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Křenek-Opern in Frankfurt
Eine Art Wald- und Wiesentherapie

Tragisch, burlesk und märchenhaft - David Hermann verbindet in seiner Inszenierung in Frankfurt drei Opern von Ernst Křenek. Die ersten zwei Episoden sind eine höhnisch-heitere Abrechnung mit den Mechanismen von Macht. Doch im dritten Teil gleitet, was als kritisches Polit-Theater begann, in Sentimentalität ab.

Von Cornelie Ueding | 01.05.2017
    Der amerikanisch-österreichische Komponist und Musikschriftsteller Ernst Krenek als Dirigent in einer undatierten Aufnahme.
    Der amerikanisch-österreichische Komponist und Musikschriftsteller Ernst Krenek als Dirigent in einer undatierten Aufnahme. (picture alliance / dpa / Herold)
    Drei Opern - ein Thema: die Macht. In allen ihren Facetten, nackt, brutal, verführerisch. Als dominanter, alles beherrschender Trieb, als momentane Aufwallung, als blutige Farce, als zynisches Spiel. So, als würde die Macht sich ihre Menschen bauen, ihr Personal gleichsam klonen.
    Die Machtmenschen in Ernst Křeneks sehr unterschiedlichen Kurzopern agieren zum Verwechseln ähnlich: wuchtige Diktatoren mit blonder Haartolle, geschmeidige Blondinen als prototypische Biester. Zunächst ist kalte klare Machtarchitektur angesagt: Der "große" Diktator residiert im Luxushotel und verordnet per Dekret gleich den nächsten Krieg - was ihn nicht daran hindert, zugleich eine aparte Schöne in seinen Bann ziehen zu wollen. Die prompt am Abend um Audienz nachsucht, freilich in mörderischer Absicht. Sie zückt die Pistole, schießt, trifft, dreimal – doch der Diktator lacht immer noch. Und schon wird aus ihrer Verachtung Bewunderung, aus Hass glühende Unterwerfung; und die geradezu flehende Bitte um - Liebe. Selbst noch als sie, von der eifersüchtigen Diktator-Gattin abgeknallt an der Brust des Potentaten ihr Leben aushaucht, geschieht dies nicht ohne einen letzten - Dank! Während ihr kriegsblinder Ehemann noch hofft, dass Attentat sei geglückt.
    Křeneks alles Gefühlige zerfetzende, verstörende Musik
    Erträglich wird diese textlich krude und holzschnittartig grundierte Polit-Moritat durch Křeneks alles Gefühlige zerfetzende, verstörende Musik – vom Dirigenten Lothar Zagrosek kongenial dissonantisch gesteigert.
    Anders die zweite Episode, die im Milieu des Schwergewichtboxens und Varietés spielt. Eine klamottenartige Burleske in Anwesenheit des Diktators, mit dem obligaten betrogenen Ehemann und seinen ohnmächtig-hilflosen Wutattacken. Hier triumphiert die List der Kleinganoven: Wenn der Machthaber auf die Bühne gelockt, in einen dreidimensionalen Kreisel, ein akrobatisches Trainingsgerät, gesteckt und förmlich schwindlig gespielt wird. Eine höhnisch-heitere Abrechnung mit Liebes- und Machtintrigen, bei der die Musik vor spielerischer Schadenfreude förmlich zu bersten scheint.
    Mit Phrasen von Würde und Ehre um die Nachfolge schachern
    Umso stärker der Absturz des märchenhaften, eigentlich zweiten Stückes dieses "Trittico", das der Regisseur David Hermann an den Schluss gesetzt hat. Wieder die gleichen Grundfragen. Oben im zerbombten Salon feiert der Narr sich selbst - unten hadert ein sichtlich in die Jahre gekommener König mit sich und seinem Machtverlust - und draußen tobt die Revolution.
    Oben giert seine grüngewandete, giftblonde junge Frau nach der Krone - unten gibt ein geschrumpfter Usurpator die Insignien an seinen Narren ab. Hohle Phrasen von Freiheit und Volk hallen dissonant durch zerbombte Hallen, und die königliche Familie schachert mit Phrasen von Würde und Ehre um die Machtnachfolge. Sirenenheulen und kaputter Marschklang, zerberstende Kadenzen und atonale Einschläge - bis wir zur Überraschung aller im letzten Bild des Abends im Wald stehen.
    Die Abgründe herauszuarbeiten, hätte sich gelohnt
    Der geflohene König, seine Gattin, der Narr und selbst die Revolutionäre geistern verloren und ängstlich durch ein romantisches Gruselkabinett. Doch was als Desaster beginnt, verwandelt sich zu einer betörenden Idylle, und das Tribunal mausert sich zum Selbstfindungs-Szenarium. Eine Art Wald- und Wiesentherapie. Der Narr darf nun wieder Narr werden und der König und einstige Diktator - ist gar geläutert. Was als kritisches Polit-Theater begonnen hatte und gerade im Wechselspiel der Situationen zum Nachdenken führte, mündet in eine herbei-zitierte, Möchtegern-Mitsommernächtliche-Poesie. Statt die Einsicht des Herrschers als Traum zu zeigen oder gar als Teil einer Macht-Show der wunderbar verlorenen sängerischen Zartheit entgegenzusetzen, gleitet die Inszenierung ins Sentimentale ab. Dabei lauern hinter diesen theatralisch-politischen, bissigen Offenbarungs-Opern Abgründe, die forciert herauszuarbeiten sich gelohnt hätte.