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Krise auf Korfu

Sommer, Sonne, Strand, mit dieser einfachen Formel bestreitet Griechenland rund ein Fünftel seines Bruttoinlandsprodukts. Gut eine Million Griechen profitieren direkt oder indirekt von den Touristen. Doch dieses Jahr bleiben die Besucher aus.

Von Alkyone Karamanolis |
    Margarita Giannouli sitzt im Schatten ihrer Bar. Vor ihr: der Strand von Moraitika, einer der schönsten Badeorte auf Korfu. Eine lange, sandige Bucht vor dunklem Kiefernwald. Wie ein Spiegel liegt das Meer im silbrigen Licht des Nachmittags da – während sich gegenüber die Silhouette des Festlands abzeichnet. Doch zum Entspannen ist der Mittvierzigerin nicht zumute:

    "Wir reden seit Jahren von einer Krise im Tourismus, aber so schlimm war es noch nie. Normalerweise gab es am Strand um diese Jahreszeit kein Durchkommen. Und jetzt? Alles überschaubar!"

    Um Kosten zu sparen, hat Margarita Giannouli die Bar die ersten Wochen alleine mit ihrem Mann betrieben und das Personal erst später eingestellt. Außerdem haben sie dieses Jahr erst einige Wochen später geöffnet als üblich – wie die meisten hier in Moraitika. Zum Beispiel Spyridoula Blahou, die mit ihrem Mann eine kleine Pension nicht weit vom Strand betreibt:

    "Normalerweise hatten wir von Mai bis September ein volles Haus. Jetzt kommen die Leute nur während der Hochsaison, und auch da sind es weniger. Unsere Fixkosten laufen aber weiter, das ganze Jahr durch – wie sollen wir die decken?"

    Ortswechsel: Athen, Altstadt, beste Lage, nur wenige Meter vom neu eröffneten Akropolis-Museum entfernt. Hier hat Dimitris Lymperopoulos sein Geschäft. Im Schaufenster: bunte Figuren: ein Pan, eine Aphrodite, dazu: silberne Amulette. Doch weder die heidnischen noch die christlichen Götter und Heiligen konnten den Silberschmied vor der diesjährigen Krise bewahren.

    "Es kommen Leute, aber sie haben kein Geld. Im Vergleich zu letztem Jahr haben wir mindestens 30 Prozent weniger Einnahmen. Dabei wird ansonsten alles teurer! Aber die Kunden schauen nur nach den billigsten Artikeln im Laden, selbst Ramsch würden sie kaufen, Hauptsache es kostet nicht mehr als ein paar Euro."

    Dimitris Lymperopoulos zeigt auf die feinen Silberschmiedarbeiten im Regal hinter der Kasse, die von ihm selbst stammen. Er müsse sie so billig anbieten, dass sich die Arbeit fast nicht mehr lohnt, sagt der Händler enttäuscht.

    Über 300.000 Menschen leben in Griechenland vom Tourismus. Indirekt ist es fast eine Million. Jedes vierte Kleinunternehmen profitiert vom Geschäft mit dem Urlaub: Getränkeverkäufer, Tavernenzulieferer, Bäcker – und so fort. Und so trifft das Krisenjahr die gesamte Wirtschaft. 19.000 Menschen im kleinen Griechenland sind derzeit wegen der Tourismusflaute arbeitslos. Wobei nicht alle Orte in gleicher Weise betroffen sind, erklärt Andreas Antoniou. Er betreut als geschäftsführender Direktor eine Reihe von Hotelanlagen in Griechenland:

    "Es gibt Urlaubsziele, die sind sozusagen erschöpft. Weil sie nichts neues zu bieten haben, weil ihre Hotels veraltet sind oder ganz einfach, weil die Anreise dorthin teurer ist als in andere Urlaubsgegenden im Land. Andererseits sehen wir im selben Ort Hotels, die gut laufen und andere, die nicht gut laufen. Es ist also auch eine Frage des Marketing."

    Am schlimmsten trifft es die Inseln der Ägäis: Rhodos oder Kreta zum Beispiel. Insgesamt rechnet der griechische Tourismussektor mit 20 Prozent weniger Einnahmen dieses Jahr, auch, weil viele Dienstleister die Preise gesenkt haben. Außerdem kommen nicht nur weniger Gäste, sie bleiben dieses Jahr auch nicht so lang wie sonst. Für Andreas Antoniou ist klar: Nur erstklassiger Service kann die Gäste in Zeiten der Krise locken. Für Spyridoula Blahou auf Korfu bedeutet das vor allem Gastfreundschaft:

    "Wir wollen, dass sich unsere Gäste bei uns wie zu Hause fühlen. Meine Schwiegermutter zum Beispiel, die auch eine kleine Pension betreibt, gleich unten am Strand, pflanzt ihr eigenes Gemüse, und sie hält Hühner. Und morgens füllt sie ihren Korb mit frischen Sachen und verteilt sie an ihre Gäste. Wir haben Familien, die kommen seit 20 Jahren. Da kann das, was wir anbieten, doch nicht so falsch sein!"