Unabhängig, transparent, gerecht und innovativ: So sollte sie aussehen, die Förderung der deutschen Sportwissenschaft, ist Arne Güllich überzeugt. Doch wie viele andere Forscher hat Güllich erhebliche Zweifel, dass die Förderung diesen Kriterien gerecht wird. Fast zwölf Jahre lang hat der 44-Jährige für den Deutschen Olympischen Sportbund gearbeitet. Dort hatte er fast täglich mit dem Bundesinstitut für Sportwissenschaft zu tun. Zuletzt war Güllich Ressortleiter Wissensmanagement, ehe er vergangenes Jahr die Seiten wechselte. Heute hilft Güllich an der Uni Kaiserslautern, ein neues Sportinstitut aufzubauen. Arne Güllich kann frei und offen reden. Sein größtes Problem mit dem Bundesinstitut für Sportwissenschaft:
"”Da entwickeln Strategen oder strategische Überleger ein Programm, die aber gleichzeitig im nächsten Schritt die Entscheider sind, die wiederum gleichzeitig die Begünstigten dieser Entscheidungen sind.""
Schon vor zwei Jahren war das Institut deshalb vom Wissenschaftsrat der Bundesregierung gerügt worden. Nun behauptet es, die Probleme beseitigt zu haben. Arne Güllich aber sieht das anders. Die Fördereinrichtung habe zwar nachjustiert, die strukturellen Probleme aber seien geblieben.
Inzwischen melden sich immer mehr Sportwissenschaftler mit grundlegender Kritik zu Wort. Dabei kristallisieren sich vier Haupt-Kritikpunkte heraus:
Erstens: Das Bundesinstitut gestalte seine Forschung nicht ergebnisoffen. Ein Beispiel: Eike Emrich, Sportökonom von der Uni Saarbrücken, führte 2001 mit Kollegen eine groß angelegte Studie über die Organisation von Sportvereinen in Deutschland durch. Auftraggeber waren das Bonner Bundesinstitut, der Deutsche Sportbund sowie die Landessportbünde. Als Emrich sein Ergebnis vorlegte, bat ihn das Institut, die Zusammenfassung der Studie umzuformulieren. Am Ende mussten Emrich und seine Kollegen ihr Fazit mehrere Male ändern, bis man zufrieden war. Emrich möchte nicht ausschließen, dass es bei stärker abhängigen Forschern zu Beeinflussungen kommen kann.
"Also wenn sie bestimmte Erwartungen hegen, dann haben sie natürlich auf der anderen Seite leicht Auftragsnehmer oder Antragsteller, die diese Erwartungen antizipieren. Die werden ja auch partiell kommuniziert. Und das führt dann zum latenten gegenseitigen sich abstimmen und am Ende verhindern sie Innovationsforschung."
Zweitens: Laut Emrich ist nicht auszuschließen, dass hauptamtliche Mitarbeiter des Bundesinstitutes durch die Auswahl der Gutachter mitbestimmen, wer welche Aufträge bekommt.
Auch der Tübinger Sportsoziologe Helmut Digel, der selbst jahrzehntelang in den Entscheidungsgremien saß, sagt, dass die Begutachtung der Projektanträge aus seiner Erfahrung nicht immer professionell ablief.
"Da gab es durchaus berechtigte Zweifel. Die Zweifel sind dadurch entstanden, dass man bei der Lektüre von Gutachten den Eindruck haben muss, dass man hier nicht einmal sehr sorgfältig entsprechende Anträge gelesen oder bearbeitet habe, sodass man annehmen musste, ihr Urteil stand schon im Vorhinein fest."
Zudem sei durch die Netzwerke in der deutschen Sportwissenschaft eine gewisse Art von Befangenheit bei Gutachtern grundsätzlich wahrscheinlich.
Aber Digel betont auch, dass durch die Förderung durchaus wegweisende Forschungen entstanden seien. Zum Beispiel in der Vereins- und Verbandsforschung, der Biomechanik oder der Sportmedizin.
Drittens: Forscher beklagen das Bundesinstitut für Sportwissenschaft leide unter einer gänzlich falschen Ausrichtung. Das Institut, 1970 gegründet, arbeite noch immer im Geist des kalten Krieges: als Medaillenproduzent. Die breite Masse der steuerzahlenden Sportler erhalte dagegen überhaupt keine wissenschaftliche Förderung, da der Breitensport in der Forschung keine Rolle spiele.
