Lars Norens Drama "Krieg", das Klaus Weise nun in deutschsprachiger Erstaufführung in Bonn auf die Bühne brachte, dockt an Vorbilder wie Ernst Tollers "Hinkemann" oder Wolfgang Borcherts Beckmann aus "Draußen vor der Tür" nur locker an, und das liegt nicht hauptsächlich am "neueren" Kriegsschauplatz Balkan. Der schwedische Dramatiker hat fleißig Reportagen und Dokumentar-Material gesammelt und alle Schauergeschichten auf seine fünf Figuren gehäuft. Sie tragen bosnische Namen, heißen in den Szenenanweisungen aber A, B, C, D, E. Sie haben alles erlebt, was aus Zeitung, Funk und Fernsehen bekannt ist: Die Feinde, vorher freundliche Nachbarn, zogen vergewaltigend und marodierend über die daheim gebliebenen Frauen und Kinder, der 15jährigen Beenina haben sie das Christenkreuz ins Fleisch geritzt. Die Blendung des Heimkehrer-Kriegskrüppels Mehmet war wohl ein protziger Witz der obsiegenden Gegner; und - letzter Schocker im Stück - Mehmets Bruder Ivan, nun Rivale im Bett seiner Frau, wurde gezwungen, den eigenen Sohn zu Tode zu prügeln. Um diese Geschichte des "Kriegsalltags" nicht tagesschau-, sondern theatertauglich zu formen, bemüht Noren, wie auch in früheren Stücken gern, ein bisschen griechische Mythologie. Der Blinde, von den übrigen Familienmitgliedern eher unwillig, als Störenfried wieder aufgenommen, klammert sich, hilflos, an die zwölfjährige, zwar ziemlich altkluge, aber noch halbwegs "unschuldige" Tochter - nur dass Ödipus und Antigone hier Disneyland spielen. Wenn Yorck Dippe sich in Weises Bonner Inszenierung, die auf und neben einer zerstörten Brücke spielt, als blinder Heimkehrer unter einer Mickey-mouse-Maske zum Narren macht, guckt dann doch der Tollersche "Hinkemann" um die Ecke. Mehmet allerdings will sich keineswegs auf die neuen Verhältnisse einstellen, nicht akzeptieren, dass hier nicht nur die Häuser, sondern auch die Seelen zu Bruch gegangen sind.
Später wird Mehmet seiner Frau vorwerfen, dass sie sich nicht umgebracht hat, nachdem sie vergewaltigt wurde. Die Sitten werden roh, aber die huren sind immer die anderen. Lars Noren schaut seinen A, B, C, D, Es wie Laborratten zu, sie haben offensichtlich keine weiteren Fragen, keine selbstreflexiven Ambitionen, verroht ist verroht, wer es irgendwie schafft, haut ab nach Italien, putzen oder kellnern. Die Mutter fordert ihren neuen Geliebten mehr oder weniger deutlich auf, den Ehemann zu "beseitigen". Im Text bleibt der Ausgang offen, in Bonn schleppt Ivan einen Benzinkanister auf die Bühne, mit dieser Requisite hatte schon Noren selbst die Uraufführung in Lausanne vor eineinviertel Jahren ins dicke Ende getrieben. Klaus Weise, der schon als Intendant am Theater Oberhausen Norens älteres Stück "Blut" deutschsprachig erstinszenierte, hat nun im "Krieg" mehr auf Körpersprache als aufs gesprochene Wort gesetzt, auf die stummen Zeichen von Aggression, Hilflosigkeit oder Hinwendung – "Stille" ist übrigens die meist verwendete Regieanweisung des Autors. So sind es ausgerechnet die Bilder, die auf blinde Flecken unserer medialen Vollversorgung weisen könnten. Falls Lars Noren die Frage umgetrieben haben sollte: "Was macht der Krieg aus den Menschen?" lautet die Antwort: vor allem Mikrophon-Futter für die Korrespondenten.
Später wird Mehmet seiner Frau vorwerfen, dass sie sich nicht umgebracht hat, nachdem sie vergewaltigt wurde. Die Sitten werden roh, aber die huren sind immer die anderen. Lars Noren schaut seinen A, B, C, D, Es wie Laborratten zu, sie haben offensichtlich keine weiteren Fragen, keine selbstreflexiven Ambitionen, verroht ist verroht, wer es irgendwie schafft, haut ab nach Italien, putzen oder kellnern. Die Mutter fordert ihren neuen Geliebten mehr oder weniger deutlich auf, den Ehemann zu "beseitigen". Im Text bleibt der Ausgang offen, in Bonn schleppt Ivan einen Benzinkanister auf die Bühne, mit dieser Requisite hatte schon Noren selbst die Uraufführung in Lausanne vor eineinviertel Jahren ins dicke Ende getrieben. Klaus Weise, der schon als Intendant am Theater Oberhausen Norens älteres Stück "Blut" deutschsprachig erstinszenierte, hat nun im "Krieg" mehr auf Körpersprache als aufs gesprochene Wort gesetzt, auf die stummen Zeichen von Aggression, Hilflosigkeit oder Hinwendung – "Stille" ist übrigens die meist verwendete Regieanweisung des Autors. So sind es ausgerechnet die Bilder, die auf blinde Flecken unserer medialen Vollversorgung weisen könnten. Falls Lars Noren die Frage umgetrieben haben sollte: "Was macht der Krieg aus den Menschen?" lautet die Antwort: vor allem Mikrophon-Futter für die Korrespondenten.