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Kriegsspiele

In den Minuten bevor der pakistanische Top-Terrorist Baitullah Mehsud auf dem Dach eines Hauses starb, kreiste ein unbemanntes Flugzeug einige Kilometern über ihm. Es übermittelte gestochen scharfe Live-Bilder des Mannes in die CIA-Zentrale nach Washington. Dann drückte ein Spezialist in den USA den Knopf, eine Rakete flog von dem unbemannten Flugzeug auf Mehsud zu.

Von Jan Lublinski | 16.05.2010
    "The sky is the limit – when you climb on board a futuristic flight simulator. And take an exciting virtual trip into flight fantasy. On board the sleek f86 supersaver – f/a 18 experience – taste the thrill of naval aviation in the cockpit of an F-18 and get a rare glimps of the courage it takes to push these remarkable machines to their limits. - Ride simulators – your adventure awaits."

    Im Smithsonian National Air and Space Museum in Washington, D.C., hat sich eine lange Schlage gebildet. Eltern und ihre Kinder warten am Eingang zu einer Halle mit Flugsimulatoren, die aussehen wie etwas groß geratene Wäschetrommeln. Auf einem Monitor läuft derweil ein Film. Als Vorbereitung:

    "Sie können zwischen drei Waffensystemen wählen: Maschinengewehre für den Nahkampf, radargesteuerte Raketen für Weitstreckenziele. Wenn sie ein Ziel einloggen möchten, drücken sie auf den Knopf oben links. Sollten sie den Flug aus irgendwelchen Gründen abbrechen wollen, drücken sie die Not-Stop-Taste über ihrem Kopf."

    Tagesschau:

    "In Pakistan ist es die Nachricht des Tages. Der Chef des pakistanischen Ablegers der Taliban, Mehsud, soll tot sein."

    "Getötet wurde er bereits am Mittwoch zusammen mit seiner Frau bei einem US-Drohnenangriff."

    "Alles spricht dafür, dass die Raketen der Drohne ihn, eine seiner Frauen und zwei Söhne auslöschten."

    Direkt über dem Eingang zu den Flugsimulatoren hängt ein graues Flugzeug. Seine Flügel sind etwa so lang wie die eines kleinen Privatflugzeuges, doch sein Rumpf ist deutlich schmaler und flacher: MQ1 "Predator", eine Maschine ohne Cockpit: eine ferngesteuerte Drohne.

    "That’s in Ohio, Wright-Patterson Air Force Base. They’ve got a hangar there.…"

    "In Ohio am Luftwaffenstützpunkt werden sie gewartet", erklärt ein Vater mit kurzer Frisur seinem Sohn, der staunend hinaufschaut. Unter den Flügeln der Drohne zwei schwarze "Hellfire"-Raketen, die, einmal abgefeuert, ihr Ziel selbständig finden und dort ein Höllenfeuer entfachen. Diese unbemannten, ferngesteuerten Flugroboter haben sich zum Mittel der Wahl des amerikanischen Militärs in Afghanistan und im Irak entwickelt. Sie patrouillieren kaum sichtbar über weiten Landstrichen, begleiten Konvois und unterstützen Bodentruppen bei Kampfhandlungen. In Pakistan setzt sie der Geheimdienst CIA als ferngesteuerte Auftragskiller ein.

    Tagesschau:

    "Die USA legen niemandem Rechenschaft über diese Form der Tötungen ab."

    "Wo die Drohnen zuschlagen, stehen die Häuser in den Dörfern eng an eng, man trifft nie nur eines. Die Zahl unschuldiger Getöteter ist mit Sicherheit größer als von den USA zugegeben."

    Gezielte Tötungen durch ferngesteuerte Maschinen sind längst keine spektakulären Einzelfälle mehr. Sie sind zu einer allgemeinen Kriegs-Strategie geworden, zu der Antwort der Amerikaner auf den internationalen Terrorismus. Von insgesamt sieben Luftwaffenbasen in den USA aus steuern Kampfpiloten insgesamt etwa 160 Drohnen der Typen MQ1 "Predator" und MQ9 "Reaper", dem Nachfolgemodell. Hinzu kommt eine große Zahl unbewaffneter Aufklärungsdrohnen sowie die Fluggeräte, die der Geheimdienst CIA betreibt.

