrone ist als Regisseur von "Gomorrha", der kongenialen Verfilmung von Roberto Savianos Doku-Bestseller international bekannt geworden. "Gomorrah" zeigte eine Welt aus den Fugen, eine kranke Welt. Nun hat Garrone ein Filmfestival aus der Taufe gehoben, bei dem sich alles um das Thema Krankheit dreht.

Von Thomas Migge | 14.04.2010
    Didone ist ihr Name, ein mythologischer Name. Sie taucht in einem italienischen Heute auf und erklärt, dass sie die Wiedergeburt der legendären Königin aus Karthago sei. Didone sucht Äneas, den griechischen Helden, in den sie sich einst verliebte und der sie schmählich verließ, um nach Italien zu gelangen.

    Der Film "Dido" von Francesco Randazzo, der im sizilianischen Siracusa gedreht wurde, erzählt mittels des Mythos einen Fall von Schizophrenie und geistiger Verwirrung. Nicht alle Filme, die auf dem ersten internationalen Festival des pathologischen Festivals in Rom gezeigt wurden, behandeln das Thema Krankheit auf eine so poetische Weise.

    In "Volo di dio" von Francesca Garcea von 2009 geht es dramatischer zu. Die junge Zoe wird in eine psychiatrische Klinik eingeliefert, wo sie Giordy kennenlernt. Die beiden Frauen freunden sich an. Der Film schildert die trostlose Situation vieler psychiatrischer Anstalten in Italien, in denen es häufig unmenschlich zu geht, in denen Patienten an ihre Betten gefesselt oder in Kellerräume eingesperrt werden.

    Das Festival des pathologischen Films thematisierte viele Formen von Krankheiten. Die Filme von Eva Bajaseviv, "Stranger than playing", "Safira" von Carlo Reho und vielen anderen Autoren greifen das Thema Pathologie auf sehr unterschiedliche Weise auf, aber im Zentrum ihrer Arbeiten stehen immer Krankheiten und der Umgang mit ihnen.

    Matteo Garrone ist der Präsident des neuen Festivals. Als Regisseur des Films "Gomorrha" nach dem gleichnamigen Reportagebuch des italienischen Journalisten Roberto Saviano, ist er auch im Ausland ein Begriff:

    "Uns ist klar geworden, dass das Thema Krankheit in Italien im Film so gut wie gar nicht oder nur sehr selten thematisiert wird. Vielleicht ist das allgemeine Desinteresse auch der Grund dafür, dass unsere Krankenhäuser so mies verwaltet werden. Mit unserem Festival wollen wir uns dieser Realität stellen."

    Garrone selbst hat vor einigen Jahren in Italien mit einem Film zum Thema Magersucht für Aufsehen gesorgt.

    Zum ersten Mal wurde in Italien dieses Thema schonungslos in einem Film behandelt. Nach wie vor sind solche Filme eine Ausnahme. Auch die meisten der während des Festivals gezeigten Arbeiten sind keine Produktionen für das große Kino. Es handelt sich primär um ein Autorenkino, das fast ausschließlich in kleineren Filmklubs gezeigt wird.

    Dieses Mattero Garrone zufolge Desinteresse an der Darstellung von Krankheiten im Film verwundert, denn Italien verabschiedete 1978 ein international einmaliges und für großes Aufsehen sorgendes Gesetz, mit dem fast alle Nervenheilanstalten geschlossen wurden, infolge zahlloser Skandale, bei denen es um die Misshandlung Kranker ging. Damals war die Frage des Umgangs mit psychisch Kranken Thema Nummer eins der öffentlichen Debatte. Heute ist es ein Randthema, obwohl Tausende von Kranken auf der Straße leben und sich niemand um sie kümmert. Auch dies eine Realität, die von Film- und Theatermachern aufgegriffen wird. Auch von Dario D'Ambrosi.

    D'Ambrosi ist einer der Vorreiter des so genannten pathologischen Theaters und Films. Am kommenden 13. Mai, dem Jahrestag des Gesetzes zur Auflösung der Nervenheilanstalten, kommt sein neuer Film ins Kino. "Die unglaubliche Geschichte Antonios" erzählt von einem jungen Mann, der, weil er anders als die anderen war, nämlich geistig verwirrt, jahrelang in einen Hühnerstall gesperrt wurde. Schließlich landete er in einer Anstalt und vegetierte noch einige Jahre unter unmenschlichen Zuständen dahin. Eine wahre Geschichte, die ein trauriges Licht auf die Situation vieler psychiatrischer Anstalten der 60er- bis 80er-Jahre in Italien wirft.

    Einige der Filme des Festivals, primär aus Staaten des ehemaligen Ostblocks, schildern solche Zustände auch aus noch existierenden Nervenheilanstalten.

    "Deshalb haben wir uns entschieden ein solches Festival zu machen, Filme auszuwählen, die nicht beschönigend, sondern hart an der Realität die Dinge zeigen, wie sie sind. Keine Filme zum Weinen, sondern zum Wut machen. Wut auf diese Zustände. Also ein Festival ganz gezielt mit einer gesellschaftspolitischen Absicht."