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Kristallkugel oder Prinzip Hoffnung?

Zwei Mal im Jahr trifft sich der Arbeitskreis Steuerschätzung. Mit seiner Steuerprognose liefert er die Grundlagen für die Haushaltsplanungen von Bund, Ländern, Städten und Gemeinden. Doch wie verlässlich sind die Vorhersagen?

Von Constanze Hacke | 29.04.2010
    Schätzen. Wenn man dieses Wort vor einigen 100 Jahren benutzte, meinte man nicht zwangsläufig: einen Wert nur zu veranschlagen. Die Schätzung war im Mittelhochdeutschen gleichbedeutend mit der Steuer; wer schätzte: besteuerte. Das ist heute nicht mehr so. Der Arbeitskreis Steuerschätzung, der sich zwei Mal im Jahr trifft, bereitet mit seinen Steuerprognosen aber die Grundlagen für die Haushaltsplanungen von Bund, Ländern, Städten und Gemeinden.

    Seit 55 Jahren kalkuliert der Arbeitskreis die Einnahmen des Staates, und zwar ohne dass es einen formalen Auftrag dafür gibt. Das Gremium ist in keinem Gesetz erwähnt. Es funktioniert einzig und allein auf der Basis eines Gentlemanagreements zwischen allen Beteiligten. Das heißt, die Mitglieder dieses Arbeitskreises legen die Art und Weise fest, wie man Steuereinnahmen schätzt. Immer im Mai und im November - und damit jeweils zum Auftakt und zum Ende der laufenden Haushaltsplanungen - setzen sich die Schätzer an einen Tisch: Vertreter der Finanzministerien von Bund und Ländern, der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute, des Statistischen Bundesamtes, des Sachverständigenrats, der Bundesbank und der Bundesvereinigung kommunaler Spitzenverbände.

    Ab Dienstag kommender Woche ist es wieder soweit. Dieses Mal reisen die Steuerschätzer der Nation für drei Tage nach Schleswig-Holstein in die Hansestadt Lübeck. Weit weg von Berlin und dem Landtagswahlkampf in Nordrhein-Westfalen - rechnen die Experten aus, wie viele Steuermilliarden dem Staat in den nächsten Jahren zur Verfügung stehen werden.

    Einer der Steuerschätzer ist Alfred Boss. Der 63-jährige Volkswirt forscht am Institut für Weltwirtschaft, kurz IfW, in Kiel. Sein Name ist vor allem mit dem regelmäßigen Subventionsbericht seines Hauses verknüpft. Seit 34 Jahren arbeitet Boss am IfW - und genauso lange ist er auch Mitglied im Arbeitskreis Steuerschätzung. In der Runde ist Boss mit Abstand der Dienstälteste. Und er ist einer der Fachleute, die die Zahlengrundlagen liefern.

    "Auf der Basis der Eckdaten der Bundesregierung schätzen die Wirtschaftsforschungsinstitute, die Bundesbank und der Sachverständigenrat, die anderen Teilnehmer sind Konsumenten - abgesehen davon, dass auch das Bundesfinanzministerium einen Schätzvorschlag präsentiert. Dann werden die Vorschläge zu den einzelnen Steuern - häufig noch differenziert nach Westen und Osten – diskutiert. Und je nachdem, wie die Argumente aussehen und je nachdem, wer die besten Argumente hat, einigt man sich dann auf eine Zahl für jedes Jahr bei einer bestimmten Steuer. Bis hin zu Dingen wie Sektsteuer."

    Die Experten diskutieren über die erhofften Einnahmen aus 30 Steuerarten und den Zöllen - bevor sie schätzen. Dazu werden komplizierte Rechenmodelle aufgestellt, die auf Daten wie Wirtschaftswachstum, Einkommenssteigerung, Inflation oder Beschäftigungsentwicklung basieren. Besonders lang und intensiv wird über die Einkommensteuer, die Lohnsteuer, die Umsatzsteuer und die großen Verbrauchsteuern, zum Beispiel die Energiesteuer, verhandelt und teils auch gestritten. Denn hier sind die höchsten Einnahmen zu erwarten.

