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Krieg gegen Polen

Der Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Polen stellt den Anfang eines grausamen Vernichtungskriegs dar. An das Leid der Polen möchte die Ausstellung "Deutsche und Polen - 1.9.1939. Abgründe und Hoffnungen" erinnern; an die dunkle Vorgeschichte des Landes, eingezwängt zwischen Preußen und Russland, aber auch an den oft steinigen Weg der Annäherung nach 1945.

Von Martin Sander |
    "Ich gehe davon aus, dass es unter Historikern einen ganz vernünftigen Konsens und eine vernünftige Diskussion geben kann. Und es gibt auch, wenn ich es richtig sehe, unter deutschen und polnischen Historikern nicht per se irgendwelche Interpretationsdifferenzen, nicht per se."

    Solche Differenzen, erklärt Burkhard Asmuss vom Deutschen Historischen Museum, könnten allenfalls parteipolitisch, nicht jedoch national geprägt sein. Asmuss ist leitender Kurator der Ausstellung "Deutsche und Polen - 1.9.1939" und hat dieses Projekt gemeinsam mit polnischen Experten vorbereitet. "Abgründe und Hoffnungen" lautet der Untertitel der Ausstellung. Sie geht weit über das Jahr 1939 hinaus.

    "Wir erzählen zum einem die Vorgeschichte von den Teilungen Polens bis zum Jahre 1939. Dann haben wir einen ganz zentralen Raum, der sich mit Krieg und Besatzung beschäftigt. Und dann geht es um den steinigen Weg der Wiederannäherung nach 1945."

    Gleich im ersten Teil kann man - zwischen polnischen Historiengemälden und deutschen Plakaten zum Streit um Schlesien nach dem Ersten Weltkrieg - einen Blick in das Testament Friedrichs des Großen werfen, das die unheilvolle preußisch-deutsche Perspektive auf Polen früh vorweg nimmt. Man müsse, so lautet der vom Preußenkönig wohl eigenhändig unterstrichene Satz, Polen verspeisen wie eine Artischocke, Blatt für Blatt. Doch ein paar Schritte weiter wird Freundschaft dokumentiert. Es geht um die Polenbegeisterung deutscher Nationalromantikern in der Zeit des Vormärz oder um das Freundschaftsabkommen, welches Hitlerdeutschland und Polen in den 30er-Jahren eng verband.

    Gleichwohl den eindeutigen Schwerpunkt der Schau bildet der deutsche Überfall auf Polen und die sich anschließende Besatzung, auch in der Gestaltung deutlich hervorgehoben. Man gelangt durch eine Art Schleuse in dieses Terrain.

    "Das ist die NS-Schleuse. Und der zentrale Raum dieser Ausstellung ist in Schwarz gehalten, um deutlich zu machen, dass man dieses nicht ohne Empfindung darstellen kann, dass man die Besucher da auch ein wenig ergreifen möchte, mit dem, was zu sehen ist."

    Mit Fotos, Dokumenten oder Plakaten wird die Besatzungswirklichkeit präsentiert - ergänzt durch Augenzeugenberichte, die man auch anhören kann. Es kommen Zwangsarbeiter zu Worte oder Zeitzeugen aus dem Warschauer Aufstand von 1944.

    "Also, wichtig ist für uns natürlich, dieses ganze Besatzungsregime in Polen als ein absolutes Unrechtsregime darzustellen. Willkür und Entrechtung hat katholische Polen als auch jüdische Polen fast gleichermaßen getroffen, wobei man sagen muss, natürlich ist der Völkermord oder die Entrechtung der Juden eine Themeninsel, die wir schwerpunktmäßig behandeln. Die Behandlung der Polen kommt immer wieder an anderen Themeninseln zur Sprache. Man kann das nicht exakt trennen."

    Arnulf Scriba trägt Verantwortung für den Kern der Ausstellung, den Zweiten Weltkrieg. Er deutet auf ein vergleichsweise freundlich wirkendes Plakat, das zur "Zivilarbeit" in Deutschland einlädt.

    "In jedem der von der Wehrmacht eroberten Gebiete versuchte man erst einmal, freiwillig Leute zum Arbeitsdienst nach Deutschland anzuwerben, eben mit solchen Plakaten, und zumindest in Polen hat das gar nicht geklappt. Also, nur sehr wenige Polen haben sich freiwillig zum Arbeitseinsatz in Deutschland gemeldet. Umso mehr hat man dann wirklich zu Zwangsmaßnahmen gegriffen, dass wirklich in Polen auf offener Straße Menschenjagden veranstaltet worden sind, wo man die Leute einfach eingefangen hat, in Züge gesetzt und nach Deutschland transportiert."

    Auch das hierzulande allgegenwärtige Thema Vertreibung ist in dieser umfangreichen Ausstellung zugegen - in Bezug auf die Deutschen zum Beispiel in der Form einer Installation aus mitgenommenen Hausschlüsseln. Bedeutender für den hier vorgestellten Zusammenhang ist aber die in Deutschland wenig zur Kenntnis genommene Vertreibung, Umsiedlung und Deportation der Polen durch die Deutschen als Grundelement der Besatzungspolitik.

    Im dritten, der Nachkriegswirklichkeit gewidmeten Ausstellungsteil, ist dann wieder Platz für eine bereits aus dem 19. Jahrhundert bekannte Polenbegeisterung. Kritische Zeitgenossen in der DDR zollten sie in den 80er-Jahren der Solidarność. Veranschaulicht wird das etwa mit einem Batiktuch:.

    "Wir stellen auch so ein kleines Batiktuch aus, auf dem geschrieben steht: 'Lernt Polnische' - einfach etwas Unverfängliches, glaubt man. Zum Zeitpunkt desjenigen, der dieses Batiktuch zeigte, war es nicht unproblematisch mit Bezug auf Solidarność; auch dieser Mann, ein Bausoldat, wurde inhaftiert. Anhänger der Solidarność-Bewegung in der DDR mussten damit rechnen, dass sie von der Staatssicherheit verfolgt wurden."