Freitag, 29. März 2024

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Krieg der Spermien
Wie sich Raubtiere den Fortpflanzungserfolg sichern

Beim Walross ist er über einen halben Meter groß, bei Katzen hat er die Größe eines Reiskorns und beim Menschen findet man den Penisknochen gar nicht. Dient er dem Schutz des Penis, der Stimulierung des Weibchens oder anderen Zwecken? Forschende haben dies bei 80 verschiedenen Raubtieren untersucht.

Von Tomma Schröder | 26.10.2020
Der Penisknochen ist ein Knochen im männlichen Begattungsorgan vieler Säugetiere – etwa bei Löwen
Der Penisknochen ist ein Knochen im männlichen Begattungsorgan vieler Säugetiere – etwa bei Löwen (imago stock&people)
Charlotte Brassey holt längliche, große Knochen aus verschiedenen Tüten und hält sie in die Kamera. Der erste sieht aus wie ein langer Stab und gehört zu einem Seehund. Der zweite ist groß wie ein Knüppel und gehört zu einem See-Elefanten. Die Zoologin von der Manchester Metropolitan University hat die Bacula, also Penisknochen von über 80 verschiedene Arten gesammelt, als 3D-Ausdrucke vervielfältigt und verglichen.
"Oh ja, hier haben wir ein Wiesel. Diese Familie hat sehr seltsame Bacula, die am Ende gebogen sind. Ein bisschen wie eine Schaufel, manchmal auch mit gebogenen Widerhaken dran."
Penisknochen ist ein Evolutionsvorteil im Tierreich
Überhaupt, sagt Brassey, sei es fast immer die Spitze, die sich von Familie zu Familie unterscheidet. Sie vermutet, dass diese Unterschiede mit dem Sozial- und Paarungsverhalten der verschiedenen Familien und Arten zusammenhängen.
"Es gibt verschiedene Hypothesen darüber, wozu diese Knochen da sind. Möglicherweise hat es damit zu tun, das Weibchen zu stimulieren. Unter den Raubtieren gibt es einige, bei denen die Weibchen regelmäßig einen Eisprung haben, wie bei uns Menschen. Andere Raubtierarten wie das Wiesel müssen aber durch den Geschlechtsakt zum Eisprung angeregt werden. Und tatsächlich finden wir bei diesen Arten tendenziell die komplexeren Strukturen."
So wie beim Wiesel. Bei den Hundeartigen wiederum findet sich oft eine Rille im Knochen, in der die Harnröhre verläuft. Das unterstützt eine bereits bekannte Hypothese, dass das Baculum bei einigen Tieren Harnröhre und Penis stabilisiert und schützt. Denn Brassey fand sie vor allem bei jenen Tieren, bei denen der Penis durch sehr ausgiebige Paarungen und verschiedene Stellungen besonders stark belastet ist. Darüber hinaus kam Brassey beim Anblick einiger Bacula noch auf eine weitere Hypothese.
"Beim Honigdachs etwa sieht die Spitze des Knochens aus wie ein Eisportionierer. Und mit dem wird möglicherweise das Sperma des Vorgängers und Rivalen entfernt. Denn diese Form tritt besonders oft auf bei Arten, bei denen sich das Weibchen mit mehreren Männchen paart."
Fische wedeln fremdes Sperma mit der Schwanzflosse weg
Generell ist die Strategie, Sperma von Rivalen aus dem Weg zu räumen, von einigen Tierarten bekannt. Auch beim menschlichen Penis wird dem Eichelkranz diese Funktion zugeschrieben. Und in der jüngsten Ausgabe der Proceedings of the Royal Society B wird sogar von Fischen berichtet, die in der Laichzeit das Sperma von Kontrahenten loswerden – nicht mit dem Penis, sondern mit dem Schwanz, also der Schwanzflosse. Damit wedeln sie über dem Eigelege herum, um fremdes Sperma zu entfernen, sodass sie anschließend selbst zum Zug kommen können.
"Beim männlichen Konkurrenzkampf denken wir gewöhnlich an krachende Geweihe. Aber wenn sich Weibchen mit mehreren Männchen paaren, dann gibt es eben ein Extralevel dieses Wettkampfs."
Und der, so scheint es, spielt sich oft zwischen den Spermien der Männchen ab. Ob ein Eisportionierer im Penis da tatsächlich ähnliche Vorteile liefert wie eine wedelnde Schwanzflosse, muss sich aber noch zeigen.