Viertens: Die Wirtschaftlichkeit des Förderinstitutes wird angezweifelt. Dessen Verhältnis von Forschungsförderung zu Personalkosten lag ehemals nur bei 50 zu 50. Mittlerweile wurde dies zwar verbessert, aber nur dank erhöhter Mittel des Bundes. Und nicht weil die Strukturen verschlankt wurden. So gibt es viele Forscher die sich fragen, ob die Förderung nicht effizienter organisiert werden könnte. Darunter auch Helmut Digel.
"Ohne das Bundestinstitut hätte die Sportwissenschaft in den letzten 50 Jahren so gut wie keine Forschungsmittel gehabt. Nur die Fehler, die dabei trotzdem bestehen, die sollten dabei meines Erachtens kein Tabu sein. Man kann ja durchaus darüber nachdenken, ob nicht möglicherweise diese Mittel zur Finanzierung der sportwissenschaftlichen Forschung in Deutschland über ganz andere Wege bereitgestellt werden, als über das Bundestinstitut. Ist diese dort anzutreffende Struktur effizient? Und ist sie auch ökonomisch? Diese Fragen die muss man stellen und die sollten auch sehr sorgfältig beantwortet werden.”"
Natürlich wollen die Sportwissenschaftler ihre Fördergelder nicht verlieren. Und so hat die Deutsche Vereinigung für Sportwissenschaft zuletzt die Bedeutung des Bundesinstitutes hervorgehoben. Es liege im öffentlichen Interesse, eine starke und durchsetzungsfähige Fördereinrichtung zu haben. Differenzierter sieht das der Frankfurter Sportpädagoge Robert Prohl. Er befürchtet, dass weiterhin junge Forscher in den Strukturen des Gebens und Nehmens aufwachsen und die Sportwissenschaft somit als Ganzes in die falsche Richtung steuert.
"”Darum teile ich nicht unbedingt die Auffassung der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft, das BISp müsse nun unter allen Umständen erhalten werden, nur vielleicht noch ein bisschen renoviert. Sondern: In der Entwicklung, die sie jetzt grade schildern, sieht man ja, dass falsch gesteuertes Geld sogar Schaden anrichten kann."
Für Bewegung könnte die Deutsche Sporthochschule Köln sorgen. Die Kölner haben erst mals gegen die Vergabepraxis geklagt, nachdem aufwändige Forschungsanträge mit Zweizeilern abgelehnt wurden. Justitiar Michael Krannich erklärt dazu:
"Wenn sie über öffentliche Gelder verfügen – und das im Rahmen einer Ausschreibung – dann müssen die Entscheidungen transparent und nachvollziehbar sein. Als wir in die Akten geschaut haben, konnten wir das nicht feststellen."
Michael Krannich und die Sporthochschule wollen, dass in Zukunft allen Bewerbern die gleichen Chancen eingeräumt werden. Zu einer Entscheidung wird es laut Verwaltungsgericht Köln aber wohl erst Mitte nächsten Jahres kommen.
Das Bundesinstitut sowie das zuständige Innenministerium weisen die Vorwürfe der Sportwissenschaftler zurück. In einer Stellungnahme an den Haushaltsausschuss des Bundestages, die dem Deutschlandfunk vorliegt, schreiben sie, dass die Gremienstruktur des Institutes längst erneuert und verschlankt sei. Zudem seien personelle Überschneidungen zwischen den Gremien nicht schädlich. Dem Deutschlandfunk teilt das Innenministerium schriftlich mit, die Förderung entspreche den in der Wissenschaft üblichen Verfahren. Die Gutachter seien objektiv und unabhängig und die Ausrichtung auf den Leistungssport politisch gewollt. Zudem habe das Institut sein Personal in den letzten Jahren um die Hälfte reduziert.
Anfang November wird ein Bericht des Bundesrechnungshofes, der Finanzprüfer des Bundes, zum Institut erwartet. Nach Deutschlandfunk-Informationen kritisiert der Rechnungshof mit harten Worten, dass es im BISp massive Überschneidungen in den entscheidenden Gremien gibt. Genau wie es der Wissenschaftsrat und die verschiedenen Sportwissenschaftler zuvor kritisiert hatten.
