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Kreativ in der Kneipe

Referat plus Bier - das ist seit zwei Jahren das wirkungsvolle Konzept der Nerd Nites in München. Je drei Referenten sprechen über ausgefallene Spezialgebiete wie Angeltechniken oder die Geschichte der Interpunktion. Mit der Creative Nite bekommen jetzt auch Vertreter der Kultur- und Kreativwirtschaft eine Bühne.

Von Andi Hörmann | 09.12.2011
    Bierbänke, kreuz und quer im Raum verteilt. In der Ecke: Sofas. Ein kleiner Barausschank mit Bier und Longdrinks. Gegenüber wirft der Beamer eine Powerpoint-Präsentation auf die Wand. Erste Folie: "Creative Nite. Beginn: 20:15 Uhr."

    "Ich habe den Eindruck, es sind auch viele jüngere hier. Vermutlich auch Studenten. Optisch, sehr wahrscheinlich viele aus dem Kreativbereich. Aber ich denke mal, das ist ein Publikum zwischen 20 und 40. Das ist ein relativ junges Publikum."

    Katja Bathon, 35, freischaffende Bühnenbildnerin, stellt auf der ersten Creative Nite in München ihr aktuelles Projekt am Theater Osnabrück vor:

    "Ich durfte das Dschungelbuch ausstatten. Nicht nach Walt Disney, sondern nach dem Buch von Kipling."

    Von der Idee am Schreibtisch, über das erste zusammengeleimte Modell an der heimischen Werkbank bis hin zum fertiggestellten Bühnenbild: Katja Bathon gewährt den rund 100 Leuten im Publikum einen intimen Blick hinter die Kulissen ihrer Arbeit am Theater.

    "Es ist doch eher unüblich, über seine Arbeit zu erzählen oder den Prozess zu erläutern. Aber was ich auch ganz spannend finde, weil ich häufig gefragt werde: Baust du deine Bühnenbilder selber? Wo ich mir denke: hm, ne! Das Theater ist eine kleine Stadt in der Stadt, da gibt es ganz viele Handwerker. Und mit diesen Handwerkern baut man zusammen das Bühnenbild. Dementsprechend finde ich es auch wichtig, noch mal aufzuklären, was Theater ist, und wie Theater arbeitet."

    Patrick Gruban: "Es geht nicht darum, dass man der perfekte Präsentator ist, der die tollsten Slides hat. Sondern dass jemand, der mit Herzblut an einem Thema arbeitet, das auch vorstellt. Und das mit Begeisterung rüberbringt."

    Patrick Gruban hat sich die Creative Nite als eine Variation der Nerd Nite ausgedacht. Diese Veranstaltung für Hobbyspezialisten, die schon seit gut zwei Jahren in München mit Begeisterung angenommen wird. Das Konzept: Bühne, Bier und drei Referenten mit einem Spezialwissen um ein Thema, das weit über Wikipedia hinausgeht. Bei der Creative Nite stehen nun fünf Referenten auf der Bühne und erzählen über ihr kreatives Schaffen. Daniéle Brown designt Schmuck, Tobias Förtsch recycelt Aktenordner zu Taschen, Mario Klingemann schreibt Computerprogramme, die Kunst erzeugen. Kreative Köpfe, die auch Nerds sein könnten. Die 39-jährige Wahlmünchnerin Eleanor Mayrhofer führt mit dem Design von Hochzeitskarten ein Internetunternehmen von zuhause aus:

    "Meine kreative Arbeit ist überhaupt nicht nerdy, es ist eigentlich sehr girly."

    Kreatives Mädchen statt verkopfter Musterknabe. Mit der Nerd Nite steigen die Hobbyspezialisten dieser Stadt von ihrem Elfenbeinturm herab. Bei der Creative Nite werden die kreativen Köpfe nun auch aus ihrem stillen Kämmerchen hervorgelockt.

    "Ganz kurz zu meinem Hintergrund: Ich bin in Los Angeles geboren und Anfang der 90er-Jahre habe ich Grafikdesign studiert."

    "Potentiale der Stadt" ist der Untertitel der Creative Nite. So möchte die Veranstaltung auch erste Antworten auf die große Frage nach der von der Stadt bislang vernachlässigten Kultur- und Kreativwirtschaft in München geben. Der Fokus liegt dabei auch und vor allem gerade auf dem kommerziellen Erfolg der Projekte.

    "Uns geht es wirklich um den Marktaspekt und den Wirtschaftsaspekt. Auf der anderen Seite ist es uns auch wichtig, eben interessante Projekte zu haben. Also wenn jemand sozusagen die x-te Kopie von etwas macht, dann ist es für uns nicht interessant, sondern es soll in irgendeiner Form etwas Innovatives, Neues sein."

    Nach dem dritten Vortrag gibt es eine fünfzehnminütige Pause. An der Bar und auf den Toiletten wird ausgelassen über die kreativen Projekte des Abends diskutiert. Durch den Eingang kommt die 24-jährige Kaja Wiedemann im Winterparka etwas verspätet zur Veranstaltung. Sie studiert Kultur- und Musikmanagement in München und hat eine klare Vorstellung von der Creative Nite.

    "Ich finde es super! Es sind einfach aus verschiedenen Bereichen, verschiedenen Sparten, junge Leute, die einfach ihre Ideen vorstellen. Und ich denke davon kann man nicht genug mitbekommen oder hören, um verschiedene Denkanstöße zu bekommen. Acht Minuten dauern die Vorträge. Das ist auch recht kurz, prägnant. Ich denke, die werden nur wirklich das zeigen, was ihnen am Herzen liegt."


    Info

    Die nächste Creative Nite findet am 8. Februar 2012 statt. Die Nerd Nitegibt es inzwischen auch in Braunschweig, Erlangen, Leipzig und Berlin. In München findet sie zum nächsten Mal am 15. Dezember im Art Babel statt.