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Kreativität im Chaos - Paul Klee und das Jahr 1933

Der Titel der Ausstellung klingt dramatisch. Paul Klee und das Jahr ´33 in Deutschland. Zeitbezüge werden wach: Klees Diffamierung als Künstler, seine Entlassung als Professor und schließlich, Ende ´33, die Emigration in die Schweiz.

Von Walter Kittel | 07.02.2003
    Aber reflektiert auch Klees Werk die biographische Erfahrung? Verhält sich der Künstler in seiner Arbeit politisch? Und wenn, wie deutlich? Viele Fragen kommen durch die Fokussierung auf das eine Jahr auf. Der Eindruck von 100 Zeichnungen und einer kleinen Anzahl Bilder von 1933 bleibt ambivalent.

    Der Versuch das Zeitgeschehen und Schicksal des Künstlers mit seinem Werk zu verknüpfen, ist in dieser Ausstellung fast gänzlich den Betrachtern überlassen. Klees pointierte Titel geben immer wieder Anhaltspunkte: "gefesselter Sklave", "Anklage auf der Straße" oder "wenn die Soldaten Degenerieren" lassen vereinzelt die Brisanz der dargestellten Themen erkennen. Klee zeichnet fast durchweg in realistischem Duktus. Menschen und ihre Schicksale stehen im Mittelpunkt des Dargestellten. Andere Arbeiten haben Witz oder die Motivwahl fällt auf Tiere. Stilistisch ist das Konvolut der insgesamt 246 Arbeiten, von denen jetzt eine Auswahl gezeigt wird, auffällig einheitlich. Die New Yorker Kuratorin Pamela Kort hat die Ausstellung entworfen:

    1933 fing Klee an in einem fast völlig abstrakten Stil zu malen. Er experimentierte damit und schrieb seiner Frau davon in zahlreichen Briefen. Er malte etwa 60 abstrakte Zeichnungen und hörte dann plötzlich damit auf. Wir erkennen den Wechsel in der ersten Arbeit dieser Gruppe -Erneuerung der Manneszucht- von 1933, wo sein Stil figurativer wird. Wenn diese Arbeiten denn in der Tat als Darstellung der "nationalsozialistischen Revolution" gemeint waren, entschied sich Klee dafür, dies in einem figurativen Stil zu tun.

    Weshalb die Fokussierung auf das Jahr ´33 bei Paul Klee? Werden nicht die Erwartungen auf das "Politische" in seinem Werk zu hoch gesteckt. Die Ausstellung verfolgt hier eine bloß mündlich überlieferte Spur. Paul Klee soll selbst einen umfangreichen Teil seiner Arbeit von 1933 als Darstellung der "Nationalsozialistischen Revolution" bezeichnet haben. Bis dahin war Politik in Klees Werk nie ein großes Thema gewesen. Der Bildhauer Alexander Zschokke und Walter Kaesbach, bis ´33 Akademiedirektor in Düsseldorf, sollen überrascht gewesen sein, als Klee ihnen eine Mappe Zeichnungen vorlegte mit dem Hinweis, hier sei eine Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus geführt worden. Alexander Tschokke veröffentlichte seine Erinnerungen an diesen Abend bei Klee kurz nach Kriegsende. Paul Klee war schon tot. Besagte Zeichnungen wurden schließlich Mitte der 80er Jahre im Paul Klee Archiv als jene identifiziert, denen der Künstler die dezidiert politische Bedeutung zugewiesen haben soll. Es ist eine berechtigte und sicher glaubwürdige Überlieferung, auf deren Hintergrund Klees Arbeiten nun wahrgenommen werden. Die Auswahl der gezeigten Werke legt auch keine einseitige Schlussfolgerung nahe. Zeitkritische Werke wie etwa das Bild "Maske roter Jude" oder "von der Liste gestrichen" sind neben scheinbar politisch Belanglosem zu sehen, wie die Komposition "freundliches Spiel". Beim Rundgang wird deutlich, dass Klee trotz tiefer Enttäuschungen und äußerer Bedrängnis als Künstler ein breites Spektrum an Stimmungen auslotet. Es fehlt eine klare Tendenz. Was Klee mit der Darstellung der "nationalsozialistischen Revolution" gemeint haben soll, wird nicht immer ganz klar.

    Auf Schautafeln können die Besucher Klees Schicksal als Künstler in Deutschland nachvollziehen. Im Dezember ´33 geht er in die Schweiz. "Auswandern" heißt eine Zeichnung, die ein gebeugtes Paar zeigt. Zwei andere tragen den Titel "Menschenjagd", ein weiteres ist mit "Schiffsbrüchiger" bezeichnet. Der biographische Bezug scheint unverkennbar.

    Als Gegen- und Traumwelt zu solchen Themen können die Motive zahlreicher Tänzer, Zirkusleute oder Tiere gesehen werden. Manches Nebeneinander wirkt geradezu grotesk, wenn eine Zeichnung den "Militarismus der Hexen" zeigt, die andere eine "Huldigung": trommelnde Ungeheuer neben einer Diva mit Blumenstrauß. Klees Arbeiten im Jahr ´33 kennzeichnet eine Ambivalenz zwischen verspielter Zeitlosigkeit und thematischer Zeitgebundenheit. Der realistische und fahrige Duktus seiner Zeichnungen verstärkt den Eindruck, dass hier ein Künstler wie im Reflex auf die Vielfalt seiner Stimmungslagen im Jahre ´33 sehr direkt eingehen wollte.

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