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Krisenmanagement von Ditib
Ankara gibt noch immer den Ton an

Der größte Moscheeverband in Deutschland steckt in einer tiefen Krise. Die Ditib mit rund 900 Moscheen ist zuletzt massiv kritisiert worden. Der Vorwurf: Imame in Deutschland würden hierzulande für Ankara spitzeln. Wie reagiert der Verband in der Krise?

Von Hüseyin Topel |
    Eine Aufnahme der Moschee mit zwei Minaretten.
    Imamen, von der türkischen Religionsbehörde Diyanet nach Deutschland geschickt, wird vorgeworfen,Mitglieder deutscher Moschee-Gemeinden der DITIB ausspioniert zu haben (AFP / Olivier Douliery)
    Offenbar will die Religionsbehörde in der Türkei ihren deutschen Arm stärken, indem sie in die Offensive geht. In eine PR-Offensive. Zu diesem Zweck wurden jüngst ausgewählte deutsche Journalisten extra nach Ankara eingeflogen. Die Kritik an der DITIB in der deutschen Öffentlichkeit war zu laut geworden. Imame, von der türkischen Religionsbehörde nach Deutschland geschickt, hätten, so der Vorwurf, Gläubige in deutschen Moschee-Gemeinden der DITIB ausspioniert. Sie hätten dann im Auftrag der türkischen Religionsbehörde Berichte über vermeintliche Regierungsfeinde in die Türkei geschickt. Für den Präsidenten der türkischen Religionsbehörde Diyanet ist das nichts als ein Missverständnis.
    Bespitzelung als Vorsichtsmaßnahme?
    Bei der Pressereise für deutsche Journalisten sagte Mehmet Görmez:
    "Es ist falsch, diese Vorsichtsmaßnahmen unserer Regierung als Spitzelei zu bezeichnen. Diese Unterstellung macht uns traurig. Wir wollen die Menschen in Deutschland und Europa vor terroristischen Gefahren bewahren. Und diese Terrorgefahr kann von FETÖ ausgehen."
    Wenn Mehmet Görmez hier von FETÖ spricht, meint er damit den im US-amerikanischen Exil lebenden Fethullah Gülen und seine internationale Bewegung. Gülen wurde von Staatspräsident Erdogan zum Drahtzieher des Putschversuchs im vergangenen Jahr erklärt. Dem schließt sich der Chef der staatlichen Religionsbehörde in der Türkei an. Für ihn sind FETÖ und islamistische Terrorgruppen nicht zu unterscheiden. Dazu Ali Bas, Landtagsabgeordneter und Islamexperte der Grünen in NRW:
    "Ich finde diese Begründung für die Bespitzelung haarsträubend, weil sie auch Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte, in rechtsstaatliche Prinzipien und Demokratieprinzipien legitimiert, mit diesen Begründungen. Das ist natürlich unter keinen Umständen akzeptabel. Sie vermitteln auch den Gemeindemitgliedern hier vor Ort ein völlig falsches Bild von der Wirklichkeit."
    Bespitzelung als Panne?
    Das sieht DITIB-Generalsekretär Bekir Alboga anders. Zunächst verharmloste er die Bespitzelungen als eine Panne und versprach wegen des medialen sowie politischen Drucks Aufklärung. Dann lotste er ausgewählte deutsche Journalisten nach Ankara und organisierte das exklusive Interview mit seinem Vorgesetzten Mehmet Görmez, in dem die Spionagetätigkeiten einzelner Imame verteidigt wurden.
    Bekir Alboga, Islamwissenschaftler und Sekretär der "Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion" (DITIB)
    Bekir Alboga, Islamwissenschaftler und Sekretär der "Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion" (DITIB) (imago/Metodi Popow)
    "So wie wir unsere Glaubensgemeinschaft vor radikalen Islamisten wie dem IS beschützen müssen, müssen wir sie auch vor denen beschützen, die eine weltweite Gefahr darstellen und sich spätestens nach dem Putsch vom 15. Juli als gewaltbereite Terrororganisation offenbart haben. Damals hat doch die ganze Welt gesehen, dass es sich bei der FETÖ um eine Terrororganisation handelt."