    "In Afghanistan there was a civilian who looked like Bin Laden but he wasn’t."

    Nicht immer treffen die technisierten Killerkommandos ihr Ziel – vor einigen Jahren glaubten die Amerikaner, den Terroristen Bin Laden im Visier einer Drohne zu haben – und erschossen einen Zivilisten: einen ungewöhnlich großen Mann mit Bart. Der Geheimdienst hatte einen falschen Tipp bekommen. Peter Singer, Verteidigungsexperte von der Brookings Institution in Washington, D.C., und Autor des Buches "Wired for War".

    "He was known in his village as 'tall man'. The intelligence were saying that is him. And they were wrong."

    Während US-Präsident Obama sich für eine Begrenzung der Nuklearwaffen einsetzt, rüstet er zugleich seine konventionelle Streitmacht hoch. Im ersten Jahr seiner Amtszeit hat er bereits mehr Raketen von Drohnen aus abfeuern lassen, als sein Amtsvorgänger Bush insgesamt. Das Budget ist massiv gestiegen, im Jahr 2010 sind 3,5 Milliarden allein für ferngesteuerte Flugzeuge eingeplant. Erstmals werden mehr Piloten für Drohnen ausgebildet als für herkömmliche Maschinen. Politiker, Soldaten und Lobbyisten verkaufen der Öffentlichkeit diese Entwicklung als sauberen High-Tech-Krieg. Sie benutzen Visionen aus Computerspielen, Agentenfilmen und Science-Fiction-Romanen, entwickeln Träume vom Sieg im "Krieg gegen den Terror", den George W. Bush einst erklärte.

    "Einer der Trends, der sich gerade entfaltet, ist das, was ich 'Militainment' nenne. Die Vermischung von Militär und Unterhaltung. Eines der beliebtesten Ego-Shooter-Spiele heißt 'America’s Army'. Es wird vom US Militär bezahlt. Wer mitspielen will, muss seine Kontaktdaten hinterlassen, so dass das Militär sich mit ihm in Verbindung setzen kann. Aber diese Spielumgebung wird auch von der Armee intern als allgemeine Trainingsplattform genutzt, mit der man üben kann, einen bewaffneten Roboter zu bedienen."

    Tagesschau:

    "Im Nordwesten Pakistans sind bei einem mutmaßlichen US-Raketenangriff zwölf Menschen getötet worden. Nach Angaben aus Geheimdienstkreisen wurde ein Haus in Danda Darpa Kehl von einer unbemannten Drohne getroffen. Unter den Opfern seien auch Frauen und Kinder."

    Eine Fernseh-Werbung der amerikanischen Luftwaffe. Orangefarbene Marslandschaft, darin ein Trupp Soldaten. "Kein Zeichen von Leben", meint der Anführer. Eine Predator-Drohne rauscht über sie hinweg. Mit ihrer Spezialkamera entdeckt diese plötzlich einen Scharfschützen. Die Bilddaten gelangen über einen Satelliten zu einer Kommandozentrale. Zwei gutaussehende Männer überwachen den Einsatz in der orangefarbenen Wüste.

    "Das ist kein Science Fiction, wir tun das täglich."

    "Es war eine israelische Drohne, die 'Pioneer', die als erstes Produkt auf den Markt kam. 20 Jahre später werden in diesem Marktsegment über eine halbe Milliarde Dollar pro Jahr umgesetzt. Bei den Landrobotern hat das nur zehn Jahre gedauert. Und bei den Unterwasserrobotern wird es noch schneller gehen."

