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Kratzfest und reibungsarm

Bionik. - Die Haut von Sandfischen ist außerordentlich widerstandsfähig und erzeugt weniger Reibung als beispielsweise Metall. Das könnte eines Tages dazu beitragen, Technik vor Verschleiß zu schützen. Jetzt ist es einem Team von Aachener Wissenschaftlern erstmals gelungen, die besondere Widerstandsfähigkeit der Sandfischhaut auf technische Oberflächen zu übertragen.

Von Ingo Wagner |
    Die sogenannten Sandfische sind Echsen, die in Wüstengebieten wie der Sahara leben. Ihren Namen haben die Reptilien durch ihre besondere Art der Fortbewegung bekommen. Sie schwimmen förmlich im Sand, ganz ähnlich wie ein Fisch im Wasser. Wenn Gefahr droht, graben sie sich blitzschnell ein und warten unter der Oberfläche ab.

    Das ist auch der Grund warum Werner Baumgartner, Professor für zelluläre Neurobionik an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen, für einige Zeit im Sand seines Terrariums wühlen muss, wenn er eine der Echsen herausholen will. Der Wissenschaftler kann den Sandfisch bequem mit einer Hand festhalten. Er ist nur etwa 20 Zentimeter groß. Die Haut ist rötlich-gelb gefärbt, wodurch er in seiner natürlichen Umgebung ausgezeichnet getarnt ist. Doch Werner Baumgartner interessiert vor allem die besondere Widerstandsfähigkeit der Haut seines Sandfisches.

    " Die Sandfischhaut zeichnet sich zum einen durch eine sehr geringe Reibung für Sand und auch andere Materialien aus. Und das andere ist, diese Sandfischhaut ist extrem verschleißfest, das heißt, Sand zerkratzt diese Sandfischhaut nicht. "

    In Versuchen konnte nachgewiesen werden, dass diese Haut weniger Reibung zulässt als Glas, Kunststoff und sogar Metall. Diese Eigenschaften haben Professor Baumgartner und sein Team erstmals auf Glas und Kunststoff übertragen. Die Wissenschaftlerin Friederike Saxe ist stolz darauf, dass dieser Versuch gelungen ist:

    " Zunächst wurde die Sandfischhaut mit chemischen und physikalischen Methoden gelöst und aus dieser Lösung hat man dann die Bestandteile der Sandfischhaut auf eine andere Oberfläche aufgebracht und hat dann festgestellt, dass die neue Oberfläche genau die gleichen Eigenschaften hatte, wie die ursprüngliche Sandfischhaut. "

    Dabei konnte auch eine ältere Theorie widerlegt werden. Ursprünglich gingen Wissenschaftler nämlich davon aus, dass für die einzigartige Widerstandsfähigkeit der Sandfische vor allem winzige kammartige Strukturen auf ihrer Haut verantwortlich waren.

    " Als man dann aber die Sandfischhaut aber ohne diese Strukturen nachgebildet hat, waren die Eigenschaften, also die Abriebfestigkeit und der geringe Gleitwiderstand noch vorhanden. "

    Doch woher kommt nun die besondere Widerstandsfähigkeit dieser Haut? Auch dieses Rätsel konnten die Wissenschaftler inzwischen lösen. Die Antwort liegt auf der molekularen Ebene. Die Sandfischhaut enthält bestimmte Zuckermoleküle, die sie gegen Reibung und Verschleiß resistent machen.

    " Man hat das im Experiment gezeigt, indem man die Zucker entfernt hat und dann die restliche gelöste Haut wieder auf eine Oberfläche aufgebracht hat und man hat halt gesehen, dass die besonderen Eigenschaften, diese Abriebfestigkeit, nicht mehr vorhanden war! "

    Und durch diese Erkenntnis ist man einer technischen Anwendung schon ziemlich nahe gekommen. Denn bestimmte Zuckermoleküle künstlich herzustellen, ist gar nicht so schwierig, so Professor Baumgartner:

    " Wenn wir jetzt das Biomolekül genau identifiziert haben, dann gibt es jetzt schon technische Methoden, um diese artifiziell herzustellen, biotechnologisch, und wenn wir mal so weit sind, wird es eben in großtechnischem Maßstab synthetisiert, dieser Zucker, und auf diese technischen Oberflächen übertragen. "

    Und Werner Baumgartner kann sich eine Menge Anwendungsmöglichkeiten für neue, reibungsresistente Oberflächen vorstellen.

    " Zum Beispiel könnten Sonnenkollektoren beschichtet werden, um gegen Verschleiß durch Sandflug resistent gemacht zu werden. Oder Autolacke könnten kratzfest gemacht werden. Berührungsbildschirme könnten verschleißfest gemacht, Schmutzwasserpumpen könnten gegen Abrieb beständig gemacht werden, und das wäre natürlich ein großer Fortschritt für die Technik. "

    Nach Schätzungen von Experten gehen allein in Deutschland zwei bis fünf Prozent des Bruttosozialproduktes jährlich durch Reibung und Verschleiß verloren. Doch bis technische Oberflächen dagegen so gut geschützt sind wie die Haut eines Sandfisches, muss die Forschung noch einen weiten Weg zurücklegen. Werner Baumgartner geht davon aus, dass mit dem industriellen Einsatz frühestens in fünf Jahren zu rechnen ist.