    Offenbar erhoffte sich die Ditib, ihr Diyanet-Chef Görmez könnte zum rettenden Fels in der Brandung werden, zum Retter des in Bedrängnis geratenen Bundesverbands der DITIB:
    "Ich finde es höchst komisch, dass dann der Bundesverband Journalisten in die Türkei einlädt, um dort vom Vorsitzenden der Diyanet sich das erklären zu lassen. Hier hätte ich klare Kommentierung und Bewertung vom Bundesverband erwartet und nicht vom Oberhaupt der Diyanet in der Türkei. Für mich ein weiterer Hinweis darauf, dass anscheinend ohne die Konsultierung der Diyanet in der Türkei hier in Deutschland irgendwie gar nichts läuft."
    Wenn deutsche Moschee-Gemeinden der DITIB sich ausschließlich an Direktiven einer staatlichen Behörde in der Türkei orientieren, sei das der falsche Weg, sagt Politiker Ali Bas:
    "Ich glaube nicht, dass ein Präsident eines religiösen Dachverbandes, der 3000 Kilometer weiter östlich seinen Sitz hat, einschätzen kann, wie die Lage hier vor Ort, in den Gemeinden ist."
    Erschreckender Rückzug in striktere Auslegung
    Wegen der Affäre der Spitzel-Imame ermittelt die Generalbundesanwaltschaft gegen DITIB. Das ist aber nicht die einzige Sorge des Moscheeverbandes. Zunehmend werden in einzelnen Gemeinden auch antiamerikanische und antisemitische Verschwörungstheorien wieder salonfähig, wie in einem Fernsehbeitrag des Hessischen Rundfunks zu sehen war:
    Autorin "De Facto" im HR:
    "Freitagsgebet in der DITIB Moschee in Frankfurt. Hier wird auch Politik gemacht. Der Putschversuch in der Türkei ist immer noch Thema. Wer wirklich dahinter steckt, steht für den Imam fest. Die Juden."
    Imam:
    "Für wen haben die Gülen-Leute die Waffen auf das eigene Volk gerichtet? Nicht für die Muslime. Wer hätte einen Vorteil davon, wenn es in der Türkei so schlimm wäre wie im Irak oder in Syrien? Nur die Amerikaner und die Israelis."
    Hierbei handelt es sich um einen Einzelfall. Ein Einzelfall war auch die ausgesprochen verschwörungstheoretische und politische Predigt beim ersten Freitagsgebet nach dem gescheiterten Putsch im Juli vergangenen Jahres. Schaut man sich die online zugänglichen Predigten der vergangenen sechs Monate an, gibt es fast nichts zu beanstanden. Auch nicht in der türkisch-sprachigen Version. Denn mittlerweile stammen die Predigten der DITIB von einer in Deutschland ansässigen Predigt-Kommission. Dennoch: Einzelne Moscheevereine veröffentlichen auf Facebook Inhalte, die der Landtagsabgeordnete und Islam-Experte Ali Bas verurteilt - etwa zur Weihnachtszeit jene Karikatur, bei der der Weihnachtsmann von einem muslimischen Mann verprügelt wurde.
    "Diese Postings sind sehr erschreckend, weil sie auch das Gegenteil von Öffnung darstellen, sondern ein Rückzug in striktere Auslegung des Islams. Das ist das Gegenteil von dem, was viele Gemeinden in Deutschland vor Ort in den letzten Jahren aufgebaut haben. Solche Sachen sind ein Rückschlag für den interreligiösen Dialog."
    Deshalb müsse die DITIB aus ihrer Krise jetzt endlichen die richtigen Schlüsse ziehen:
    "Für die DITIB sollte das ein Warnsignal sein, denn es macht sich ja auch in der Türkei ein Rückzug in strengere, konservativere Auslegung des Islams bemerkbar. Das sollte eigentlich einem Dachverband, der hier in Deutschland beheimatet ist, zu denken geben, wenn eben solche Ideen Einzug in ihren Gemeinden finden."