    Joe Dyer, Vize Admiral im Ruhestand, ist ein freundlicher Mann mit ordentlichem Scheitel. Er war Projektmanager für Forschung und Entwicklung bei den Marine-Fliegern, davor Chef-Testpilot. Jetzt arbeitet er für die Firma iRobot, die sich in den vergangenen Jahren von einer Universitätsausgründung zu einem Unternehmen mit einem Jahresumsatz von 300 Millionen Dollar entwickelt hat. Sein Washingtoner Kontaktbüro befindet sich in einem Hochhaus-Block, dessen Klingelschilder ein Who-is-Who der amerikanischen Rüstungsindustrie bilden. Das amerikanische Verteidigungsministerium, das Pentagon, befindet sich in Sichtweite.

    "Meine Vorgänger bei der Marine arbeiten jetzt alle für die großen Rüstungsfirmen: Boeing, Northrop Grumman. - Ich wollte das nicht machen. Erstens weil man dort nicht so viel Spaß hat, und zweitens weil ich für eine Firma arbeiten wollte, die das Potential hat, die Welt zu verändern."

    iRobot baut neben Staubsaugerrobotern, die eigenständig durch die Wohnung ziehen, den Militärroboter namens "Packbot". Dieses Raupenfahrzeug ist groß wie eine Schubkarre, kann Treppen hochklettern, durch Matsch fahren und, je nach Kundenwunsch, Kameras und auch eine Waffe mit an Bord nehmen. Joe Dyer:

    "Diese Roboter sind sehr integrierte Systeme, das heißt: alle Teile müssen eng aufeinander abgestimmt sein. Sie müssen bei langsamen Geschwindigkeiten sehr kontrolliert fahren, aber sie müssen auch ein hohes Tempo einschlagen können. Dabei dürfen die Raupen-Gummis nicht zu kalt und nicht zu heiß werden. Wir haben diese Gummis selbst entwickelt, weil unsere Ansprüche an die chemische Herstellung besondere waren."

    Der Durchbruch für die militärischen Land-Roboter kam im Jahr 2002: Die Maschinen waren technisch ausgereift, und nach den Anschlägen vom 11. September wurden die Mittel freigemacht, sie in wachsender Zahl zu beschaffen. Im Afghanistan-Krieg nutzten die Amerikaner die Roboter für die Suche nach Waffenlagern in Höhlen und setzten sie zum Entschärfen von Bomben und Minen ein. Inzwischen aber, und darauf ist Joe Dyer besonders stolz, kaufen nicht nur die Spezialeinheiten sondern auch die allgemeine Truppe bei ihm ein. Immerhin träten nach Armeeangaben 52 Prozent der Verletzten und Todesfälle beim Erstkontakt mit dem Feind ein, weiß Joe Dyer. So etwas sollte man dann doch lieber einem Roboter überlassen.

    "The US Army tells us that 52 percent of the casualties come in first contact with the enemy. Perhaps no surprise. The army now thinks, what a great job for a robot."

    Auch die Bundeswehr ist Kunde bei iRobot. Und die Investitionen in ferngesteuerte Maschinen sollen steigen: Die deutschen Militärstrategen wollen ihre unbewaffneten Drohnen aufrüsten. Entsprechende Angebote aus den USA und Israel liegen vor. Heute schon besitzen neben den USA und Israel auch Großbritannien und Italien einige Angriffsdrohnen. Etliche andere Länder haben Interesse bekundet, darunter Pakistan und die Türkei. Ein weiteres heißes Thema für die Waffenbeschaffer in aller Welt sind neuartige Unterwasserroboter. iRobot hat inzwischen eine Firma übernommen, die auf sogenannte Glider spezialisiert ist: schlanke Röhren, die wie Torpedos durchs Meer schwimmen. Sie können über lange Zeiträume die Lage unter Wasser beobachten, sind aber auch in der Lage, Geschosse abzufeuern. Joe Dyer:

    "In Zukunft werden Drohnen in der Luft mit Robotern auf dem Boden und mit Robotern unter Wasser kommunizieren. Die unbemannten Geräte werden in Netzwerken, vielleicht sogar in Schwärmen operieren. So werden sie werden überall in der Welt die Lage beobachten und Macht ausüben."

