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Kreditfinanzierungen
Notausgang mit Nebenwirkungen

Wer vor der Finanzkrise einen Kredit aufgenommen hat, muss darauf auch weiterhin vergleichsweise hohe Zinsen zahlen. Schließlich wurden die bei Vertragsabschluss oft über Jahre hinaus festgeschrieben. Doch viele Banken haben dabei einen Fehler gemacht - der Kunden nun ein Ausweg aus dem Vertrag ermöglicht.

Von Michael Braun |
    Symbolbild Hausbau
    Eigentlich sind die Zinsen für Baukredite beispielsweise so günstig wie noch nie. (imago/Gerhard Leber)
    Es war ein Urteil wie ein Donnerschlag: Das Landgericht Karlsruhe (Urteil vom 11.04.2014, Aktenzeichen: 4 O 395/13) verdonnerte eine Sparkasse dazu, einem Ehepaar eine Vorfälligkeitsentschädigung zurückzuzahlen, dazu Zinsen in Höhe von 12,25 Prozent für knapp zwei Jahre. Warum? Das Paar hatte seine Eigentumswohnung verkauft, den dafür aufgenommen Kredit vorzeitig gekündigt. Deshalb musste es die Vorfälligkeitsentschädigung zahlen. Dann stellte sich heraus, der Kreditvertrag aus dem Jahr 2007 enthielt eine falsche Widerrufsbelehrung. Deshalb galt er nicht. Deshalb war die Vorfälligkeitsentschädigung nicht rechtens. Da sie aber gezahlt worden war, hatte das Kreditinstitut den Betrag zwei Jahre nutzen können, als Überziehungskredit etwa, für die es gut zwölf Prozent Zins nahm.
    Ein Sonderfall? Eher nicht. Denn fehlerhafte Widerrufsbelehrungen waren lange Zeit die Regel.
    "Nun, es gibt keine genauen Zahlen über die Menge der betroffenen Verträge. Aber wir wissen, dass rund 70 Prozent aller Immobilienfinanzierungen, die zwischen Ende 2002 und Mitte 2010 abgeschlossen worden sind, solche falschen Widerrufsklauseln aufweisen. Also, es ist eine sehr große Zahl, die in sechs-, wenn nicht sogar in den siebenstelligen Bereich geht," sagt Roland Klaus, Sprecher der IG Widerruf, die sich als Zusammenschluss von Verbrauchern und Finanzexperten versteht. Gängigster Fehler in den Kreditverträgen ist diese Widerrufsbelehrung: "Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung."
    Vor der Kündigung um eine Anschlussfinanzierung kümmern
    Dann wisse der Kunde zwar, bis wann die Widerrufsfrist nicht begonnen habe, aber nicht, wann sie begonnen habe, urteilte der Bundesgerichtshof. Also habe sie nicht begonnen, also könne der Vertrag auch noch nach Jahren gekündigt werden. Da die Zinsen nun deutlich niedriger sind als zwischen 2002 und 2010 und geschätzte zwei Billionen Euro als private Wohnungsbaukredite vergeben worden sind, kann der Schaden für die Banken in die Milliarden gehen. Sie haben den Verdacht, den Kunden gehe es in Wahrheit nicht um einen rechtssicheren Widerruf. Sie suchten vielmehr Entlastung durch die nun niedrigeren Zinsen. Hier und dort lehnen es Banken deshalb ab, für gekündigte Verträge eine Anschlussfinanzierung anzubieten. Christoph Herrmann von der Stiftung Warentest:
    "Einzelne Banken machen in dieser Konstellation kein Angebot für eine Anschlussfinanzierung, allen voran die ING Diba, einer der ganz wichtigen Immobilienfinanzierer. Aber viele andere Banken tun es. Wir haben eigens nachgefragt bei 76 wichtigen Baufinanzierern. Und immerhin 36 davon sagen: Ja, wir machen in dieser Konstellation Angebote und finanzieren so etwas dann auch. Also meinen wir, dass es für jeden Betroffenen möglich sein muss, ein tragfähiges Angebot für eine Anschlussfinanzierung zu bekommen, um dann die Grundlage zu haben, um seinen Kredit widerrufen zu können."
    Anwaltskosten am Ergebnis bezahlen
    Herrmann empfiehlt deshalb, sich vor der Kündigung anderswo auf dem Markt um eine Anschlussfinanzierung zu kümmern. Der Verdacht, eine Art Bankenkartell schließe kündigende Kunden von der Anschlussfinanzierung aus, hat sich nicht bestätigt. Die Stiftung Warentest hat recherchiert und festgestellt: Mindestens 35 von 76 befragten Baufinanzierern machten Angebote für Kredit¬kunden, die eine güns¬tige Anschluss-finanzierung für ein widerruf¬bares Darlehen suchten. Ob ein Darlehen widerrufbar ist, lässt sich etwa bei der IG Widerruf klären. Sprecher Roland Klaus:
    "Wir sind kein Verein, der einen Mitgliedsbeitrag erhebt. Die reine Prüfung der Widerrufsklausel auf Fehler ist auch kostenlos. Erst dann, wenn der Verbraucher sagt: Ja, hier will ich aktiv werden, hier brauche ich anwaltliche Hilfe und dann den Anwalt mandatiert, dann fallen naturgemäß Kosten an."
    Dabei gibt es auch die Möglichkeit, die Anwaltskosten in Form einer Erfolgsbeteiligung am Ergebnis zu bezahlen. Das sei per se nichts Böses, meint Christoph Herrmann von der Stiftung Warentest. Aber er mahnt:
    "Das ist als solches eine völlig legitime Prozessfinanzierung. Man muss sich das aber im Detail sehe genau anschauen. Das bietet natürlich auch das Potenzial, da Betroffene über den Tisch zu ziehen und sie zu benachteiligen."

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