    Nach drei Tagen ist Schluss mit der Debatte, denn am Donnerstag kommender Woche müssen die Zahlen an die Öffentlichkeit. Und der Bund übernimmt die Zahlen aus der Schätzung eins zu eins in seinen Haushaltsentwurf.

    Wie in jedem Jahr wird auch dieses Mal schon vorab viel über das mögliche Ergebnis spekuliert. Mehr als einmal hat die schwarz-gelbe Bundesregierung erklärt, die im Koalitionsvertrag zwischen Union und FDP angekündigten Steuersenkungen von der Schätzerprognose abhängig machen zu wollen. Und mehr als einmal verwiesen Koalitionspolitiker darauf, erst nach der Steuerschätzung darüber reden zu wollen, wo im Bundeshaushalt möglicherweise der Rotstift angesetzt werden muss. Eines aber scheint schon jetzt sicher zu sein: Die Steuereinnahmen werden mittelfristig sinken. Alfred Boss:

    "Im Großen und Ganzen werden die Schätzungen vom Mai 2009 beziehungsweise November 2009 bestätigt werden. Allerdings läuft die Wirtschaft ein klein bisschen besser als damals gedacht. Das für sich genommen würde ein paar Milliarden Mehreinnahmen bringen. Andererseits hat man ein sogenanntes Wachstumsbeschleunigungsgesetz beschlossen. Das bringt auf die mittlere Frist sechs bis acht Milliarden weniger Steuereinnahmen. Und der Saldo könnte null sein, möglicherweise ist der leicht negativ. Aber das ist eine sehr grobe Abschätzung."

    Daneben geschätzt? Das optimistische Prinzip.

    Alle Prognosen sind immer nur so gut wie die Annahmen, die man vorher hat. Und so nimmt die Qualität der Schätzerprognose - ähnlich wie eine Wettervorhersage - zum Ende des Prognosezeitraums ab. Der Bundesrechnungshof hat vor einiger Zeit die Steuerschätzungen als Haushaltsplanungsinstrument unter die Lupe genommen. Und festgestellt, dass die Schätzer vor allem in ihren mittelfristigen Vorhersagen ziemlich daneben lagen.

    Abweichungen zwischen Steuerschätzungsergebnissen und Ist-Daten im Bundeshaushalt:

    Für 2002: minus 10,2 Prozent
    Für 2003: minus 9,5 Prozent
    Für 2004: minus 12,7 Prozent
    Für 2005: minus 6,5 Prozent


    Ähnlich das Bild für Jahr 2009. Der Bundesrechnungshof stellte auch hier wieder ein Minus fest: Minus neun Prozent im Vergleich zur Steuerschätzung zwei Jahre zuvor. In Euro und Cent ausgedrückt, klaffte zwischen Schätzung und tatsächlichen Einnahmen pro Jahr ein gewaltiges Loch - von gut 20 Milliarden Euro. Einnahmen, die im Haushalt eingeplant waren, aber nach unten korrigiert werden mussten. Dieter Hugo, beim Bundesrechnungshof mit dem Thema Steuerschätzung befasst, glaubt, dass gerade über eine längere Frist die Tendenz besteht, die Steuereinnahmen zu optimistisch zu schätzen. Er kritisiert, dass das Datenmaterial für die mittelfristige Schätzung, also die Konjunkturprognose, fast ausschließlich von der jeweiligen Bundesregierung stammt.

    "Da gibt es kaum Institute, die sich mit der mittelfristigen Schätzung befassen. Da ist die Bundesregierung relativ alleine. Das ist natürlich nicht ganz ungefährlich, wenn man da keine Korrektureinrichtung hat, die vielleicht auch etwas pessimistischer an die Dinge rangeht, sodass unser Vorschlag war, dass man da doch mal versucht, möglicherweise ein, zwei, drei andere Stellen außerhalb der Bundesregierung zu finden, sodass man da eine gewisse Korrektur- und Kontrollmöglichkeit hat."

    Denn offenbar tendiert das Bundeswirtschaftsministerium - aus diesem Haus stammt die mittelfristige Konjunkturprognose - dazu, Entwicklungen beim Bruttoinlandsprodukt positiv, zu positiv zu werten. Das ist so gewollt und hat vor allem psychologische Gründe.