    Dyer und seine Kollegen von den anderen Rüstungsfirmen entwickeln heute schon miniaturisierte Landroboter, die wie Spielzeugautos eine Gegend erkunden, und Nano-Drohnen, die wie Hornissen ausschwärmen können. Sie planen große ferngesteuerte Flugzeuge, die schnell wie Kampfjets fliegen und die wie ein Bomber große Mengen an Sprengstoff über einer Stadt abwerfen können. Und bei all dem Schrecken und Tod, den diese Maschinen bringen können, wirbt die Firma IRobot mit dem Claim: "Coole Sachen bauen, tolle Produkte herstellen, Geld verdienen, Spaß haben, die Welt verändern." Joe Dyer:

    "Unsere Roboter werden mit genau so einem Game Controller gesteuert, wie Sie ihn von Computerspielen her kennen. Unserer ist nur etwas robuster gebaut. Wem es also Sorgen macht, dass Jugendliche heute so viel Zeit mit Computerspielen verbringen, der sollte sich klar machen, dass sie eigentlich nur trainieren, um später gute Roboter-Piloten zu werden."

    Peter Singer:

    "Anfang des Jahres kam ein neues Spiel heraus 'Modern Warfare II', ein Kriegsspiel. Es handelt sich um die populärste Form der Unterhaltung in der Geschichte der Menschheit. Der Verkaufsumsatz dieses Spiels betrug am ersten Tag 310 Millionen Dollar. Zum Vergleich: Der Film 'Avatar' spielte am ersten Tag nur 27 Millionen Dollar ein. Hier passiert etwas Seltsames und Befremdliches."

    Auf Youtube - der beliebten Video-Plattform im Internet haben Nutzer viele Kriegsspiel-Sequenzen eingestellt, doch nicht nur das. Die Grenzen zwischen Spiel und Realität verschwimmen. In einem Clip zum Beispiel, mit klassischer Musik unterlegt, sind die Aufnahmen einer Drohnenkamera zu sehen, die langsam über eine Straße schwenkt, dann auf eine Person heranzoomt und sie ins Zielfenster nimmt. Dann ändert sich die Musikrichtung: Die Drohne feuert. An der Stelle, wo der Mann lief, sind nur noch Rauchschwaden zu sehen.

    Soldaten nennen so etwas "Warporn": Kriegsporno. Hunderttausende klicken auf diese Seiten. Bei den Kommentaren unter dieser Youtube-Seite häufen sich begeisterte, militaristische Einträge. Einer der Internet-Zuschauer schlägt vor, doch eine Website einzurichten, auf der Interessierte sich an der Terroristenjagd beteiligen könnten. Peter Singer:

    "In unseren Demokratien erklären wir schon lange keinen Krieg mehr, es gibt auch keine Mobilisierungen, keine Kriegssteuern. Stattdessen haben wir eine neue Technologie, bei der man sich – so scheint es - über Konsequenzen keine Gedanken machen muss. Die Schwelle zum Krieg wird so immer niedriger – und die Öffentlichkeit denkt, der Krieg sei kostenlos."

    Für ein ganz anderes Youtube-Video haben sich bislang gerade einmal 230 Internetnutzer interessiert: Die Dokumentation einer Friedenskundgebung vor der CIA-Zentrale Anfang des Jahres. Ein Banjo spielt, das Lebensgefühl der Anti-Vietnamkriegs-Proteste wird für einen Moment spürbar. Dann spricht, mit einem Megafon in der Hand, Cindy Sheehan, die ihren Sohn im Irakkrieg verlor.

    "Den größten Widerstand gegen diesen Protest habe ich von Leuten erhalten, die zu mir gesagt haben: 'Aber Cindy, die Drohnenbombardements tragen doch dazu bei, die Verluste der Amerikaner zu reduzieren. Bist Du nicht froh darüber?' Meine Antwort ist: Verluste der Amerikaner werden nicht reduziert, sie werden eliminiert. Denn welches Risiko soll schon jemand tragen, der in einer Luftwaffenbasis sitzt, ein Computerspiel spielt und dabei unschuldige Menschen bombardiert? Wenigstens wissen wir inzwischen, das diese Leute innere Konflikte haben, mit dem, was sie da tun."

