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Kresniks letzte Premiere in Bonn

Der zeitgenössische Tanz hat es besonders schwer am Rhein. Beispiel: Bonn. Dort wird der Choreograph Hans Kresnik eingespart - die Tanzsparte wird abgeschafft und mit Gastspielen ersetzt. Am Samstag hatte der 68-jährige Kresnik seine letzte Bonner Uraufführung. Offenbar sollte der Abschied fulminant ausfallen, gleich zwei Wagner-Opern standen auf dem Programm: Siegfried und Götterdämmerung - die Eckpfeiler im Ring des Nibelungen.

Von Dorothea Marcus | 10.02.2008
    Der Feuerkreis, in dem Brünhilde gefangen ist, ist ein flammenden Krankenbett - die vom Kapitalismus zerfressene Gesellschaft ist eben durch und durch verseucht. Siegfried, Held mit langen schwarzen Haaren und schwer tätowiertem Oberkörper, wird sie daraus befreien - und daran sterben.

    Sein goldener Ring, um den die Gesellschaft später tanzt wie um einen Fetisch, ist ein riesiger goldener LKW-Reifen. Eine Art vergoldetes Kalb, ein nur eingebildetes Konsumgut, für das sich Tänzer in Abendkleidern gegenseitig mit Matsch besudeln und zerfleischen.
    Hans Kresnik lässt nicht nur die Figuren aus Wagners Ring, sondern auch aus Wagners Familie auftreten. Der Komponist sitzt immer wieder sinnierend auf dem Flügel, Winifred Wagner marschiert in Nazi-Uniform.

    Selbst die Urenkelin Katharina taucht als blondes Sechsfach-Double auf und knüllt beim Tanzen eine Wagner-Partitur zusammen. Doch das ist nur ein Vorspiel für den zweiten Teil.

    Johann Kresnik hat für die letzte Dämmerung der Tanzgötter am Rhein mit dem Künstler Gottfried Helnwein einen pathetischen Bildersturm inszeniert aus Blut und Feuer, Fleisch und Farbe. Und Videobildern: abwechselnd werden östliche Selbstmordattentäter und westlichen Amokläufer eingeblendet - der Wille zur Selbstzerstörung ist überall gleich.

    Zum Schluss fallen Fernseher, Autos, Kühlschränke und Klaviere aus dem Bühnenhimmel. Zerstört werden die letzten Instrumente der Humanität, zurück bleibt die Welt als dampfender Schrottplatz.

    Hans Kresnik macht aus seiner letzten Bonner Uraufführung einen wüsten, politisch übertriebenen Abgesang, sowohl auf die Wagner- als auf die Menschheitsgeschichte, als auch auf den Tanz in Bonn.

    Auch wenn das erschlagend wirkt, stimmt es doch wehmütig, diese großartig getanzte und groß konzipierte Abschiedspremiere zu sehen.

    So ein Aufwand wird in Bonn auf lange Sicht nicht mehr betrieben werden. Ab nächster Spielzeit werden für die 300.000 Euro, die von nun an der Tanzsparte verbleiben, zehn Gastspiele zu sehen sein - tourneekompatibel, requisiten- und personalarm.

    Die einzige Rettung könnte sein: Die Gründung eines gemeinsamen Tanzensembles von Köln und Bonn, zwei Städte, die nur 30 km voneinander entfernt liegen und in denen der Tanz in ähnlich desolater Lage ist.

    Wenn es nach dem Kölner Kulturdezernenten Georg Quander geht, soll das zumindest in Köln anders werden: Er will dort ein Produktionshaus für die freie Tanzszene schaffen und eine neue Tanzkompanie, möglichst mit Bonn zusammen:
    "Ich denke es waren politische Fehlentscheidungen, die zu dieser Entwicklung geführt haben, dann kamen die Finanzen dazu. Und deswegen ist es wichtig, eine Perspektive und Kontinuität zu entwickeln. Wir brauchen für die Choreografen der freien Szene einen Ort, wo die Kompanien arbeiten können. Das halte ich für ein Desiderat ganz unabhängig von der Frage einer Tanzkompanie an den städtischen Bühnen. Beide zusammen machen ein Gesamtbild für eine Stadt aus, die auch eine Tanzstadt sein will. Es sind beides Projekte, die in der Größenordnung von vier bis fünf Millionen Euro liegen, wenn man es richtig betreiben will. "
    Verheißungsvolle Worte, an deren Realisierung mit Bonn zusammen der Bonner Intendant Klaus Weise allerdings nicht glauben kann.
    "Jede Alternative kostet Geld, das habe ich nicht mehr. Wir müssen mit Beginn der neuen Spielzeit noch mal 57,5 Personalstellen abbauen und ohne Geld und Personal kann man so etwas nicht betreiben. Objektiv ist die Entfernung zwischen Köln und Bonn keine nennenswerte, das ist zu überwinden. Zwei Premieren hier, zwei Premieren da, die anderen tauscht man aus. Ich glaube schon, dass man die Öffentlichkeit sich damit identifizieren könnte. Es müsste die Stadt Bonn dann noch mal Geld drauflegen, ohne das ginge nicht. Daran kann ich nicht wirklich glauben. "
    Dass die Stadt Köln dazu bereit ist, wirklich rund zehn Millionen für den Tanz aufzuwenden, wie Kulturdezernent Quander fordert, erscheint mehr als unwahrscheinlich. Es handelt sich immerhin um dieselbe Stadt, die ihre legendäre Kompanie Tanzforum einfach wegsparte und auch nicht bereit war, sich finanziell für den Tanzplan der Bundeskulturstiftung einzusetzen, der soviel Mittel für den Tanz bereitgestellt hätte wie nie zuvor.

    Noch unwahrscheinlicher erscheint aber, dass die Stadt Bonn wieder mehr Geld für eine neue Tanzkompanie bereitstellt - hat sie doch gerade ihr Theater bis an den Anschlag heruntergespart. Und so erscheint eine Tanzehe Köln-Bonn trotz vager Absichtserklärungen weiter weg als je zuvor.