    Ein weiterer Kritikpunkt: Der Arbeitskreis schätzt die Steuereinnahmen auf der Grundlage des geltenden Rechts. Steueränderungen sind in der Prognose in aller Regel nicht berücksichtigt. Und falls doch, werden die finanziellen Auswirkungen solcher Änderungen meist zu optimistisch angegeben. Das Verhalten von Unternehmen und Bürgern nach Steueränderungen aber lässt sich nur schwer vorhersagen. Der Bundesrechnungshofprüfer Hugo mahnt die Steuerschätzer daher zu etwas mehr Vorsicht:

    "Wenn ihr schon nicht bereit seid, in euren Schätzungen gewisse schwierige Entwicklungen im Mittelfristzeitraum vorauszunehmen, dann macht doch wie ein vorsichtiger Kaufmann eine gewisse Risikoposition, Planungsposition. Wir haben das Risikofaktor genannt, nehmt den quasi als Zusatzfaktor außerhalb eurer Schätzung. Dann kann euch niemand vorwerfen, ihr würdet eure Steuerschätzzahlen in irgendeiner Weise manipulieren. Aber ihr zeigt im Rahmen der Haushalts- und Finanzplanung, dass ihr vorsichtig an diese Dinge herangeht."

    Diese Empfehlung des Bundesrechnungshofs trifft bislang aber auf taube Ohren - sowohl bei der Politik als auch bei den Schätzern selbst. Denn wer weniger Steuern einnimmt - und sei es zunächst auch nur auf dem Papier der Schätzer - muss entweder mit höheren Schulden kalkulieren oder er muss offen sagen, wo gespart werden kann, wo gespart werden muss. Beides aber ist unpopulär, nicht nur vor Wahlen, weiß die Vorsitzende des Haushaltsausschusses des Bundestags, Petra Merkel von der SPD. Sie ist deshalb dafür, eine Prognose zu machen, die eine Vorhersage bleibt - auch, wenn sie langfristig ist. Spätere Korrekturen nicht ausgeschlossen.

    "Steuerschätzungen sind auch immer so ein Stück Seismograf. Das bedeutet, auch ganz viel Psychologie ist im Hintergrund. Nimmt man die Steuerschätzung und sagt: Wir könnten eventuell noch schlechter abschneiden, dann hat das Auswirkung auf die Wirtschaft, weil die sagen, dann lassen wir mal lieber unsere Investitionen, wir werden lieber vorsichtiger rangehen. Wenn man jetzt euphorisch wird und sagt, das wird alles super, dann kriegt man hinterher die Quittung, weil dieses erwartete Ergebnis nicht eingetroffen ist."

    Plus und minus ergibt ... minus? Die Ausgabenseite.

    Rot ist seit Jahren die beherrschende Farbe im Bundesetat: Im Haushalt 2010 ist die Nettokreditaufnahme mit einem Betrag von rund 80 Milliarden Euro veranschlagt. Eine Summe, die in dieser Höhe in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland beispiellos ist. Jeder vierte Euro ist bei den diesjährigen Ausgaben damit schuldenfinanziert. Die Gesamtausgaben für das laufende Jahr belaufen sich auf gut 320 Milliarden Euro und liegen damit um 5,3 Prozentpunkte höher als im vergangenen Jahr. Anders als für die Einnahmen ist für die Ausgaben aber kein Arbeitskreis zuständig. Hans-Ulrich Liebern vom Bund der Steuerzahler schlägt daher vor, sich mit der Ausgabenseite auf ähnliche Art und Weise zu befassen:

    "Man müsste vielleicht auch eine mittelfristige Ausgabenplanung mal vornehmen. Auch hier vielleicht mal, dass sich Leute zusammensetzen und sagen, die Aufgaben kommen auf die Gebietskörperschaften zu, mit diesen Ausgaben ist zu rechnen, und dann da auch zu sagen, mit diesen Ausgaben müssen wir zwangsläufig rechnen, die nicht abänderbar sind und dann auch die Stellschraube dahingehend zu stellen, dass man auch auf der Ausgabenseite Einsparungen vornimmt, ob das jetzt Personal ist, ob das Subventionskürzungen sind, da gibt es ja genug."