    Ein T-38 Talon Jet donnert in nur geringer Höhe über den Luftwaffenstützpunkt der Randolph Air Force Base in San Antonio, Texas. Das halb schwarz, halb weiß gestrichene Trainingsflugzeug liegt etwas unruhig in der Luft. Ein noch junger Pilot drückt seinen Flieger nach unten, korrigiert dabei die Lage immer wieder und landet schließlich. Die Randolph Air Force Base unterhält die größte Flugschule der Luftwaffe. Neuerdings kommen aber auch angehende Piloten hierher, die die wenigste Zeit ihres Berufslebens in der Luft verbringen werden. Der Ausbildungsleiter Jack Stallworth fährt mit einem Bus in ein neues Gebäude. In Zukunft wird es ausschließlich der Schulung von Drohnenpiloten dienen.

    "Wir wollen im kommenden Jahr 160 Piloten und 370 Sensor-Operateure ausbilden. Wir schaffen es nicht, die Nachfrage zu befriedigen, obwohl wir mit exponentiellen Steigerungsraten ausbilden, also mehr und mehr Flugschüler durch das Programm schleusen."

    Die Klassenräume sind denkbar einfach eingerichtet: Lange Tischreihen mit zwei großen Monitoren und einem Joystick an jedem Platz. Die Computerprogramme, die dort laufen, haben große Ähnlichkeit mit Flugsimulatoren, allerdings ohne die bei der Unterhaltungssoftware übliche Geräuschkulisse.

    "I’ll pull away from the ground right now and go to this view here. This is our targeting pod that we have."

    In ihrer Personalnot hat die amerikanische Luftwaffe Sonderklassen eingerichtet, für junge Soldaten ohne Flugerfahrung. Paul Russo und John Cuellar haben die klassische Ausbildung durchlaufen, sie schulen derzeit um:

    "Ich bin nach der High-School auf ein College der Luftwaffe gegangen, habe dann ein Jahr lang die Pilotenausbildung gemacht und bin jetzt den ferngesteuerten Flugzeugen zugeteilt worden. Ich denke, ich werde auf diese Weise viel mit den Bodentruppen zusammenarbeiten können. Ich denke, dass das ein guter Weg für mich ist."

    "Wir haben in der Ausbildung auch die IEDs kennen gelernt: die versteckten Sprengsätze, die von Kämpfern in Afghanistan oder im Irak gebaut werden. Und wir haben mit Soldaten gesprochen, die von den IEDs verletzt wurden. Das geht einem schon sehr nahe. Wir wissen jetzt genau, warum und für wen wir diese Arbeit tun werden. Wir werden eine enge Unterstützung aus der Luft anbieten - und so Leben retten. Und auch töten, um Leben zu retten – wenn nötig."

    "Das Ganze wird also viel schwieriger werden als ein Computerspiel. Denn bei einem Computerspiel gibt es keinen echten Druck. Vielleicht werden wir nicht in der Luft sein, aber es werden andere Leute vor Ort am Boden sein. Das ist nichts, was man auf die leichte Schulter nehmen kann."

    Gleichzeitig mit den Drohnen-Piloten werden auch Sensor-Operateure ausgebildet. Sie sitzen immer neben den Piloten und steuern eine große Kugel, die unter dem Rumpf der Drohnen hängt. Darin befinden sich die verschiedenen Kameras für sichtbares und infrarotes Licht, sowie ein Radar, der durch Rauch und Nebel schauen kann. Außerdem: ein System, mit dem die Drohnen-Operateure ein Ziel in mehreren Spektralbereichen anvisieren können.

    Wie die Zusammenarbeit zwischen Pilot und Sensor-Operateur funktioniert, zeigt ein Youtube-Video, dessen Ursprung unbekannt ist: Eine Frau und ein Mann sitzen nebeneinander auf großen Sesseln vor einer Vielzahl von Monitoren, die Hände an Steuerknüppeln.