Die Politik, konkret der Bundestags-Haushaltsauschuss ist schon seit Wochen alarmiert. Man will es nicht bei harten Worten belassen. Wenn der Rechnungshof-Bericht veröffentlicht ist, wird der Haushaltsausschuss voraussichtlich eine erneute Prüfung des Bundesinstitutes verlangen. Der zuständige Abgeordnete Klaus Hagemann droht bereits mit der Schließung, sollte sich nichts ändern.
"”Da entwickeln Strategen oder strategische Überleger ein Programm, die aber gleichzeitig im nächsten Schritt die Entscheider sind, die wiederum gleichzeitig die Begünstigten dieser Entscheidungen sind.""
Schon vor zwei Jahren war das Institut deshalb vom Wissenschaftsrat der Bundesregierung gerügt worden. Nun behauptet es, die Probleme beseitigt zu haben. Arne Güllich aber sieht das anders. Die Fördereinrichtung habe zwar nachjustiert, die strukturellen Probleme aber seien geblieben.
Inzwischen melden sich immer mehr Sportwissenschaftler mit grundlegender Kritik zu Wort. Dabei kristallisieren sich vier Haupt-Kritikpunkte heraus:
Erstens: Das Bundesinstitut gestalte seine Forschung nicht ergebnisoffen. Ein Beispiel: Eike Emrich, Sportökonom von der Uni Saarbrücken, führte 2001 mit Kollegen eine groß angelegte Studie über die Organisation von Sportvereinen in Deutschland durch. Auftraggeber waren das Bonner Bundesinstitut, der Deutsche Sportbund sowie die Landessportbünde. Als Emrich sein Ergebnis vorlegte, bat ihn das Institut, die Zusammenfassung der Studie umzuformulieren. Am Ende mussten Emrich und seine Kollegen ihr Fazit mehrere Male ändern, bis man zufrieden war. Emrich möchte nicht ausschließen, dass es bei stärker abhängigen Forschern zu Beeinflussungen kommen kann.
"Also wenn sie bestimmte Erwartungen hegen, dann haben sie natürlich auf der anderen Seite leicht Auftragsnehmer oder Antragsteller, die diese Erwartungen antizipieren. Die werden ja auch partiell kommuniziert. Und das führt dann zum latenten gegenseitigen sich abstimmen und am Ende verhindern sie Innovationsforschung."
Zweitens: Laut Emrich ist nicht auszuschließen, dass hauptamtliche Mitarbeiter des Bundesinstitutes durch die Auswahl der Gutachter mitbestimmen, wer welche Aufträge bekommt.
Auch der Tübinger Sportsoziologe Helmut Digel, der selbst jahrzehntelang in den Entscheidungsgremien saß, sagt, dass die Begutachtung der Projektanträge aus seiner Erfahrung nicht immer professionell ablief.
"Da gab es durchaus berechtigte Zweifel. Die Zweifel sind dadurch entstanden, dass man bei der Lektüre von Gutachten den Eindruck haben muss, dass man hier nicht einmal sehr sorgfältig entsprechende Anträge gelesen oder bearbeitet habe, sodass man annehmen musste, ihr Urteil stand schon im Vorhinein fest."
Zudem sei durch die Netzwerke in der deutschen Sportwissenschaft eine gewisse Art von Befangenheit bei Gutachtern grundsätzlich wahrscheinlich.
Aber Digel betont auch, dass durch die Förderung durchaus wegweisende Forschungen entstanden seien. Zum Beispiel in der Vereins- und Verbandsforschung, der Biomechanik oder der Sportmedizin.
Drittens: Forscher beklagen das Bundesinstitut für Sportwissenschaft leide unter einer gänzlich falschen Ausrichtung. Das Institut, 1970 gegründet, arbeite noch immer im Geist des kalten Krieges: als Medaillenproduzent. Die breite Masse der steuerzahlenden Sportler erhalte dagegen überhaupt keine wissenschaftliche Förderung, da der Breitensport in der Forschung keine Rolle spiele.
Viertens: Die Wirtschaftlichkeit des Förderinstitutes wird angezweifelt. Dessen Verhältnis von Forschungsförderung zu Personalkosten lag ehemals nur bei 50 zu 50. Mittlerweile wurde dies zwar verbessert, aber nur dank erhöhter Mittel des Bundes. Und nicht weil die Strukturen verschlankt wurden. So gibt es viele Forscher die sich fragen, ob die Förderung nicht effizienter organisiert werden könnte. Darunter auch Helmut Digel.