    Ganz neu ist die Idee nicht: In den vergangenen Jahren hat sich ein sogenannter Finanzplanungsrat mit den Haushaltsausgaben beschäftigt. Nur der tagte weniger öffentlichkeitswirksam. Vertreter von Bund, Ländern und Gemeinden diskutierten in diesem Gremium über die volks- und finanzwirtschaftlichen Annahmen für die Haushaltspläne. Und sie gaben Empfehlungen ab zur Haushaltsdisziplin. Verbindlich jedoch waren diese Ratschläge nicht.

    "Das hat natürlich dann überhaupt keinen Wert, wenn es nicht verbindlich ist. Und zweitens werden diese Zahlen ja auch gar nicht so in die Öffentlichkeit hineingetragen wie Schätzungen der Steuereinnahmen. Da muss es einen Dualismus geben, beides muss nebeneinandergestellt werden, um der Öffentlichkeit deutlich zu machen, welche Ausgaben sind gesamtstaatlich überhaupt geplant und auf den einzelnen Ebenen, damit der Bürger auch dies nachvollziehen kann und seine Rückschlüsse ziehen kann."

    Immerhin das könnte sich in Zukunft ändern. Denn gestern trat der sogenannte Stabilitätsrat zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen. Ihm gehören die Finanzminister von Bund und Ländern sowie der Bundeswirtschaftsminister an. Es ist ein neues Gremium, das den Finanzplanungsrat ersetzen und drohende Haushaltsnotlagen verhindern helfen soll. Konkret kann der Stabilitätsrat bei Verstößen gegen die neue Schuldenbremse Sanierungsprogramme anmahnen und einleiten; vorausgesetzt der Bundesfinanzminister und zwei Drittel seiner Länderkollegen sind dafür.

    Der Rat hat damit also eine Art Wächterfunktion, mittels der die im Grundgesetz verankerte neue Schuldenbremse gesamtstaatlich umgesetzt werden soll. Diese Schuldenbremse verpflichtet den Staat bekanntlich dazu, ab dem nächsten Jahr die Nettokreditaufnahme zurückzuführen. Die Politik könnte also gezwungen sein über neue Wege nachzudenken die maroden Haushalte - ob beim Bund, bei den Ländern oder den Kommunen - zu sanieren. Die Vorsitzende des Haushaltsausschusses, Petra Merkel:

    "Das ist deswegen spannend, weil wir versuchen wollen, dass wir ganz klar unsere Schuldenaufnahme noch stärker ins öffentliche Bewusstsein rücken. Wir haben jetzt ungefähr etwas mehr als 80 Milliarden neue Kredite aufgenommen für das laufende Haushaltsjahr. Und wir werden 2016 höchstens acht Milliarden noch aufnehmen dürfen. Das heißt, es wird noch viel stärker der öffentliche Druck auf unseren Haushälterfingern lasten, was wir eigentlich tun. Das heißt: Rechtfertigung der Politik, das heißt aber auch, wir müssen mehr transparent machen, was wir überhaupt tun. Und Politik muss sich sicherlich stärker verantworten"

    Politische Wunschzettel und finanzielle Realität

    Wie so oft in der Politik existiert auch bei der neuen Schuldenregel ein finanzpolitisches Hintertürchen: Es gibt die Möglichkeit, die Reißleine zu ziehen, wenn eine außergewöhnliche Notsituation mit gravierenden Folgen für die staatliche Finanzlage einzutreten droht: In diesem Fall nämlich dürfen auch wieder mehr neue Kredite aufgenommen werden. Ob die Schuldenbremse also tatsächlich hält, was sie verspricht, ist nach Einschätzung vieler Experten offen. Thomas Lenk, an der Universität Leipzig Professor für Öffentliche Finanzen, hat die Föderalismuskommission als Sachverständiger beraten. Er kritisiert die dort beschlossene Schuldenbremse als Offenbarungseid der Politik:

    "Wir hatten ja eine Schuldenbremse, die durchaus hätte wirken können, wenn man sie politisch hätte einhalten wollen. Es ist ein Armutszeugnis aus der Politik, denn soweit ich weiß, steht in unserem Grundgesetz nicht drin, dass wir uns verschulden müssen. Das heißt, es kommt prinzipiell auf die Einstellung der Politiker zum Schuldenmachen an und wahrscheinlich weniger auf die Regel selbst."