    "I have been in for 14 years – and just wanted to try something different, RPAs is the latest thing in the AF, so I applied for it…"

    Bei der Air Force sei er schon seit 14 Jahren, erzählt Allen Karangalan. Einen Monat Training haben er und seine Kollegen jetzt hinter sich, nun werden sie in Nevada und New Mexico auf ihren Einsatz vorbereitet, der in wenigen Monaten beginnen wird.

    "Wir sind alle sehr aufgeregt. Wir werden in Kampfhandlungen verwickelt sein. Wir werden aber nicht körperlich vor Ort sein. Aber wenn wir damit fertig sind, können wir nach Hause fahren und unsere Familien sehen. Das ist eine gute Sache."

    "Die meisten anderen Leute, die nach Hause kommen, können dann über ihre Arbeit sprechen. Für uns wird es das nicht geben."

    "Mein Vater arbeitet bereits bei einer 'Predator'-Einheit. Ich habe mit ihm über das Problem gesprochen. Er sagt, dass sie jetzt auch Ärzte und Psychologen dazu gezogen haben. Früher haben die Bomberpiloten ihre Waffen einfach nur aus großer Entfernung abgeworfen. Jetzt, mit dem 'Predator' und den hochauflösenden Kameras, kommt man dem Feind doch sehr nahe. Man sieht die Person, die man als Gefahr eliminiert. – Darum diese neuen Maßnahmen, um sicher zu stellen, dass wir einigermaßen bei Verstand bleiben."

    Tagesschau:

    "In Pakistan ist es die Nachricht des Tages. Der Chef des pakistanischen Ablegers der Taliban, Baitullah Mehsud, soll tot sein."

    Am 5. August 2009 kreist wenige Kilometer über einem Haus im Nordwesten Pakistans eine Drohne. Auf dem Dach hat sie Baitullah Mehsud ausgemacht, einen der meistgesuchten Terroristen. Die Kamera liefert gestochen scharfe Live-Bilder in die USA, die, nach Recherchen des Magazins "New Yorker", auch von ranghohen Mitarbeitern der CIA verfolgt werden. Mehsud, von dem bekannt ist, dass er unter Diabetes und einer Nierenkrankheit leidet, liegt auf einer Pritsche und erhält offensichtlich eine Injektion. Bei ihm seine Frau und ein Onkel.

    ZDF Heute:

    "Am Ende stand wohl ein kranker Mann mit einem Metallgestell und einer Infusionsflasche neben sich auf dem Dach eines Hauses in Pakistan. Und ahnte nicht, dass am anderen Ende der Welt, in den USA, in der Wüste von Nevada, ein amerikanischer Spezialist die Szene auf seinem Bildschirm hatte, eine Computer-Taste drückte und dem Leben von Baitullah Mehsud ein Ende setzte."

    Als der Nebel der Detonation sich verzogen hat, sehen die, die den Knopf gedrückt hatten, in Tausenden Kilometern Entfernung auch die Spuren des tödlichen Angriffs in allen Einzelheiten. 14 Monate lang hatten die Geheimdienstler mit Drohnen nach dem Terroristen gesucht, 15 Raketen hatten sie in diesem Zeitraum abgeschossen. Mehrere hundert Menschen kamen bei dieser Jagd ums Leben.

    "Ich habe den Krieg auf dem Boden erlebt, ich habe ihn in Kampfflugzeugen in der Luft erlebt, und ich war mit ferngesteuerten Fliegern im Krieg. Emotional gibt es da keinen Unterschied. Meine Erfahrungen mit den Drohnen sind mir sogar noch näher, weil ich mit diesen Flügen viel länger beschäftigt war. "

    Colonel Eric Mathewson trägt seinen Flieger-Overall gern, auch wenn er inzwischen in einem Washingtoner Büro der Air Force arbeitet. 1999 erhielt er die Gelegenheit, in der Nähe von Las Vegas eine Drohnen-Fliegerstaffel aufzubauen. Mathewson erzählt, dass er sich schnell daran gewöhnte, ein Flugzeug aus der Ferne zu steuern, ohne Beschleunigungskräfte zu spüren. Auch mit der kleinen Zeit-Verzögerung, hervorgerufen durch Datenwandlung und die Übertragung per Satellit, kam er bald zurecht. An eine Sache aber konnte sich Mathewson nie so richtig gewöhnen.

