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Krieg in Griechenland

Aristophanes' Stück ist schon über 2000 Jahre alt - und hat doch wieder eine gewisse Brisanz in der heutigen Zeit. So zumindest interpretiert Sotiris Hatsakis die Komödie "Frieden" im antiken Theater Dion in Griechenland.

Von Marianthi Milona |
    Höllisches Mädchengeschrei. Männer in Frauenkostümen. Absurde Gebärden und Tänze geben den Auftakt in der vermutlich spektakulärsten Aufführung der diesjährigen griechischen Theatersaison. Und just in dem Moment als zu Füßen des Olymps, im antiken Theater von Dion, Aristophanes Stück "Frieden" beginnt, verdecken sommerliche Wolkengebilde die Olymp-Bergspitze Mitikas. So als ahnte Zeus, der Gott aller griechischen antiken Götter, dass er heute Nacht Besuch erhält. Die Kulisse könnte nicht geeigneter sein für Sotiris Hatsakis moderne Inszenierung von Aristophanes Komödie "Frieden", die er im Auftrag des nordgriechischen Staatstheaters brillant realisiert hat.

    Der personifizierte Krieg taucht auf. Ein Krieg, der in einer Hölle die Friedensgöttin Irene gefangen hält und sich darauf vorbereitet alle griechischen Städte in einen monströsen Stampfer zu legen und zu zermalmen. So sieht sich der Winzer Trigeos Marusiotis Ambelurgos, der symbolisch für die griechisch bäuerliche Gesellschaft steht, dazu verpflichtet, auf dem Rücken seines hässlichen Käfers Burbulas zu den Göttern zu fliegen und Zeus um Hilfe zu bitten. Dieser soll den Menschen helfen die Friedensgöttin Irene zu befreien.

    Auf diese große Reise wird er von einem Sklaven - dargestellt von Nikos Magdalinos - vorbereitet. Magdalinos ist momentan einer der beliebtesten Bühnendarsteller Griechenlands. In seiner Rolle als Sklave zieht er Parallelen zum heutigen Leben in Griechenland.

    "In der Rolle des Sklaven fühle ich mich wie ein Grieche, dem momentan vieles abverlangt wird. Ich hoffe aber, dass wir durch die Geschichte in der Komödie 'Frieden' und durch das, was wir tagtäglich erleben, endlich verstehen, dass wir verpflichtet sind, dieses Land in einem guten Zustand an unsere Kinder weiter geben müssen."

    Unterstützung im Himmel erhält der Winzer vom verrückten Götterboten Hermes, dargestellt von Starschauspieler Jiannis Muratidis, der sich mit 150 kg Lammsteaks bestechen lässt. Doch Zeus, so Hermes, kann der Winzer momentan nur in Facebook antreffen.

    Für Muratidis liegt der Erfolg von Aristophanes Komödien in der gelungenen Übertragung antiker Kriegsgeschehnisse auf aktuelle Ereignisse und Zustände. Anders ließen sich die absurden Stücke sowieso nicht verstehen. Das Grandiose dabei sei, dass diese Geschichten sich gut übertragen ließen. Heute, da ist sich Muratidis sicher, würde Aristophanes gegen Bestechung und Ausbeutung mit seinen Werken ankämpfen. Deshalb zieht Muratidis seine eigenen Schlüsse für heute.

    "Die Auseinandersetzung mit Aristophanes "Frieden" macht zwei Dinge klar. Erstens: Wenn wir eine gesellschaftliche Veränderung in diesem Land wollen, dann müssen wir uns innerlich verändern, unsere Mentalität und unsere Haltung. Und zweitens: Wenn wir eine Veränderung überhaupt wollen, dann müssen wir auf dieser Basis gemeinsam handeln, mit Vertrauen und Respekt gegenüber dem anderen."

    In Aristophanes Komödie jedenfalls gelingt des Winzers Vorhaben. Gemeinsam mit der Fruchtbarkeitsgöttin Opora und der Festgöttin Theoria kann er die Friedengöttin Irene befreien und sie den Menschen auf die Erde zurück bringen.

    Giorgos Konstantinou ist der älteste Darsteller bei dieser Aristophanes-Aufführung und eine Symbolfigur für die griechische Theaterwelt zugleich. Denn er hat in Zeiten der griechischen Militärdiktatur mit anderen radikalen Theatermachern auf der Bühne gestanden. Aristophanes habe es seinerzeit leichter gehabt, betont Kostantinou, weil er wusste gegen welche Feinde er ankämpfte.

    "Wir haben es heute mit einem radikalen Vernichtungskrieg zu tun, wobei wir allerdings nicht erkennen können, wer der Feind ist. Während der Besatzungszeit in Griechenland war das noch anders. Wir konnten sogar hoffen befreit zu werden und ein neues Leben beginnen zu können. Heute gibt’s das alles nicht mehr. Wir sehen nur, es handelt sich um einen noch schlimmeren Krieg als den mit Waffen."

    Konstantinou spielt den Dichter selbst. Am Ende von "Frieden" taucht Aristophanes in einem Nebenpart auf und bittet um Anerkennung. Ist er es doch, der nicht in Bars und Lokalen seine Zeit vergeudet, sondern sich im stillen Kämmerlein über die Menschen und die Welt der Kopf zerbrochen hat. Sollten wir also, wie er provokativ betont, nichts Besseres im Augenblick zu tun haben, als mit unserem Schwanz zu spielen, dann könnten wir genauso gut ihm dankend applaudieren.