"Ohne das Bundestinstitut hätte die Sportwissenschaft in den letzten 50 Jahren so gut wie keine Forschungsmittel gehabt. Nur die Fehler, die dabei trotzdem bestehen, die sollten dabei meines Erachtens kein Tabu sein. Man kann ja durchaus darüber nachdenken, ob nicht möglicherweise diese Mittel zur Finanzierung der sportwissenschaftlichen Forschung in Deutschland über ganz andere Wege bereitgestellt werden, als über das Bundestinstitut. Ist diese dort anzutreffende Struktur effizient? Und ist sie auch ökonomisch? Diese Fragen die muss man stellen und die sollten auch sehr sorgfältig beantwortet werden.”"
Natürlich wollen die Sportwissenschaftler ihre Fördergelder nicht verlieren. Und so hat die Deutsche Vereinigung für Sportwissenschaft zuletzt die Bedeutung des Bundesinstitutes hervorgehoben. Es liege im öffentlichen Interesse, eine starke und durchsetzungsfähige Fördereinrichtung zu haben. Differenzierter sieht das der Frankfurter Sportpädagoge Robert Prohl. Er befürchtet, dass weiterhin junge Forscher in den Strukturen des Gebens und Nehmens aufwachsen und die Sportwissenschaft somit als Ganzes in die falsche Richtung steuert.
"”Darum teile ich nicht unbedingt die Auffassung der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft, das BISp müsse nun unter allen Umständen erhalten werden, nur vielleicht noch ein bisschen renoviert. Sondern: In der Entwicklung, die sie jetzt grade schildern, sieht man ja, dass falsch gesteuertes Geld sogar Schaden anrichten kann."
Für Bewegung könnte die Deutsche Sporthochschule Köln sorgen. Die Kölner haben erst mals gegen die Vergabepraxis geklagt, nachdem aufwändige Forschungsanträge mit Zweizeilern abgelehnt wurden. Justitiar Michael Krannich erklärt dazu:
"Wenn sie über öffentliche Gelder verfügen – und das im Rahmen einer Ausschreibung – dann müssen die Entscheidungen transparent und nachvollziehbar sein. Als wir in die Akten geschaut haben, konnten wir das nicht feststellen."
Michael Krannich und die Sporthochschule wollen, dass in Zukunft allen Bewerbern die gleichen Chancen eingeräumt werden. Zu einer Entscheidung wird es laut Verwaltungsgericht Köln aber wohl erst Mitte nächsten Jahres kommen.
Das Bundesinstitut sowie das zuständige Innenministerium weisen die Vorwürfe der Sportwissenschaftler zurück. In einer Stellungnahme an den Haushaltsausschuss des Bundestages, die dem Deutschlandfunk vorliegt, schreiben sie, dass die Gremienstruktur des Institutes längst erneuert und verschlankt sei. Zudem seien personelle Überschneidungen zwischen den Gremien nicht schädlich. Dem Deutschlandfunk teilt das Innenministerium schriftlich mit, die Förderung entspreche den in der Wissenschaft üblichen Verfahren. Die Gutachter seien objektiv und unabhängig und die Ausrichtung auf den Leistungssport politisch gewollt. Zudem habe das Institut sein Personal in den letzten Jahren um die Hälfte reduziert.
Anfang November wird ein Bericht des Bundesrechnungshofes, der Finanzprüfer des Bundes, zum Institut erwartet. Nach Deutschlandfunk-Informationen kritisiert der Rechnungshof mit harten Worten, dass es im BISp massive Überschneidungen in den entscheidenden Gremien gibt. Genau wie es der Wissenschaftsrat und die verschiedenen Sportwissenschaftler zuvor kritisiert hatten.
Die Politik, konkret der Bundestags-Haushaltsauschuss ist schon seit Wochen alarmiert. Man will es nicht bei harten Worten belassen. Wenn der Rechnungshof-Bericht veröffentlicht ist, wird der Haushaltsausschuss voraussichtlich eine erneute Prüfung des Bundesinstitutes verlangen. Der zuständige Abgeordnete Klaus Hagemann droht bereits mit der Schließung, sollte sich nichts ändern.