    "Ich erinnere mich noch daran, wie wir die Flugverbotszone über dem Irak sicherten und zum ersten Mal von Flugabwehrraketen angegriffen wurden. Für einen Kampfpiloten wie mich war das eine unerträgliche Situation. Ich wollte etwas gegen die Angriffe tun und konnte es nicht. Das war damals sehr frustrierend."

    Nach dem 11. September 2001 änderte sich die Lage: Mathewson und seine Kollegen, die sich für die Bewaffnung der Drohnen einsetzten, fanden in Washington Gehör. Die Ingenieure der Firma "General Atomics" schraubten erstmals Hellfire-Raketen unter den "Predator", der heute im Smithsonian Museum in Washington DC hängt. Heute verfügt die Amerikanische Luftwaffe über etwa 160 bewaffnete Drohnen, Ende 2013 sollen es 260 sein. Gegenwärtig sind 40 der Maschinen stets in der Luft, 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Sie sammeln Informationen, verfolgen einzelne Personen, Gruppen, Fahrzeuge, schlagen zu.

    Über die Dunkle Seite der Drohneneinsätze spricht Eric Mathewson nicht. Dafür erzählt er, dass 97 Prozent der Flüge unspektakulär seien, reine Aufklärungs- und Überwachungsmissionen. Er berichtet von Kampfeinsätzen, bei denen er und seine Kollegen Konvois in Afghanistan vor Angreifern schützen konnten, auch britische und deutsche. Und er erzählt davon, dass viele Piloten an den Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit operieren.

    "Wir haben viel mit dem Problem der Erschöpfung zu kämpfen. Weil unsere Missionen so extrem erfolgreich waren, haben wir versucht, immer noch mehr zu erreichen. Aber wenn man ständig mit voller Schubkraft unterwegs ist, immer am Limit, dann geht es irgendwann nicht mehr. Das war meine Hauptsorge als Geschwader-Befehlshaber: Die Erschöpfung meiner Leute."

    ZDF Heute:

    "Auf 20 tote Al-Kaida-Führer kommen mittlerweile Hunderte von Zivilen Opfern. Das ist der Preis für den angeblich so perfekten Krieg mit dem Joystick."

    "Dass sich die Wut der Pakistanis nach solchen Anschlägen immer deutlicher eine neue Richtung sucht. Nicht mehr gegen die militanten Islamisten, die die Sprengsätze zünden, sondern gegen die USA, die Pakistan zur Front in ihrem Kampf gegen den Terror machen. Von Studenten, die nicht gleich Unterstützer der Taliban oder Al-Kaidas sind."

    "Unsere Regierungen sind nur die Diener Amerikas. Sie führen deren Kämpfe. Tapfere Studenten zerstört diese Pro-Amerikaner."

    "Viele Pakistanis glauben, erst der amerikanische Krieg gegen den Terror in der Region hätte die Selbstmordattentäter in Pakistan aufgeweckt."

    Während die amerikanischen Militärs sich vor allem Gedanken über den Schutz und die Belastbarkeit ihrer eigenen Soldaten machen, gibt es in den USA auch andere Stimmen. Gary Solis, Professor für Kriegsrecht an der Georgetown Universität und an der United States Military Academy in Westpoint, fragt sich, ob sich die Strategie der massiven Drohneneinsätze nicht auch als kontraproduktiv erweisen könnte.

