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Krieg der Bilder, Kampf um Köpfe

Krieg bringt Quote, so traurig es ist. Noch trauriger allerdings, dass sich in Kriegszeiten die Medien mehr denn je auf eine gemeinsame Berichterstattung einschwören lassen. Dies ist eines der Ergebnisse des Zweiten Potsdamer Tages der Medienkritik zum Verhältnis von Journalismus und Krieg.

Von Günter Herkel |
    Heinz Loquai, Brigadegeneral a.D. sieht im gegenwärtigen Verhalten der Medien gegenüber dem Iran Parallelen zur Berichterstattung vor der Irak-Invasion. Bewusst werde von Teilen der Medien die Gefahr einer nuklearen Bedrohung an die Wand gemalt.

    " Es wird auch in der Bildberichterstattung durch entsprechende Zeichnungen der Eindruck erweckt, als habe der Iran bereits Raketen oder sei kurz davor, solche Raketen zu haben, die Amerika erreichen können. Dies ist eine Verfälschung der tatsächlichen Situation. "

    Egal ob im Kosovo-Konflikt oder im Irakkrieg - der Mainstream der Medien finde immer ein Hitler-ähnliches Monster, das trefflich als Feindbild tauge und mit dem sich Ängste schüren ließen. Nach Slobodan Milosevic und Saddam Hussein werde jetzt dem iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad diese Rolle zugewiesen.

    Doch der Iran sei mehr als die Karikatur eines antisemitischen, verbalaggressiven Präsidenten. Offenbar, so Loquais skeptisches Fazit, hätten die meisten deutschen Medien aus dem Desaster des Irak-Kriegs nichts gelernt. Für Gerhard Paul, Medienwissenschaftler von der Uni Flensburg, war der Irakkrieg vor allem auch als "Bilderkrieg" angelegt.

    " Man muss zur Prime Time der eigenen Hauptnachrichtensendung beginnen - das war übrigens im Golfkrieg von 1991 ganz ähnlich, dass man dann den eigenen Kameraleuten/Fotografen bestimmte Perspektiven offeriert. Diese berühmte Feldherren-Perspektive von den Dächern aus, die unsere Fernsehanstalten ja alle ähnlich mit übernommen haben. Das heißt: In der Totale erlischt im Grunde das Elend, das ist nicht mehr zu sehen. "

    Die wahren Schrecken des Krieges - Verstümmelungen, Blut, Tote oder auch nur der erbärmliche Alltag der Zivilbevölkerung - bietet nur die Nahperspektive. Nach Ansicht des Wissenschaftlers haben die Vereinigten Staaten nach der schnellen Besetzung des Irak den Propagandakrieg an der visuellen Front früh verloren. Und zwar aufgrund ihres Vertrauens auf einen verkürzten, eindimensionalen Bildbegriffs. Paul:

    " Dahinter steckte die Vorstellung, dass man Bilder genau so in ein Ziel lenken kann wie im Grunde eine Präzisionswaffe, durch die Propaganda, und man kann sagen, da haben sie auch populäre Vorbilder. Die Bedingungen, dass so was funktioniert, sind im digitalen Zeitalter schlechter denn je. Die Dinge werden sehr viel schneller kommuniziert, das heißt, weltweit global vertrieben, und dieser Prozess, den hat man wohl unterschätzt. "

    Denn es gibt kein Monopol einer Partei auf Bilder. Man kann schnell, einfach und kostengünstig Bildinformationen produzieren und ins Internet stellen. Pauls Resümee: Nicht die geschönten, glatten Feuerwerksbilder des Vormarsches auf Bagdad oder die Bilder des praktizierten Terrors des besiegten Saddam-Regimes hätten die öffentlichen Diskurse geprägt. Als Skandal seien vielmehr die Porno-Bilder aus Abu Ghraib im Gedächtnis haften geblieben.

    Dagegen irritiert den Marburger Medienwissenschaftler Karl Prümm im gegenwärtigen Afghanistan-Konflikt gerade die nahezu völlige Abwesenheit von Bildern. Bei der Berichterstattung über den Krieg gegen die Taliban drohe somit eine "Verdunkelungsgefahr":

    " Man ist sehr detailreich, was jetzt die Ausrüstung der Flugzeuge angeht, die Stationen, wo zwischen getankt wird, es wird genau angegeben, wo man landet, es werden sogar die Aufgaben beschrieben. Aber diese Aufgaben sind ja eingebunden in einen übergeordneten Zusammenhang, und der wird regelrecht weg geschnitten, wie mit der Schere, also da geht man nicht weiter und hinterlässt eine riesige Lücke - und das kann eigentlich nicht sein. "

    Es ergebe sich ein "grotesker Gegensatz zwischen Überbebilderung, Überbelichtung des Krieges und absoluter Bildlosigkeit". Damit fehlten die entscheidenden Sach- und Hintergrundinformationen über einen politischen Vorgang, der immerhin auf Beschlüssen des Deutschen Bundestags beruhe. Prümms Fazit: Angesichts des Verfassungsauftrags der audiovisuellen Medien müsse die Öffentlichkeit ihr Recht auf Kontrolle "einklagen".