    Damit die geschätzten Einnahmen die nötigen Ausgaben auch decken, empfiehlt Lenk, zwischen der Plus- und der Minusseite im Haushalt eine Wenn-Dann-Beziehung herzustellen. Und gegebenenfalls auf bestimmte Ausgaben zu verzichten.

    "Was mir fehlt in der politischen Diskussion ist einfach, bei einem Beschluss auch die notwendigen Finanzierungsmöglichkeiten dafür mit zu beschließen. Und ich glaube allein das, dieser Zwang, darüber nachzudenken, dass es diese Kopplung zwischen Einnahmen- und Ausgabenseite gibt, wird dazu führen, dass so manche Ausgabe noch mal überdacht wird."

    Das könnte dann auch für die aktuell politisch heiß diskutierten Wünsche nach Steuersenkungen gelten. Denn für Steuergeschenke reichen nach Ansicht von Steuerschätzer Boss nicht einmal die prognostizierten Einnahmen aus.

    "Wenn die Einkommensteuersätze durchgängig über alle Einkommensbereich reduziert werden, dann darf man mit einem gewissen Maß an Selbstfinanzierung rechnen. Nur: Wenn man all diese Effekte zusammennimmt, kommt man zu dem Ergebnis, eine Selbstfinanzierung ist möglicherweise im Ausmaß von 20 Prozent zu erwarten, aber nicht mehr. Wer wirklich die Einkommensteuer kräftig senken will, der muss praktisch den gesamten Betrag über Ausgabenkürzung finanzieren. Alles andere klingt vielleicht gut, ist aber in meinen Augen unredlich."

    Die Annahme, dass Steuersenkungen sich selbst finanzieren und für Wachstum sorgen - halten auch andere Wirtschaftsforscher für falsch. Gleich zwei Institute legten in der vergangenen Woche Studien vor, wonach der von der FDP vorgeschlagene Stufentarif den Staat bis zu 38,5 Milliarden Euro kosten würde.

    Steuerschätzung: Kristallkugel der Haushaltspolitik?

    Vor allem vor Wahlen - wie der am 9. Mai in Nordrhein-Westfalen - hat die Steuerschätzung ein Gewicht, das ihr vielleicht gar nicht gerecht wird. Unter Experten ist unstrittig, dass die Qualität der kurzfristigen Steuerschätzung gut ist. Um auch die mittelfristigen Planungen belastbarer und damit verlässlicher machen zu können, empfiehlt der Leipziger Finanzwissenschaftler Lenk:

    "Es gibt beispielsweise in Sachsen die Vorgabe, dass man sagt, wir nehmen das Ergebnis der offiziellen Steuerschätzung, aber für den eigenen sächsischen Haushalt machen wir noch mal zwei, drei Prozentpunkte Abschläge, da wir wissen, dass in der Vergangenheit doch immer zu gut geschätzt wurde. Und wenn man sich die Finanzlage von Sachsen anschaut, stand Sachsen sehr oft besser da als andere Bundesländer."

    Tatsache ist: Auf die Steuerschätzung an sich kann nicht verzichtet werden. Schon allein deshalb, weil jeder Haushalt im Voraus geplant, berechnet und verabschiedet werden muss. Vielleicht aber würde es schon ein wenig helfen, die Ausgabenseite stärker in den Blick zu rücken. Denn viele künftige Ausgaben gerade im Sozialbereich lassen sich nur Pi mal Daumen schätzen, etwa die künftige Zahl der Arbeitslosen.

    Sinnvoll könnte also eine mittelfristige Finanzplanung sein, die die Unsicherheiten auf der Ausgabenseite ebenfalls unter die Lupe nimmt. Vielleicht wären die Volksvertreter finanzpolitisch dann etwas vorsichtiger.