    "Kontraproduktiv weil die Leute, die von den Drohnen getötet werden, oft Zivilisten sind, die nichts mit dem Konflikt zu tun haben. Aber selbst, wenn sie etwas mit dem Konflikt zu tun haben, diese Angriffe führen dann nur dazu, dass die terroristischen Organisationen mehr Zulauf erhalten. Jedes Mal, wenn die Leute das Brummen der Drohne hören, denken sie: USA – böse. Diese Angriffe schüren die antiamerikanische Stimmung in der Bevölkerung vor Ort. "

    Es ist längst nicht mehr nur die Air Force, die die Drohnen einsetzt. Auch die CIA nutzt sie massiv, wie der Fall des Talibanführers Mehsud zeigt. Die Rechtsgrundlage für die ferngesteuerten Killerkomandos bildet ein Memorandum, das George W. Bush einst unterzeichnete. Es erlaubt der CIA, Terroristen überall in der Welt zu jagen. CIA-Chef Leon Panetta bezeichnet die Drohnen als "Only game in town", als das einzige verfügbare Spiel – das heißt: er sieht keine andere Möglichkeit, etwas gegen die Terrorgruppen zu unternehmen. Aus einer Spezialtaktik für Einzelfälle ist eine breite Kriegsstrategie im Halbdunkel geworden. Umgesetzt wird sie von zivilen Mitarbeitern und Subunternehmern des Geheimdienstes. Kein Parlament, keine UN-Institution, kein Journalist kann diese Operationen kontrollieren. Gary Solis:

    "Auch wenn wir hier über ferngesteuerten Krieg sprechen - das Kriegsrecht gilt hier immer noch: Wenn man so etwas tut, muss man sein Ziel genau kennen und der Waffeneinsatz muss verhältnismäßig bleiben. Und genau hier liegt das Problem der Drohnen. Sie haben wundervolle Kameras mit einer erstaunlichen Auflösung – aber sie sind nicht in der Lage, Individuen unten auf dem Boden eindeutig zu identifizieren. Darum muss man sehr vorsichtig sein. Und ich habe den Eindruck, dass wir nicht immer sehr vorsichtig sind, bei der Auswahl unserer Ziele."

    "Ich sehe eine Person mit einer Waffe."

    "Fünf, sechs Personen mit AK-47. Erbitte Genehmigung zu Schießen."

    "Ist genehmigt. Hab persönlich nichts dagegen. Ihr könnt schießen."

    "Lass sie alle hoch gehen. Los schieß."

    "Da liegen jetzt einpaar Körper herum. Acht Personen."

    Ein dramatisches Beispiel für mangelnde Vorsicht bei der Zielauswahl und die fatale Dynamik der Militärmaschinerie wurde erst vor wenigen Wochen bekannt: Im Jahr 2007 töteten amerikanische Soldaten von einem Hubschrauber im Irak aus zwei Reuters-Journalisten und andere Zivilisten. Außerdem verletzten sie zwei Kinder schwer. Die Soldaten hatten die Fotoapparate der Journalisten für Waffen gehalten. Die Originalaufnahmen dieses schaurigen Ereignisses sind für jedermann einsehbar: Sie wurden der Website "Wikileaks" zugespielt. Die Bilder und der zynische Ton der Soldaten erinnern an ein Computerspiel.

    "Da kommt ein Kleinbus herangefahren, der Leichen aufsammelt und vermutlich auch Waffen."

    "Darf ich schießen. – Erbitte Erlaubnis zu schießen."

    "Mach schon. Lass uns endlich schießen."

    "Clear. C’mon."

    "Schau Dir die toten Bastarde an."

    "Gut geschossen."

    "Danke."

    Gary Solis:

    "Ein Befehlshaber würde darauf immer antworten: Moment mal, die Drohnen sind trotz alledem eine großartige Waffe. Ich kann den Feind töten und gehe kein Risiko ein. Außerdem sind die Drohnen billig – im Vergleich zu einem B-52 Bomber oder einem F-16-Jet. Die Drohnen werden also nicht wieder von der Bildfläche verschwinden. Im Gegenteil, wir werden immer mehr von ihnen sehen."

    "Die Kinder werden in ein örtliches Krankenhaus gebracht."

    "Sie sind selbst schuld, wenn sie ihre Kinder in eine Schlacht mitnehmen."

    "Genau."