Es sind szenische Metaphern wie diese, mit denen Falk Richter und die Choreografin und Tänzerin Anouk van Dijk von der seelischen Verfassung von Menschen im Turbo-Kapitalismus erzählen. Da ist zum Beispiel ein Paar, das sich, leitmotivisch wiederkehrend, mit der Frage beschäftigt, ob und wie lang zwischen ihnen überhaupt eine Beziehung bestand. Kay Bartholomäus Schulze und Judith Rosmair spielen diese modernen Imagekonstrukte in ihren Ritualen des Verpassens. Sie hat sein vieles Geld durchgebracht und seine Autos verschenkt an irgendwelche Lover, und während sie in einer atemlosen Suada eine Kaskade der Treulosigkeiten offenbart, ergreifen sie zwei Tänzer, und lassen sie durch die Luft fliegen wie ein Fabelwesen. Eine bravouröse Fusion aus Bild, Bewegung und Sprache, und einer der kurzen Augenblicke, in denen der alte Traum der neuen Schaubühne von der Fusion von Tanz und Theater eingelöst wird. Denn manches bleibt unverbunden: Da sind immer wieder tänzerische Figuren des Abprallens und des Abstoßens zu sehen, während von der Hoffnungslosigkeit in Beziehungsdingen die Rede ist, ist der tänzerische Beitrag nur eben illustrativ und nicht aus sich heraus szenisch erhellend. In loser Folge laufen die Szenen auf einer von einem schwarzen Galeriegerüst nach hinten begrenzten Bühne ab, während Falk Richters Darsteller auf der Vorderbühne in Monologen aktuelle Themen abhandelt:
"Und wir fahren vorbei an einer Gruppe demonstrierender Mittfünfziger, Angestellte eines in Not geratenen Warenhauses, die schweigend hinter einem großen Banner mit der Aufschrift "Wir sind das Herz der Innenstadt, lasst uns nicht sterben" auf den bevorstehenden Zusammenbruch der großen Warenhauskette hinweisen und sind leise verwirrt, da wir uns noch an Zeiten erinnern, da noch gegen diese Tempel des Konsumterrors eines als unmenschlichen Schweinesystems verschrienen Orte aggressivst mobilgemacht wurde."
War der ehemalige Vorstandschef, gemeint ist natürlich Thomas Middelhoff, mit seinem Karstadt-Zerstörung-Werk nicht viel effektiver als dereinst die RAF, fragt Falk Richter in einem seiner politischen Soli, für deren kabarettöse Darstellung sich das Publikum mit Szenenapplaus bedankt. Die Bereicherungswut weniger, so die Bilanz des Abends, die Subsumierung sämtlicher Lebensbereiche unter eine umfassende Geld-Herrschaft mit ihrem Cross-Border-Leasing und anderen Produkten der New Economy zerstört nicht nur die Lebenswelt der Menschen und ihre Beziehungsfähigkeit, sondern letztlich auch das Bewusstsein ihrer selbst und damit eine der Errungenschaften der abendländischen Aufklärung. Warum aber, und das ist für Falk Richter die zentrale Frage, ist kein Widerstand gegen die Herrschaft dieser Zustände erkennbar?
"Das Vertrauen ist nun einfach mal weg, und meine Wut muss ja mal irgendwohin. Ich kann ja nicht unentwegt, wenn ich wütend bin, ein Che-Guevara-T-Shirt bei Prada kaufen und damit voll wütend über den K-Damm laufen. Ich muss doch endlich mal Formen entwickeln, damit meine Wut in irgendetwas hineinfließen kann, bei dem ich das Gefühl habe, Sachen ändern sich und zwar nicht immer nur Sachen, die man kaufen muss."
Am Ende, wenn der Abend in melancholischer Meditation endet, ist von einem Zustand immerwährender Vergebung die Rede, von einer Welt, in der jeder Fehler sofort wieder ausgeglichen wird, jede verlorene Milliarde gleich wieder nachgedruckt wird, jeder Irrtum auf dem Wege von einem freundlichen Navigationssystem sofort korrigiert wird. In Richters "Trust", was ja sowohl Vertrauen meint als auch den globalen Konzern- und Machtkomplex, sind die reichen Menschen jetzt in einer himmlischen Verantwortungslosigkeit angelangt, wo Geld und Religion eins geworden sind. "In God we trust" steht auf amerikanischen Dollarnoten, und was es bedeutet, wenn man Gott und Geld fusioniert, darüber gibt "Trust" witzig-böse Auskunft.
"Und wir fahren vorbei an einer Gruppe demonstrierender Mittfünfziger, Angestellte eines in Not geratenen Warenhauses, die schweigend hinter einem großen Banner mit der Aufschrift "Wir sind das Herz der Innenstadt, lasst uns nicht sterben" auf den bevorstehenden Zusammenbruch der großen Warenhauskette hinweisen und sind leise verwirrt, da wir uns noch an Zeiten erinnern, da noch gegen diese Tempel des Konsumterrors eines als unmenschlichen Schweinesystems verschrienen Orte aggressivst mobilgemacht wurde."
War der ehemalige Vorstandschef, gemeint ist natürlich Thomas Middelhoff, mit seinem Karstadt-Zerstörung-Werk nicht viel effektiver als dereinst die RAF, fragt Falk Richter in einem seiner politischen Soli, für deren kabarettöse Darstellung sich das Publikum mit Szenenapplaus bedankt. Die Bereicherungswut weniger, so die Bilanz des Abends, die Subsumierung sämtlicher Lebensbereiche unter eine umfassende Geld-Herrschaft mit ihrem Cross-Border-Leasing und anderen Produkten der New Economy zerstört nicht nur die Lebenswelt der Menschen und ihre Beziehungsfähigkeit, sondern letztlich auch das Bewusstsein ihrer selbst und damit eine der Errungenschaften der abendländischen Aufklärung. Warum aber, und das ist für Falk Richter die zentrale Frage, ist kein Widerstand gegen die Herrschaft dieser Zustände erkennbar?
"Das Vertrauen ist nun einfach mal weg, und meine Wut muss ja mal irgendwohin. Ich kann ja nicht unentwegt, wenn ich wütend bin, ein Che-Guevara-T-Shirt bei Prada kaufen und damit voll wütend über den K-Damm laufen. Ich muss doch endlich mal Formen entwickeln, damit meine Wut in irgendetwas hineinfließen kann, bei dem ich das Gefühl habe, Sachen ändern sich und zwar nicht immer nur Sachen, die man kaufen muss."
Am Ende, wenn der Abend in melancholischer Meditation endet, ist von einem Zustand immerwährender Vergebung die Rede, von einer Welt, in der jeder Fehler sofort wieder ausgeglichen wird, jede verlorene Milliarde gleich wieder nachgedruckt wird, jeder Irrtum auf dem Wege von einem freundlichen Navigationssystem sofort korrigiert wird. In Richters "Trust", was ja sowohl Vertrauen meint als auch den globalen Konzern- und Machtkomplex, sind die reichen Menschen jetzt in einer himmlischen Verantwortungslosigkeit angelangt, wo Geld und Religion eins geworden sind. "In God we trust" steht auf amerikanischen Dollarnoten, und was es bedeutet, wenn man Gott und Geld fusioniert, darüber gibt "Trust" witzig-böse Auskunft.