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Krawallschachtel macht Sommertheater

Rolf Hochhuth ist ein Publizist, der mit seinen politischen Themen und Thesen zu Recht viel Aufsehen erregt hat. Doch das Drama dieses Autors ist, dass er auch ein Dramatiker sein will und sein immenses dokumentarisches Material zu Erklär- und Deklariertheater-Formen montiert.

Von Hartmut Krug | 24.08.2009
    "Sommer 14. Ein Totentanz", füllt mehr als 400 Buchseiten und die Spielfassung der Wiener Uraufführung im Jahr 1990 umfasst noch immer 220 Seiten. Der Moralist Hochhuth kennt auch als Dramatiker immer nur eine, seine, Wahrheit. So sind seine mit aufklärerischem Furor geschriebenen Theaterstücke von einer Holzhammer-Eindeutigkeit geprägt, die die Figuren zu Thesenträgern und Textvermittlungsmarionetten verformt. Da bleibt dem Zuschauer nichts, als einverständig zu nicken und/oder betroffen zu sein.
    Schon seit Langem interessieren sich kaum noch Regisseure für Hochhuths mechanistisches Behauptungstheater. Auch "Sommer 14" ist nach der Uraufführung nur noch einmal, im Theater Greve, inszeniert worden. Mittlerweile muss Rolf Hochhuth Aufführungen seiner Stücke selbst finanzieren oder sogar selbst inszenieren, - wenn man ihn mit "Sommer 14" nicht auf "seine" Bühne im BE lässt, dann eben im großen Saal der Berliner Veranstaltungsinstitution Urania.

    Das Stück über die Entstehung des 1.Weltkriegs besitzt weder eine durchgehende Handlung noch eine Hauptfigur oder sich entwickelnde Figuren. Beginnend im März 1914 mit der Ermordung des für einen Krieg kämpfenden Chefredakteurs des "Figaro" durch die Gattin des kriegsunwilligen Finanzministers, und endend mit der deutschen Mobilmachung am 1. August mit Kaiser Wilhelms Behauptung "Ich kenne keine Parteien mehr, nur noch Deutsche", wird in 11 Szenen mit Waffenproduzenten und Herrschenden aller beteiligten Nationen drei Stunden lang die eine These ausgebreitet, dass nämlich der 1.Weltkrieg von vielen gewollt und herbeigeführt wurde. Gespielt wird das, mit Klavierbegleitung eines am Bühnenrand postierten Pianisten, als historisierendes Kostümtheater, das zuweilen unfreiwillig komische Züge annimmt. Pickelhauben-, Ordens- und Sauerkraut-Backenbart-Träger stehen sich gegenüber und erklären sich, - in aufgesagten Texten, die wie Referate klingen. Die Szenen sind weder immer historisch korrekt noch immer chronologisch angeordnet. Es geht um die eine, anklagende Aussage: So wird in einer Szene der pazifistische Sozialist Jaurès erschossen, und in einer anderen Emile Zola, der bereits 1902 im Schlaf an einer Kohlenmonoxid-Vergiftung starb, von Attentätern, die ein Waffenfabrikant beauftragte, mithilfe der Verstopfung seines Ofens ermordet.

    Krieg und Geschichte werden bei Hochhuth von Mächtigen und Besitzenden gemacht und vom unschuldigen Volk erlitten. Deshalb treten zwischen den Szenen der Tod und die toten Opfer auf. In ihren ans Publikum gerichteten Monologen kommentieren und verurteilen sie Kriegstreiber und besingen das Leid der vielen namenlosen Toten, allerdings mit Texten, die wie traurige Poesiealbumssprüche klingen.

    Das Holzschnitthafte der Texte und das hölzerne Spiel der Schauspieler lassen Hochhuths Inszenierung wie engagiertes Liebhabertheater wirken. Dieses ästhetisch-theatralische Trauerspiel haben der Autor und sein Thema nicht verdient.